Friedensbewegung im Kreuzfeuer

von Gerhard Hanloser

Schild mit Peace-Zeichen. Bild: Ink Drop/ Shutterstock.com

Friedensbewegung im Kreuzfeuer: Zwischen Mobilisierung und Demobilisierung

Die Friedensbewegung steht unter Druck. Kritiker warnen vor rechter Unterwanderung. Doch könnte der Versuch, sich abzugrenzen, die Bewegung spalten? (Teil 1)

Eine Untersuchung des Publizisten Lucius Teidelbaums zur aktuellen Friedensbewegung hat in jüngster Zeit erhebliche Aufmerksamkeit erlangt, da seine Darstellungen und Vorschläge von drei bedeutenden linken Organisationen übernommen wurden.

Diese Organisationen sind die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), das globalisierungskritische Netzwerk Attac sowie die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK). Sie nutzen Teidelbaums Analyse als Grundlage für die strategische Ausrichtung ihrer politischen Arbeit.

Kritische Betrachtung von Teidelbaums Analyse

Teidelbaums Analyse basiert auf einer relativ schmalen empirischen Grundlage. Eine nähere Betrachtung der Fußnoten in seinem Text offenbart, dass seine Quellen willkürlich ausgewählt wurden und oft wenig belastbar erscheinen.

Besonders auffällig ist, dass zur Definition der Friedensbewegung selbst keine fundierten Quellen zitiert werden. Dabei existieren bereits umfassende Darstellungen und wissenschaftliche Arbeiten zur Friedensbewegung, die Teidelbaum offenbar nicht berücksichtigt hat. Beispielsweise bieten die Beiträge zur Historischen Friedensforschung tiefere Einblicke. Bei Teidelbaum sucht man sie vergebens.

Politische Einflussnahme auf die Friedensbewegung

Bereits der Titel von Teidelbaums Werk kann den Eindruck einer gewissen Oberflächlichkeit entstehen lassen. Die Friedensbewegung, als eine der breitesten und politisch diversesten Neuen Sozialen Bewegungen, war schon immer Ziel politischer Einflussnahme von verschiedenen Seiten.

Würde man den Titel geringfügig ändern, könnte man „Versuche linksextremer Einflussnahme auf die Friedensbewegung“ formulieren und damit den Ton des bundesrepublikanischen Verfassungsschutzes treffen.

Die AfD und die Friedensbewegung

Teidelbaum kategorisiert die Friedensbewegung in vier Gruppen, wobei er die erste Gruppe als „extreme Rechte“, darunter die Alternative für Deutschland (AfD), ausmacht. Diese Einordnung ist auf mehreren Ebenen problematisch.

Während die Überschrift suggeriert, rechte Akteure nähmen Einfluss auf die Friedensbewegung, stellt sich in Teidelbaums Analyse die Friedensbewegung in Teilen selbst als rechts, ja sogar als extrem rechts dar.

Die AfD hat sich bisher jedoch nicht signifikant in Friedensmobilisierungen hervorgetan. Ihre Fahnen tauchen bei zentralen Friedensaktivitäten, wie den Ostermärschen, nicht auf. Als Partei mit militaristischer Ausrichtung ist ihr die Friedensbewegung inhaltlich wie habituell fremd.

Einzelne Wähler der AfD mögen bei Kundgebungen und Demonstrationen zugegen sein, was sich jedoch nicht überprüfen lässt. Teidelbaum hat keine empirische Untersuchung von Friedenskundgebungen und des Wahlverhaltens ihrer Teilnehmer vorgelegt.

Noch nicht einmal eine Unterscheidung zwischen Funktionären der AfD und der einfachen Wählerschaft wird von ihm vorgenommen. Dabei müsste doch die jeweilige Rolle und Machtposition anders bewertet und eingeschätzt werden.

Logik der Ausgrenzung

Teidelbaum fordert nicht nur, offizielle Bündnisse linker Friedenskräfte mit der AfD, die es bislang nie gab, zu verhindern. Er möchte auch mögliche „rechte“ Teilnehmer an Friedensdemonstrationen ausschließen und wünscht, sie mögen zurück nach Hause gehen.

Teidelbaum unterscheidet dabei nicht zwischen „extremer Rechte“ und „rechts“, was sich schon daran zeigt, dass er die „(extreme) Rechte“ anspricht. Diese Logik der Ausgrenzung folgt einem tiefen Pessimismus, was Veränderungsmöglichkeiten anbelangt. Ein Aktivist jeder möglichen linken Strömung – von gewaltfrei-anarchistisch bis marxistisch-leninistisch – würde dies freilich völlig anders sehen.

Die Herausforderung der Überzeugungsarbeit

Für einen solchen Ansatz steht Überzeugungsarbeit im Vordergrund: Er verteilt etwa Flugblätter in dem festen Glauben an die Überzeugungskraft der eigenen, besseren Argumente und setzt auf die Veränderungsmöglichkeit seines Gegenübers.

Ein ideologisch gefestigter extremer Rechter gehört dabei natürlich nicht zur Zielgruppe. Allerdings ist eine linke Aufklärungsarbeit immer in der Kommunikation und Ansprache offen für rechts positionierte Einzelpersonen und Personengruppen, um bei diesen eine Veränderung bewirken zu können. Sonst könnte der linke Aktivist nämlich mit seinen Flugblättern und seiner Agitation zu Hause bleiben.

Abgesehen von dieser Ignoranz gegenüber Veränderungs- und Selbstveränderungsmöglichkeiten sowie Lernprozessen in sozialen Bewegungen unterschätzen Teidelbaum und seine Großorganisationen das Argument der Quantität.

Die Macht der Masse

Es gibt historische Phasen, in denen schlicht die Masse zählt. Zur Verhinderung einer wirklichen faschistischen und neonazistischen Gefahr sollten alle eingeladen sein, die sich dieser entgegenstellen. In diesem Zusammenhang müssten Optionen des Kapitals in Form von faschistischen und neoautoritären Affinitäten großer Einzelkapitale und ihrer Sprecher verstärkt in den Fokus gerückt werden, nicht der einzelne „Rechtsesoteriker“ oder Aluhutträger. Zur Verhinderung einer Raketenstationierung, die einen Atomkrieg wahrscheinlicher macht, müssen Massen mobilisiert werden, deren ideologische Motivlage zweitrangig ist.

Generationenkonflikt in der Friedensbewegung

Dies zu erkennen oder zu ignorieren, scheint ein generelles Problem zwischen den Generationen zu sein. Eine jüngere Generation innerhalb der VVN-BdA kennt offenbar nicht das eigene antifaschistische Grundsatzprogramm, das keinen Ausschluss von konservativen, esoterischen, ja selbst national-völkischen Kräften vorsah, solange sie antinazistisch und von den Nazis verfolgt waren.

Voller Angst vor rechts scheint eine junge Generation die Beispiele politischer Wanderungsbewegungen von rechts nach links nicht zu kennen. Historische Figuren wie Thomas Mann, Hellmut von Gerlach, Bodo Uhse, Richard Scheringer und Ernst Niekisch illustrieren solche Bewegungen. Für einen Publizisten wie Teidelbaum müssen sie jedoch ewig unanständige Zeitgenossen bleiben, da sie von „rechts“ kamen.

Kategorisierung der Friedensbewegung:

Teidelbaum identifiziert weiterhin eine Gruppe B, die er als „rechte und verschwörungsideologische Friedensbewegung“ beschreibt. Hierbei bezieht er sich hauptsächlich auf Mitglieder der ehemaligen Montagsmahnwachen ab 2014. Diese Gruppe umfasst auch die Coronamaßnahmenkritische Bewegung, die er polemisch „Pandemie-Leugner*innen“ nennt.

Der Autor sieht bei diesen Gruppen verschwörungsideologische Momente und Motive vorliegen. Die darauffolgende Gruppe C soll dann für eine „rechts-offene traditionelle Friedensbewegung“ stehen, von der er jene letzte Gruppe absetzt, der er sich selbst zuordnet: Gruppe D als Teil der traditionellen Friedensbewegung, die sich von den rechten und rechts-offenen Gruppen abgrenze.

Diese Gruppe beschreibt er als international orientiert und kritisch gegenüber Nationalismus eingestellt. Gruppe D versuche, Gruppe C von der Notwendigkeit einer besseren Abgrenzung zu überzeugen.

Teidelbaum zählt zahlreiche Mobilisierungen auf, die entweder irrationalistisch oder tatsächlich rechtsradikal geprägt waren. Er erwähnt Akteure, deren Reichweite der Einflussnahme auf die traditionellen Friedensbewegungen unklar bleibt, wie das inzwischen verbotene Compact-Magazin.

Seine antifaschistisch informierte Skizze, die zuweilen zutreffend ist, könnte ebenso im Aufruf enden, diese Mobilisierungen mit klaren linken, internationalistischen und materialistischen Positionen zu fluten, um ihrem rechten Irrationalismus etwas entgegenzusetzen.

So könnten Teidelbaum oder die drei Großorganisationen eine verstärkte Präsenz mit Flugblättern oder erstrittenen Redebeiträgen auf von ihnen skeptisch beäugten Friedensmobilisierungen wie der „Stop Ramstein Kampagne“ anstreben. Doch auf dieser Ebene bewegen sich die Kritiker der Friedensbewegung gar nicht. Sie wollen nicht mobilisieren, sondern demobilisieren.

Der Autor und die ihn als Publizisten unterstützenden Funktionäre der drei Großorganisationen befürchten, dass die Gruppen B und ein größerer Teil der Gruppe C zu einer „neuen“ Friedensbewegung verschmelzen könnten.

Basis für diesen schändlichen Versuch wären gemeinsame Analysen, Inhalte und Ziele, die Teidelbaum konform zu bundesdeutschen Medienberichterstattung und geheimdienstlicher Verfassungsschutzorgane folgendermaßen zusammenfasst: Antiamerikanismus und Feindbild Westen, Apologie von Putin-Russland, gemeinsame Verschwörungserzählungen, gemeinsame Systemfeindschaft, Nationalismus, Medienfeindlichkeit, geopolitische Verkürzungen, taktische Mobilisierung.

Auch hier könnte eine solche Analyse – deren Tragfähigkeit mal beiseitegelassen – ja „Kritik im Handgemenge“ herausfordern gegen tatsächliche oder vermeintliche Putin-Apologie, gegen vermeintlichen oder tatsächlichen „Antiamerikanismus“.

Doch „Kritik im Handgemenge“ müsste dann ja rechtsoffen sein, sich also mit einem Gegenüber im gleichen Raum – der Straßen, der Demonstration, der Kundgebung – kontaminieren.

Demobilisierung statt Mobilisierung:

Insgesamt zeigt Teidelbaums Analyse eine Tendenz zur Demobilisierung, anstatt durch aktive Beteiligung und Überzeugungsarbeit Einfluss auf die Bewegungen zu nehmen. Die Diskussion um seine Thesen verdeutlicht bestehende Spannungen innerhalb der Friedensbewegung und die Herausforderungen, vor denen linke Organisationen in der aktuellen politischen Landschaft stehen.

Die Notwendigkeit einer differenzierten Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Strömungen innerhalb der Friedensbewegung und der politischen Landschaft bleibt eine zentrale Aufgabe für alle Beteiligten.


Neue Akteure, alte Probleme: Die Zukunft der Friedensbewegung

Friedensbewegung im Wandel: Neue Akteure treten auf. Rechte mischen mit. Wohin steuert der Protest gegen Krieg und Aufrüstung? (Teil 2 und Schluss)

Man kann sich über die Friedensaktivitäten im Deutschland des Jahres 2024 kaum Illusionen machen. Es wäre wünschenswert, dass Teidelbaums Darstellung rechter Akteure, die sich als „Friedensaktivisten“ ausgeben, präziser ausgearbeitet wird. So sind etwa die „Mahnwache Potsdam“ und die „Handwerker für den Frieden“ stark von rechten Akteuren dominiert.

Skurriles wie Kim-Il-Sung-Begeisterung ist so mancher lokalen Initiative nicht fremd. In meinem Buch „Die andere Querfront“ schreibe ich im Vorwort, dass solche „autoritären Subjektformen vom Aluhutträger bis zum Putin-Fan“ im Geiste der Kritischen Theorie „auf die Verheerungen der kapitalistischen Verhältnisse selbst“ zurückzuführen sind:

Tatsächlich hat der unter Rot-Grün restrukturierte und barbarisierte Kapitalismus in Deutschland Menschen ‚freigesetzt‘, ihrer bisherigen Ordnung beraubt und der Kälte und Unwägbarkeit des Marktes unterworfen. Wenig erstaunlich, dass diese Freigesetzten zuweilen zu Obskurantismus und Verschwörungsdenken neigen und gerne bereit sind, allerhand barfüßigen oder falschen Propheten, Heilsbringern und reaktionären Manipulatoren zu folgen.

Ob sie freilich zu mehr in der Lage sind, als sich auf der ein oder anderen Demonstration einzufinden und auf Internetforen auszutoben, gar dazu fähig, ein einflussreiches politisches Projekt zu schmieden, mag dahingestellt sein. Im schlimmsten Fall geben sie einem neuen rechten Parteiprojekt ihre Stimme wie der AfD…

Es sollte lokalen linken Kräften überlassen sein, wie sie in ihrer Region mit diesen Akteuren umgehen. Sie mit eigener Präsenz und den richtigen Inhalten zu überstimmen und zu dominieren, eine attraktivere linke Lebenswelt zu verkörpern, ist immer besser, als sie im Gleichschritt mit den Kräften der Ordnung – weitgehend wirkungslos – als „Nazis“ zu markieren.

Als Befürworter einer gruppenübergreifenden und damit „rechtsoffenen“ Zusammenarbeit wird in der Broschüre von Teidelbaum Reiner Braun herausgepickt. Reiner Braun ist aktiv im „International Peace Bureau“. In den 1980er-Jahren war Reiner Braun am Krefelder Appell beteiligt.

Vor dem Einstein-Jubiläum im Jahr 2005 war er Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte. Von 2006 bis etwa 2014 war er Geschäftsführer der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler und war bis 2017 Geschäftsführer der Ialana (International Association of Lawyers against Nuclear Arms). Außerdem war er Sprecher der „Kooperation für den Frieden“.

Braun ist außerdem stellvertretender Vorsitzender der Naturwissenschaftler:innen-Initiative Verantwortung für Friedens- und Zukunftsfähigkeit e.V. und hat im November 2022 einen interessanten Bericht über Friedensaktivitäten und Stimmungen in Russland auf den Nachdenkseiten verfasst, der offenbart, dass er alles andere als ein „Putin-Apologet“ ist.

Brauns Lebenswerk und seine politische Erfahrung werden durch Teidelbaum heruntergebrochen auf die Bemerkung, Braun habe „bereits 2015 für eine Kooperation mit den rechts-offenen ‚Mahnwachen für den Frieden‘ im Rahmen des ‚Friedenswinters'“ plädiert. Der Umgang mit dem Friedensfunktionär Braun, der in dem Text gepflegt wird, ist vielsagend.

Braun befürworte, schreibt Teidelbaum skandalisierend, auch „eine Zusammenarbeit mit den Pandemie-Leugner:innen“. Wenn Teidelbaum Reiner Braun selbst zitiert, hört es sich jedoch etwas anders an:

Es geht auch um mögliche neue Partner, die im weitesten Sinne in sozialen Bereichen (Wohnen, Gesundheitswesen, etc.), im Handwerk und Mittelstand, aber auch in der Corona-kritischen Grundrechtebewegung zu finden sind.

Reiner Braun

Teidelbaum muss nachschieben, dass Braun diesen Vorschlag konkretisiert, und zitiert:

Solange es eine klare Positionierung gegen rechtsradikales und faschistisches Gedankengut gibt, ist eine pauschale Ausgrenzung nicht zielführend.

Reiner Braun

Braun hat hier also die verlangte Abgrenzung von der extremen Rechten vorgenommen. Teidelbaums Vorhaltungen lösen sich hier in Luft auf. Es scheint ihn also etwas anderes zu stören. So empört er sich, dass besonders in Gruppe B und C „in gewagten Assoziationsketten (…) die Grünen als militaristisch kritisiert und deswegen als ‚rechts‘ markiert“ werden.

Nun braucht es nicht viele Assoziationsketten, sondern nur das Zur-Kenntnis-Nehmen eines Interviews mit Toni Hofreiter, um Beispiele für den Militarismus der Grünen zu finden. Doch Teidelbaum geht sogar so weit zu skandalisieren, dass durch Vertreter der Gruppen B und C „die Nato (…) als rechte Organisation markiert“ wird. Er bemerkt in aller Naivität:

Eine differenzierte Kritik würde darauf hinweisen, dass autoritäre Regime wie die Türkei in der Nato Mitglied sind, und diesen Umstand kritisieren. Die Nato ist zuallererst ein Militärbündnis, dem sowohl demokratische als auch autoritäre Staaten angehören. Den „Vereinten Nationen“ (UN) könnte man ebenso vorwerfen, dass ihnen autoritäre Staaten angehören, allerdings scheint das bei der Bestimmung des Charakters der UN keine Rolle zu spielen.

Freilich offenbart diese Passage, dass Teidelbaum nicht in der Lage ist, Rolle und Funktion der Nato und ihren expansiven Charakter zur globalen Macht- und Herrschaftssicherung der führenden kapitalistischen Staaten, allen voran der USA, zu erkennen.

Ihm scheint auch der Begriff des Imperialismus, bzw. imperialistischer Strukturen unbekannt zu sein, dessen Inhalt er bei historisch und politisch-materialistisch bewanderten Autoren wie Noam Chomsky nachlesen könnte, wenn er zu Daniele Ganser nicht greifen mag.

Teidelbaum kritisiert also Stimmen der Friedensbewegung vor dem Hintergrund einer eigenen affirmativen Einschätzung der Grünen, der Nato und der bundesrepublikanischen Medienlandschaft.

Dass er selbst den Begriffsjoker „Antiamerikanismus“ benutzt, ohne darauf zu reflektieren, dass dieser bereits der 80er-Jahre-Friedensbewegung im Interesse ihrer Delegitimation von rechts entgegenschallte, zeigt, wie weitgehend unkritisch und unhistorisch der Autor an sein Thema herangeht.

Einer Strategie „taktischer Mobilisierung“, die er nur bei Gruppe C der Friedensbewegung ausmacht, verfolgt er wie die mit ihm kooperierenden Großorganisationen dabei selbst. Im Medium der Verharmlosung herrschender Politik und ihrer medialen und politischen Agenturen strebt er das Reinhalten linker Großorganisationen und ihrer Bündnispolitik an, um Respektabilität im bürgerlichen Milieu zu erheischen.

Wenn sich Teidelbaum auf eine „ausdifferenzierte (…) Kapitalismus-Kritik, die Klassen-Gegensätze fokussiert“ positiv bezieht, so ist dies reine Rhetorik und dient nur als Ticket-Begriff, um weitgehend argumentfrei den angegriffenen Akteuren eine Verkürzung in ihrer Gesellschaftskritik oder eine Ideologisierung vorhalten zu können.

Ein solches Manöver könnte die globalisierungskritische Bewegung Attac kennen. So haben ihr in ähnlicher Manier antideutsche Publizisten in der Vergangenheit vorgehalten, ihre Kampagne für eine Finanztransaktionssteuer folge keiner ausdifferenzierten Kapitalismus-, sondern einer nur verkürzten, ja sogar „strukturell antisemitischen“ Kapitalismuskritik.

Dass sich die Funktionäre dreier linker Großorganisationen hinter einer wissenschaftlich dürftigen und politisch biederen bis angepassten Kurzstudie zur Friedensbewegung versammeln, zeigt die tiefe Krise linker Kräfte in der Bundesrepublik an. Die Furcht vor „Rechtsoffenheit“ und die demobilisierende Abgrenzerei bleiben weit hinter den Erkenntnissen der Gruppen selbst zurück.

In einer Erklärung des Bundessprecher:innenkreises der VVN-BdA wird berechtigterweise kritisch auf das 100-Milliarden-Paket für die Aufrüstung der Bundeswehr verwiesen und zum neuen deutschen Militarismus, der bei Bildung, Gesundheit und Sozialem spart, „Nein“ gesagt. Die linken Kräfte haben tatsächlich viel zu diskutieren. So zeigte die Friedensmobilisierung des 3. Oktobers, dass hier neue Akteure auf der Straße zusammenfinden, immerhin in einer großen Zahl von 30.000.

Jenseits des Prominentenspektakels auf der Bühne bei der Goldelse konnte beobachtet werden, dass es eine neue antimilitaristische Jugend gibt, die nicht nur der „Zeitenwende“, sondern auch dem vorherrschenden Konformismus und Opportunismus die kalte Schulter zeigen. Dafür schlüpft sie zuweilen in die alten Kostüme eines anachronistischen Leninismus.

Ferner war die Demonstration dank der Mobilisierung palästinasolidarischer Kreise migrantischer und weniger „biodeutsch“ geprägt als die klassischen Veranstaltungen der alten Friedensbewegung. Durch diese Teilnehmer artikuliert sich ein radikaler und umfassender Begriff von Menschenrechten. Diese Entwicklung ist für Antikriegsbewegungen in globalisierten Migrationsgesellschaften von höchster Bedeutung.

Insgesamt zeigt Teidelbaums Analyse eine Tendenz zur Demobilisierung, anstatt durch aktive Beteiligung und Überzeugungsarbeit Einfluss auf die Bewegungen zu nehmen.

Die Diskussion um seine Thesen verdeutlicht bestehende Spannungen innerhalb der Friedensbewegung und die Herausforderungen, vor denen linke Organisationen in der aktuellen politischen Landschaft stehen. Die Notwendigkeit einer differenzierten Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Strömungen innerhalb der Friedensbewegung und der politischen Landschaft bleibt eine zentrale Aufgabe für alle Beteiligten.

Es zeigt sich, dass eine stärkere Präsenz und inhaltliche Auseinandersetzung in den von Teidelbaum kritisierten Friedensmobilisierungen ein Weg sein könnte, um die Vielfalt und die Ziele der Bewegung zu stärken.


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Ein Schlaglicht auf die Arbeit der VVN-VdA Neukölln

Die VVN-VdA hat speziell in Neukölln als Schwerpunkt das Erinnern und Gedenken an Werner Seelenbinder, der mit Neukölln über seine sportliche Laufbahn verbunden ist und deshalb auch sein Grab als Widerstandskämpfer gegen die Faschisten seit Juli 1945 im Sportpark hat, der seit 2004 wieder seinen Namen trägt.

Das Wissen über Werner Seelenbinder wachzuhalten, ist für uns eine vorwärts gerichtete Aufgabe. Es geht uns nicht einfach um Erinnerungsarbeit, gerade in den jetzigen Zeiten kann seine Geschichte Inspiration und Ansporn für den aktuell besonders notwendigen Kampf gegen das Erstarken der Faschisten sein. Es geht um Bewusstseinsbildung.

Dabei freut uns auch unsere Verbindung zum SV Tasmania, mit seinen vielen Kindern und Jugendlichen, der das Stadion im Werner-Seelenbinder-Sportpark bespielt. Er steht mit seinen gefühlt 70% oder mehr Mitgliedern mit Migrations-hintergrund für ein Deutschland als Einwanderungsland. Ein Deutschland, das Werner Seelenbinder auf jeden Fall besser gefallen hätte, als das Deutschland der Propagandisten der deutschen Leitkultur und gar der Remigration.

Wir organisieren als VVN-VdA jedes Jahr zum Todestag von Werner Seelenbinder eine Gedenkkundgebung an seinem Grab. Im August 2023 haben wir in Absprache mit dem Bezirksamt Neukölln die Grabpflege übernommen.

2024, als das Jahr, in dem sich W. Seelenbinders Geburtstag zum 120sten Mal und seine Ermordung zum 80sten Mal jährt, haben wir zum Anlass genommen, ein besonderes Gedenkjahr zu gestalten mit Veranstaltungen und Lesungen, einer Seelenbinder-Ausstellung in  der Neuköllner Helene-Nathan-Bibliothek (Kurator Prof. Dr. Oliver Rump, THW Berlin) und einem bundesweit ausgeschriebenen Turnier der 12 bis 17jährigen Ringerinnen und Ringern, organisiert mit dem Berliner Ringerverband im Werner Seelenbinder-Sportpark. Am 20. Oktober schlossen wir das Gedenkjahr 2024 mit der Kundgebung an seinem Grab ab.

So standen an diesem Sonntag zusammen gegen den Faschismus, etwa 200 Menschen, auf der Gedenkveranstaltung zum 80. Todestag Werner Seelenbinders, Kommunisten unterschiedlicher Schattierungen neben Sozialdemokraten, Grünen oder Parteilosen, Menschen aus Bündnissen, Organisationen, Sportler und Künstler, Junge und Alte. Wir hatten uns überlegt, das Gedenken in diesem Jahr auf mehr Schultern zu verteilen, nicht nur wegen der runden Zahl, sondern vor allem weil die politische Situation es erfordert, dass die Arbeit aller antifaschistisch bewegten Menschen und Gruppen in Neukölln gebündelt wird. Einige waren mit ihren Infotischen, mit Sportmatte, Bastelmaterial, Instrumenten und Stimmen gekommen, um ihre Arbeit zu präsentieren. So auch die U15-Mannschaft des SV Tasmania und Muhammed und Abdulaye mit einer Vorführung ihrer Balltechnik. Andere waren einfach da, um zuzuhören, zu diskutieren oder still ihre Blumen am Grab niederzulegen.1

Foto: VVN-VdA

Erfreulicherweise wurden 2024 Ende September auch endlich die Gedenk- u. Infotafeln für W. Seelenbinder am Eingang des Sportparks in einer ersten, einfachen Umsetzung montiert, die bereits 2017 von der BVV Neukölln beschlossen wurden und für die wir uns gemeinsam mit Prof. Oliver Rump und dem Historiker Matthias Heisig auch in Bezug auf die Gestaltung sehr eingesetzt haben. Wir danken an dieser Stelle auch der bisherigen Stadträtin für Bildung, Kultur und Sport, Frau Korte, für ihren Einsatz für die Verwirklichung der Tafeln. Für die kommende nachhaltige Ausführung der Gedenk- und Infotafeln mit verlinktem weiteren Informationsmöglichkeiten läuft eine Spendensammlung.

[unsere Aktivitäten zum Werner-Seelenbinder-Jahr 2024]

Foto: VVN-VdA

Zweiter, aber umso gewichtiger Schwerpunkt ist für die VVN-VdA in Neukölln die Arbeit zum Neukölln-Komplex, der NeoNazi-Terrorserie, die aktuell 2009 begann, und zu den skandalösen Versäumnissen der sogenannten Sicherheitsbehörden, also Polizei, LKA, Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz, bei deren Nicht-Aufklärung. Wir arbeiten dabei mit Betroffenen der Anschlagsserie und anderen Initiativen bei der Beobachtung und kritischen Begleitung des parlamentarischen Untersuchungsausschuss „Neukölln II“ zusammen. Wir haben auch den Prozess gegen die ursprünglich 5 NeoNazis wegen dem Neukölln-Komplex in beiden Instanzen kritisch beobachtet.

Zu den Ausschuss-Sitzungen werden regelmäßig Kundgebungen vor dem Abgeordnetenhaus organisiert. Mit den Kundgebungen soll der öffentliche Druck, der erst dafür gesorgt hat, dass der Untersuchungsausschuss eingesetzt wurde, aufrechterhalten werden. Es waren die Betroffenen selbst, die die Nicht-Aufklärung der Anschlagsserie durch die Behörden und den mangelnden Schutz im Bezirk zum Thema machten. Die Abgeordneten im PUA „Neukölln II“ sollen mit den Kundgebungen ermuntert werden, weniger gemächlich zu ermitteln und den Ermittlungsbehörden und den Täter*innen energischer auf die Pelle zu rücken, denn ein Untersuchungsausschuss ist kein Selbstläufer.

„Wenn aus dem Studium von Akten und der Befragung von Zeug*innen in einem parlamentarischen Ausschuss etwas herausspringen soll, ist bei den Abgeordneten ein Verständnis von den Wirkungsweisen von gesellschaftlichem und institutionellem Rassismus genauso elementar wie das Wissen über die Kontinuität der Nazistrukturen in Berlin. Dieses Wissen ist nicht selbstverständlich vorhanden und es ist sehr ungleich verteilt, auch bei den „Politprofis“ im Parlament. Deshalb lohnt es sich, das kollektive Wissen über Nazistrukturen und die mangelnde Strafverfolgung durch Behörden immer wieder zu verdeutlichen und die Arbeit der Abgeordneten daran zu messen.“

„Ausgelöst durch den genannten öffentlichen Druck wurden im Zuge von journalistischen Recherchen, aber auch bei neuen Aktivitäten der Behörden, bereits vor der Einsetzung des Ausschusse immer wieder neue Details bekannt. Dadurch konnte zwar immer noch nicht die Tatserie aufgeklärt werden, aber eins wurde deutlich: Die Arbeitsweisen sowohl der Polizei als auch der Staatsanwaltschaft gehören auf den Prüfstand. Die Untersuchung rassistischer, antisemitischer und extrem rechter Strukturen in den Behörden muss Teil der Untersuchungen des Ausschusses sein.“2

Bei der Beobachtung des Ausschuss „Neukölln II“ haben auch wir den Eindruck, dass genau dieses Bewusstsein, dieses Verständnis und dieses Wissen der Mehrheit der Abgeordneten fehlt und dass sie sich nicht die Mühe gemacht haben, sich mit den Aussagen der Betroffenen im Ausschuss und denen von den Expertinnen von MBR, Reachout und Berliner Register, also deren Expertise, tiefer auseinanderzusetzen und sich darüber Hintergrundwissen anzueignen (s. oben Zitat NSU-Watch). Das aber wäre möglich und für eine erfolgversprechende Ausschuss-Arbeit notwendig gewesen, denn diese Expertinnen haben Grundsätzliches zu den NeoNazistrukturen und ihrem Vorgehen gesagt.

Insbesondere wurde mehrfach erläutert, dass es nicht um Einzeltäter geht, sondern dass faschistische Netzwerke in Neukölln und berlinweit ihr Unwesen treiben.

Bei der aktuellen Anschlagsserie kommen weiterhin etliche Skandale innerhalb der Sicherheitsbehörden dazu, z.B. eine rechte Chatgruppe in der Polizei, Treffen eines Polizeibeamten mit einem Tatverdächtigen in einer Kneipe, versäumte (oder heruntergespielte) Warnung von den Sicherheitsbehörden bekannten voraussichtlichen Anschlagsopfern. Prominentes Beispiel hierfür als Anschlagsopfer sind Ferat Kocak und seine Eltern. Die Versäumnisse der Sicherheitsbehörden bei der Aufklärung der NeoNazi-Anschlagsserie bedürfen selbst der Aufklärung. Mensch fragt sich, sind die Strukturen von Polizei, LKA, Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz einfach so miserabel oder/und wirken hier rechte Netzwerke in diesen Behörden? Vermutungen über Letzteres äußerte als Zeuge im Untersuchungsausschuss sogar der frühere Leiter der Ermittlungsgruppe „Rechte Straftaten in Neukölln“ (Resin), Michael E. Er sagte, dass er die Neuköllner Polizeiabschnitte nicht mehr über geplante Observationen informierte, da er den Eindruck hatte, die Informationen würden zu den Nazis durchgestochen, diese verhielten sich während dieser Observationen immer völlig unauffällig.3

Im Fall des Mordes an Burak Bektaş am 5. April 2012 zum Beispiel, wo Angehörige und solidarische Menschen – wie die bereits kurze Zeit nach dem Mord gegründete Initiative – seit Jahren fragen, ob Rassismus das Tatmotiv war und zudem aus rassistischen Motiven nicht ausreichend ermittelt und deshalb auch nach neun Jahren noch kein Täter gefunden wurde, stellt sich die Frage nach einer Art von Interessenidentität, einer Kollusion (lateinisch collusio, „geheimes Einverständnis“) zwischen neonazistischen Gewalttätern und extrem rechten Mitgliedern der Behörden. Im Fall von Burak Bektas stellte sich 2024 heraus, dass der ursprünglich ermittelnde Kommissar 387 Fälle von rechtsextremen Straftaten liegen ließ, nicht bearbeitete. Muß es da eine/n wundern, wenn der Mörder von Burak Bektas nicht ermittelt wurde?4

Wenn jetzt ein ehemals in Neukölln bei der Ermittlungsgruppe Rechtsextremismus als Kontaktbeamter für Betroffene der rechtsextremen Anschlagsserie tätiger Polizist (Stefan Kollmann), der gemeinsam mit zwei polizeibekannten Rechtsextremen einen afghanischen Geflüchteten verprügelt und versucht hat, den Flüchtling in den fließenden Verkehr zu treiben, trotz eines rechtskräftigen Urteils wegen gefährlicher Körperverletzung aus rassistischen Motiven weiter im Dienst bleiben und in Lichtenberg auf Streife gehen darf, wirft das ein bezeichnendes Licht auf die Polizeistrukturen. Bestätigt das das oben Gesagte.

Das Gleiche gilt, wenn wir hören, welche Sorgen sich die Jugendsozialarbeit und Jugendstraßensozialarbeit Neukölln machen wegen der zunehmenden rassistischen Polizeigewalt in Neukölln gegen muslimisch gelesene Kinder und Jugendliche. Racial profiling fällt mensch da gleich als Stichwort ein.

Das alles braucht Aufarbeitung und strukturelle Veränderungen, sowie Veränderung in der Schulung der Mitarbeiter*Innen der Behörden.

Worum geht es beim Neukölln-Komplex? Wir reden hier über schwerste neonazistische Straftaten, Bedrohungen und lebensgefährdende Brandanschläge gegen Menschen, die sich gegen Rassismus und Faschismus engagieren, bis hin zu den genannten zwei Morden an Burak Bektaş und Luke Holland, deren Motivation eindeutig als rassistisch und extrem rechts zu begreifen ist.

Weiter umfasst die aktuelle Terrorserie 23 schwere Brandanschläge, mit Steinen (und Flaschen mit Bitumenfarbe) eingeschmissenen Scheiben von Wohnungen und Geschäften, das Markieren von Treppenfluren und Gebäuden mit Morddrohungen und extrem rechten und verfassungsfeindliche Symbolen, körperlichen Attacken und das Anfertigen von sogenannten Feindeslisten mit über 1.000 Adressen. Betroffene wurden über Jahrzehnte immer wieder angegriffen, bedroht und ausspioniert.

Es geht im Kern um eine militante Kampagne einer vernetzten und bewaffneten Neonaziszene, die sich selbst ermächtigt hat, von ihnen als politische Gegner*innen oder „Volksfeinde“ markierte Menschen anzugreifen, zu terrorisieren und mit dem Tod zu bedrohen. Die Täter*innen handeln aus der Deckung der Anonymität, obwohl ihre Strukturen hinlänglich bekannt sind. Und: Die Ermittlungsbehörden sind seit vielen Jahren nicht in der Lage, gerichtsfeste Beweise für deren Tatbeteiligung zu liefern. Die Frage, ob es an strukturellem Versagen der Behörden oder auch an politischer Deckung der Taten durch einzelne Mitglieder oder rechte Netzwerke liegt, steht im Raum.5

Der faschistische Terror hat in Neukölln, sowie in Berlin insgesamt, hat eine lange Tradition. Und immer wieder wurde dieser Terror durch Justiz und Polizei in Berlin in den vergangenen Jahrzehnten verharmlost.

Konkret zu Neukölln: Die gemeinte Zeitspanne reicht auf jeden Fall bis Mitte der Achtziger Jahre zurück. In der Zeit ab 1980 nannten sich junge Nazis frech »Terrorbande Wutzkyallee« und »Terrorbande Zwickauer Damm«.

Andere rechte, gewaltbereite Gruppen hießen sogar „Berliner Türkenbeseitigungs- Gang“ und „Britzer Befreiungsfront“ Diese Gangs griffen in den südlichen Teilen Neuköllns, vor allem in der Gropiusstadt, immer wieder Linke und Ausländer an. Während es sich dabei eher um Schlägertrupps handelte, traten wenig später organisiertere, aber nicht weniger gefährliche Gruppen auf den Plan, wie die Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP), die 1995 verboten wurde.

Seit knapp 20 Jahren gehören vor allem für die Bevölkerung in Rudow, Buckow und Britz rechtes Gedankengut in Form von Flugblättern, Schmierereien und Aufklebern zum Alltag. Wer sich gegen Rechts engagiert, wird überwacht, schikaniert, angegriffen.

Hierbei ist auch das Netzwerk des Nationalen Widerstand Berlin (NW-Berlin) um Sebastian Schmidtke, gut befreundet mit Sebastian Thom, einem der 2 im Dezember 2024 u.a. wegen 2 Brandanschlägen verurteilten NeoNazis, zu nennen, das zwischen 2005 und 2012 Aufmärsche mit 500, 600 NeoNazis in Rudow veranstaltete.

NW-Berlin stellte ab 2009 Feindeslisten von Personen mit Namen, Fotos und teilweise Adressen auf seiner website ins Netz, weiterhin eine Liste „Linke Läden“ mit Adressen und teilweise Bildern von linken oder alternativen Einrichtungen. Die „Klientel“ von NW-Berlin arbeitete diese Listen regelrecht ab.

Die Strafverfolgungsbehörden ermittelten jedoch ernsthaft erst seit 2011, ganze 2 Jahre nach den Anzeigen, die Betroffene zum Teil mit ausführlichem Bild- und Beweismaterial zu den mutmaßlichen Urheber/innen gestellt hatten. Ab 2012 stellte NW-Berlin seine öffentlichen Aktionen ein, der mediale und polizeiliche Druck war wohl zu groß geworden. Zur Europawahl 2024 war Schmidtke Kandidat für die Partei „Die Heimat“ auf Listenplatz 5. 6

Wie vernetzt die Faschisten insgesamt über die Jahrzehnte sind, wird daran deutlich, dass Oliver Werner, der als politischer Ziehvater von Sebastian Thom gilt und der ebenfalls in den Neukölln-Komplex verwickelt ist, ein enger Freund von Kay Diesner ist, der 1997 den linken Buchhändler Klaus Baltruschat anschoß, so dass ihm ein Unterarm amputiert werden musste. Auf seiner Flucht erschoss Diesner dann einen Polizisten und verletzte einen anderen schwer.

Heute gehört Thom zum 3. Weg, dessen Mitglieder im Juli 2024 am Bahnhof Ostkreuz als organisierter Trupp antifaschistische Menschen zusammenschlugen, die zu einer Anti-AfD-Demo fahren wollten. Auch dies zeigt die Bedrohungslage, um die es geht.

Zu dieser Bedrohungslage gehört ebenfalls, was am 14. Dezember in Friedrichshain zu sehen war und erfreulicherweise von Antifaschist*innen gestoppt werden konnte, der NeoNazi-Aufmarsch, der selbst vom Innensenat als eine „gezielten Provokation junger und durchaus auch gewaltaffiner Personen einer neuen rechtsextremistischen Internet-Jugendkultur“ bezeichnet wurde. Und es ist nicht das erste Mal, dass von einer neuen rechten Jugendbewegung gesprochen wird, mit teils erst 14 Jahre alten, bereits brutalen Schlägern.

Solche Jugendlichen werden von AfD-Leuten aufgehetzt wie dem Europawahl-AfD-Kandidaten Maximillian Krah, der auf TikTok, dem social media-Kanal auf dem die AfD besonders aktiv ist, schon ein Star ist.

Foto © Madlen Haarbach

Doch beim Untersuchungsausschuss „Neukölln II“ steht im Hintergrund auch das Thema NSU-Komplex, bei dem es keinen Untersuchungsausschuss gab. Gemeint ist „die Behörde, die inzwischen maßgeblich die Bearbeitung der militanten Neonazis übernommen hat und auch die Führung von V-Personen: das Berliner Landeskriminalamt (LKA). Hier arbeitete man mit mehreren Spitzeln, die auch über das Umfeld des NSU berichteten, darunter einen, dessen Hinweise durchaus zu einem frühzeitigen Auffliegen des NSU-Kerntrios hätte führen können. Es war damit das einzige LKA bundesweit, das in diesem Bereich des NSU-Komplexes auftaucht.“ 7

Ansonsten gehören keine AFDler in so einen Ausschuss, weil das geistige Brandstifter und Kumpane der NeoNazis sind (Paulenz war im Neuköllner AfD-Vorstand, Sebastian Thom war Neuköllner NPD-Kreisvorsitzenden und Beisitzer im Landesvorstand)

Die Ausschussmitglieder sind auch insofern zu kritisieren, als dass sie meistenteils den Polizeizeugen, z.B. LKA-Leiter Steiof, aber auch Staatsanwalt von Hagen, ihre Schönfärberei, arrogante Selbstgefälligkeit und Verantwortungsabwehr haben durchgehen lassen, die Zeugen zu wenig hinterfragt haben.

Ein Skandal ist ebenfalls, die Aktenverweigerung bzw. verschleppte Lieferung durch die Senatsverwaltung für Inneres und die Justiz, die den Ausschuss in seiner Arbeit behinderte. Der Innensenat ist auch für den Verfassungsschutz zuständig. Selbst die Richterin in der zweiten Instanz des Thom/Paulenz-Prozesses beklagte, dass Erkenntnisse des Verfassungsschutzes zurückgehalten wurden.

Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Berlin verweigerten bei den Prozessen gegen die Hauptverdächtigen Sebastian Thom und Tilo Paulenz die Akten mit der Begründung, es ginge um ein laufendes Verfahren; als ob die Abgeordneten keinen Geheimhaltungspflichten unterlägen. Gerade bei Ferat Kocaks Akte wäre es aber für die Abgeordneten wichtig gewesen, sie zu haben, denn dazu sagte selbst die Berliner Polizeipräsidentin, da stände eine Menge drin, was bei Ferat Kocak falsch gelaufen sei. Jetzt werden nach dem Urteil der 2. Instanz die Akten mit Vertraulichkeitsvermerk freigegeben, aber wie spät.

Erneut wurden einigen Wochen vor dem Urteil im Prozess gegen Thom und Paulenz die Autoreifen eines der Brandanschlagsopfer zerstochen, Hinweise auf einen extrem rechten Hintergrund wurden dabei von der Polizei wieder mal nicht ernstgenommen.

Antworten und Klarheit sind für die Öffentlichkeit auch darüber zu fordern, welche Rolle der Verfassungsschutz (VS) beim Neukölln-Komplex spielte, ob und in welchem Umfang V-Personen in diesen rechtsextremistischen Strukturen agiert haben und ob sie Straftaten begangen haben. Beim Ausschuss sagten VS-Mitarbeiter nur nichtöffentlich oder hinter einer spanischen Wand aus – im Gericht verweigerte der VS Informationen, weil die nicht „prozessrelevant“ seien.

Mensch kann sagen: Der Verfassungsschutz gehört abgeschafft, nähme man z.B. die Ergebnisse der 13 Ausschüsse auf Bundes- und Länderebene zum NSU-Komplex ernst.

Aufklärung, genaue Untersuchung brauchen Zeit und Akten! Wir fordern beides und dass der PUA zum Neukölln-Komplex nach der Wahl 26 erneut eingesetzt wird. Das Polizeiversagen darf nicht unter den parlamentarischen Teppich gekehrt werden.


  1. Siehe: https://vvn-vda.de/, sowie https://vvn-vda.de/30339-2/ und  https://vvn-vda.de/werner-seelenbinder-jahr-2024 ↩︎
  2. aus: https://www.nsu-watch.info/2021/11/der-untersuchungsausschuss-zum-neukoelln-komplex-muss-sich-der-geschichte-rechten-terrors-in-berlin-stellen/ ↩︎
  3. Siehe auch: https://burak.blackblogs.org/ und https://www.nsu-watch.info/?s=neuk%C3%B6lln ↩︎
  4. siehe: https://www.nsu-watch.info/2021/11/der-untersuchungsausschuss-zum-neukoelln-komplex-muss-sich-der-geschichte-rechten-terrors-in-berlin-stellen/ ↩︎
  5. NSU-Watch, 2021 ↩︎
  6. siehe: MBR – Berliner Zustände 2012, S. 68ff ↩︎
  7. NSU Watch, 2021 ↩︎

Termine Reinickendorf

Inhaltsverzeichnis


Führung zum Gedenkort Alter Anstaltsfriedhof der Wittenauer Heilstätten – authentischer Ort der Krankenmorde des NS-Euthanasiemordprogramms T4.

Samstag, 3. Mai, 11.00 Uhr
Führung zum Gedenkort Alter Anstaltsfriedhof der Wittenauer Heilstätten – 

authentischer Ort der Krankenmorde des NS-Euthanasiemordprogramms T4.

Treffpunkt: Eingang ehemalige Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik, Oranienburger Str. 285,13437 Berlin-Wittenau, direkt am U- Bahnausgang Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik

Rundgang über das Gelände, Besuch des ehemaligen Friedhofs und der Ausstellung „totgeschwiegen“ mit Irmela und Ruth Orland vom „Freundeskreis Gedenkort Alter Anstaltsfriedhof.

Zwischen 1933 und 1945 starben in den Wittenauer Heilstätten 4.607 Patienten (laut Sterberegister der Wittenauer Heilstätten), von denen ca. 50 Prozent auf dem Anstaltsfriedhof bestattet wurde. Eine Vielzahl von Patient*innen wurde nach Meseritz-Obrawalde, heute in Polen, deportiert und dort umgebracht. 

Eine gemeinsame Veranstaltung der VVN/VdA-Gruppe Reinickendorf und dem Freundeskreis Gedenkort Alter Anstaltsfriedhof


Vorankündigung 19.06.2025

Vorankündigung: Mut zum Widerstand – Frauen im Kampf gegen den Nationalsozialismus, Podiumsdiskussion mit Sophie Nübling, Niels Schröder und Andreas Wilkens im Willi Brandt Haus am Donnerstag, 19. Juni 2025, 18:00 Uhr bis 19:30 Uhr

Unsere Chronik Stolpersteine/Gedenkorte Unsere Aktivitäten

    Einladung zur Weihnachtsfeier vom VVN-VdA Reinickendorf

    Einladung zur Weihnachtsfeier vom VVN-VdA Reinickendorf

    Liebe Kameradin

    Lieber Kamerad

    Wir möchten mehr Aktive Mitglieder gewinnen, denn der Nationalismus, Rassismus insbesondere Antisemitismus werden in unserer Gesellschaft wieder salonfähig. Hass und Hetze der AFD hat es in die meisten Parlamente geschafft. Als Antifaschisten treffen wir uns grundsätzlich monatlich, jetzt jeden 2. Dienstag zu aktuellen Themen und Aktivitäten. Von unseren 33 Mitgliedern gehören 8 zum festen Stamm.

    Wo? Nähe Schäfersee am Vierwaldstätter Weg 14 (Roten Laden der Reinickendorfer Linken).  Unser ehemaliger Treffpunkt im „Fuchsbau“ in der Thurgauer Straße steht uns leider immer noch nicht wieder zur Verfügung.

    Mit kameradschaftlichen Grüßen

    Klaus Murawski

    Sprecher der Gruppe

    Hilferuf aus dem Archiv der VVN-VdA

    Das Archiv der VVN-VdA umfasst unvollständige Materialien zu den Aktivitäten der VVN-VdA Westberlin von 1953 bis 1990. Darunter befinden sich teils umfangreiche Zusammenstellungen aus bezirklichen Gliederungen, die schon für Publikationen über den antifaschistischen Widerstandskampf in den jeweiligen Bezirken genutzt wurden.

    Weiterhin sind zahlreiche Schriftwechsel der VVN sowie der Rechtsanwälte Kaul, Piskorz und anderer zu Anerkennungs- und Entschädigungsverfahren vorhanden. Diese Unterlagen enthalten teilweise sehr interessante und bewegende Lebensläufe. Das gilt auch für die leider nur bruchstückhaft vorhandenen Aufnahmebögen aus verschiedenen Mitgliederverzeichnissen. Zudem gibt es eine fast vollständige Sammlung vom „Mahnruf“, dem Mitteilungsblatt der VVN, von der Nr. 1 aus dem Jahre 1957 bis zur Nr. 217 aus dem Jahr 1990.

    Anfang 2009 konnte die Software FAUST Entry Archiv angeschafft werden. Über die Erfassung der Dokumente in der FAUST Datenbank ist es möglich, zu bestimmten Aspekten Hinweise aus den unterschiedlichen Sammlungen zusammenzuführen.

    Der Bestand des Archiv umfasst ca 30laufende Meter.

    Wir befinden uns Gedenkstätte Deutscher Widerstand (GDW)

    Unser Team besteht zur Zeit aus 2 ehrenamtlichen Mitarbeiter, die keine ausgebildete Archivare sind.

    Nun steht eine große Digitalisierungsaktion dem Archiv bevor. Zur Vorbereitung dieser Aktion benötigen wir händeringend

    Unterstützung. Und zwar in der Form, dass sie uns bei der Feinerfassung sämtlicher Dokumente, die sich in Kartons und Ordner befinden unterstützen.

    E

    Voraussetzung für die Unterstützung ist:

    PC-Grundkenntnisse

    Interneterfahrung mit Cloud-Zusammenarbeit

    Interesse an Archivarbeit

    Kenntnisse über Faust ist keine Voraussetzung.

    Selbstverständlich stillschweigen über den Inhalt der Dokumente.

    Wann und wie wird die Tätigkeit ausgeübt:

    Individuelle Tätigkeitszeit nach Absprache (Mo.-Fr.). Immer Beisein eines Teamangehörigen.

    Später kann, wenn die Erfahrungen vorhanden sind auch selbständig gearbeitet werden.

    Kontakt:

    Wer Interesse hat meldet sich über folgender E-Mail-Adresse:

    ingo.mueller@vvn-vda-westberlinerarchiv.de

    Hinweis:

    Es ist eine ehrenamtliche Tätigkeit, bei der es keine Vergütung gibt. Selbst wir als Team arbeiten ebenfalls

    ehrenamtlich.

    E

    9. November 2024 in Reinickendorf

    Gestartet hatte zumindest für mich der Tag mit dem Putzen von Stolpersteinen, in meiner Umgebung und vor dem Rathaus Reinickendorf. Um 11:00 Uhr begann vor ca. 80 Teilnehmer*innen die Gedenkveranstaltung des Bezirksamtes Reinickendorfs.

    Begrüßt wurden von der Bezirksbürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner die Vertreter*innen der Parteien der BVV, Botschaftsvertretung aus Tschechien, der Arbeitskreis politischer Bildung, Vergangenheit – Zukunft e.V. der die Reisen der Schüler*innen vom Europäischen Gymnasium Bertha von Suttner nach Lidice betreut und für das Abgeordnetenhaus von Berlin Rolf Wiedenhaupt AFD! „Was die AFD vertritt die AFD von Berlin“ hatte ich mir gedacht.

    Nach der Ansprache von der Bezirksbürgermeisterin hatte die Schülerin Neva Friesch Bertha von Suttner Gymnasium mit folgenden Worten in ihrer Rede die Situation gerettet: „Diese dunkle Zeit liegt nicht einmal 100 Jahre zurück. Umso erschreckender ist es zu sehen, dass die Anzahl antisemitischer Übergriffe jährlich zunimmt und 2023 ein neues Hoch erreichte. Nichtsdestotrotz hat ein wachsender Anteil der deutschen Bevölkerung kein Problem, eine in großen Teilen als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei zu wählen. Eine Partei, deren Mitglieder das dritte Reich als einen „Vogelschiss in der deutschen Geschichte“ und das Holocaust Denkmal in Berlin als ein „Denkmal der Schande“ bezeichnen und nicht davor zurückschrecken in öffentlichen Reden von SA-Parolen Gebrauch zu machen. Zum großen Entsetzen der Mehrheit der deutschen Bevölkerung wird dieses Verhalten von den Wähler*innen nicht geächtet, sondern unterstützt.“

    Wir, als VVN-VdA Mitglieder hatten uns anschließend mit Ruth Orland an den Tafeln zu den Gedenkorten Wittenauer Heilanstalt und Anstaltsfriedhof getroffen.  

    Abschließend waren wir noch um 13:00 Uhr in der Heinsestraße am Max-Beckmann-Platz (nördlicher S-Bahneingang) zum Gedenken an den Mauerfall und zu einem Zeichen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus.

    Mit einem gemeinsamen Mittagessen verabschiedeten wir uns. Es wurden noch einige Stolpersteine geputzt um damit die Vergangenheit wach zu halten, denn wach müssen wir bleiben, gegen Hass und Rasissmus!

    Klaus Murawski

    Hier der Redebeitrag von Neva F.:

    „Sehr geehrte Anwesende,
    Als ich letztes Jahr das erste Mal in meinen Geschichts-LK kam, hat mein
    Lehrer gesagt: „Geschichtswissen ist wie ein Rückspiegel beim Autofahren. Will man sicher
    fahren, sollte man dann und wann einen Blick zurückwerfen.“


    Wir haben uns heute hier versammelt, um gemeinsam einen Blick zurückzuwerfen. Der neunte November ist wohl einer der symbolträchtigsten Tage in der deutschen Geschichte. Er steht für die Geburt einer Republik, den Zusammenbruch
    eines Regimes und aber auch für ein Verbrechen, das vor allem an Millionen von europäischen Juden begangen wurde.


    Heute vor 101 Jahren versuchte Adolf Hitler in München, gewaltsam die Weimarer Republik zu stürzen. Auch wenn dieser Putschversuch scheiterte, gelang es ihm, sich als Held zu inszenieren, welcher für das „Vaterland“ sogar ins Gefängnis gehen würde. Viele Menschen der damaligen Bevölkerung unterstützten Hitler. Sie unterstützen ihn darin, die erste deutsche Demokratie zu stürzen. Sie unterstützen ihn darin, das Deutsche Reich nach Osten hin zu erweitern und Millionen von Polen, Slawen und anderen Menschen auf brutale Weise zu verdrängen. Und sie unterstützten ihn auch darin, mindestens 6 Millionen Juden und Jüdinnen und andere aus ideologischen Gründen verfolgte Menschen zu ermorden.

    Die Reichspogromnacht, die sich in der Nacht vom neunten auf den zehnten November 1938 zutrug, markiert den
    Übergang von Diskriminierung zur brutalen Verfolgung von Juden. Die Pogromnacht, von den Nazis und auch heute noch von einigen als Kristallnacht verharmlost, bedeutete den Tod von mindestens 1.300 Menschen, die Verhaftung von mehr als 30.000 Jüdinnen und die Zerstörung tausender Gotteshäuser. Ziel dieses Anschlags war es nicht nur, Jüdinnen und Juden öffentlich zu schänden und ihnen jegliche Existenzgrundlage zu nehmen, um sie aus dem deutschen Wirtschaftsleben auszuschalten, sondern sich gezielt Hass in der Gesellschaft zu schüren. Die von den Nationalsozialisten organisierte und gelenkte Terrornacht gilt als entscheidender Schritt in der Entwicklung zum Holocaust. Ausgeführt wurde dieser nicht nur von SS-, SA- und NSDAP Mitgliedern, sondern auch von zahlreichen deutschen Zivilisten. Viele der verhafteten Jüdinnen und Juden wurden anschließend in Konzentrationslager verschleppt.

    Nach der Reichspogromnacht verstärkte das NS-Regime seine Vorbereitungen für die systematische Internierung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung und anderer Minderheiten. Ein Konzentrationslager, das in diesem Zuge entstand, war das Frauenlager Ravensbrück bei Berlin, das wir mit der AG Gedenken bereits mehrmals besucht haben. Heute ist von den Lagerstrukturen nicht mehr viel vorhanden, allerdings kann man sich immer noch gut vorstellen, unter welchen
    unmenschlichen Bedingungen die Insassinnen in diesem Lager leben mussten.


    Einige der inhaftierten Frauen stammten aus Tschechien, genauer gesagt aus dem Dorf Lidice, unweit von Prag. Nachdem Reinhard Heydrich 1942 ermordet wurde, taten die Nationalsozialisten alles dafür, seinen Tod zu rächen und die Bevölkerung einzuschüchtern, um sie von weiteren Attentaten abzuhalten. Die Bewohner des Dorfes Lidice fielen dieser willkürlichen Rache auf Grund von angeblichen Beweisen zum Opfer. Bevor die Nationalsozialisten ihren grausamen
    Racheakt begingen, lebten etwa 500 bis 600 Menschen in dem tschechischen Dorf, nur circa 160 von ihnen
    überlebten. Ziel des NS-Regimes war es, das Dorf buchstäblich auszulöschen. Alle Männer, die älter als 15 Jahre waren, wurden vor Ort erschossen, die Frauen wurden in das KZ Ravensbrück deportiert und die meisten Kinder in Transportern vergast. Nur einige wurden zur sogenannten „Umerziehung“ deutschen Familien gegeben.


    Nach dem Krieg wurde das Dorf symbolisch wieder aufgebaut, jedoch nicht an originaler Stelle. Dort, wo sich einst Lidice befand, ist heute nichts weiter als eine Wiese, ein Fluss und ein kleiner See übrig. Ab und zu lassen sich noch Gebäudemauern erkennen, die wie ein Mahnmal an das schreckliche Verbrechen der Nationalsozialisten und den
    willkürlichen Hass dieser erinnern. Die heute so friedlich daliegende Landschaft bildet einen erschütternden Kontrast zu den Verbrechen, die dort begangen wurden.

    Der Arbeitskreis Politische Bildung ermöglicht es der AG Gedenken jedes Jahr, die Gedenkstätte zu besuchen. Ich selbst habe sie bereits zweimal besuchen dürfen. Jedes Mal aufs Neue ist es äußerst schwierig zu verstehen, wie Menschen in der Lage sind, anderen Menschen so hasserfüllt zu begegnen, dass sie nicht vor den schlimmsten Gewaltverbrechen zurückschrecken. Bei unseren Besuchen hatten wir auch die Möglichkeit, mit einem der Überlebenden des Massakers zu sprechen. Doch nicht nur Jiří Pítin teilte seine Geschichte mit uns, sondern
    wir hatten dieses Jahr auch die Ehre, mit den Holocaustüberlebenden Margot Friedländer und Albrecht Weinberg zu sprechen.


    Margot Friedländer wurde im Juni 1944 verhaftet und nach Theresienstadt deportiert, nachdem sie 15 Monate im Untergrund gelebt hatte. Ihre Mutter und ihren Bruder sah sie nach deren Deportation im Jahr 1943 nie wieder. Nachdem Theresienstadt 1945 befreit wurde, wanderte Margot Friedländer in die USA aus, wo sie bis 2010 lebte. Im hohen Alter kehrte sie jedoch nach Berlin zurück, um, wie sie selbst sagt, für all die Unsichtbaren sprechen zu können, die ermordet wurden.


    Auch Albrecht Weinberg kehrte erst im hohen Alter aus den USA wieder nach Deutschland zurück, um junge Menschen über die Verbrechen der Nationalsozialisten aufzuklären und einem in Vergessenheit geratenen dieses Kapitels
    entgegenzuwirken. Albrecht Weinberg selbst erlebte die Anfänge der Ausgrenzung der Juden in den 30er Jahren und wurde später nach Auschwitz und Bergen-Belsen verschleppt.


    Diese dunkle Zeit liegt nicht einmal 100 Jahre zurück. Umso erschreckender ist es zu sehen, dass die Anzahl antisemitischer Übergriffe jährlich zunimmt und 2023 ein neues Hoch erreichte. Nichtsdestotrotz hat ein wachsender Anteil der deutschen Bevölkerung kein Problem, eine in großen Teilen als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei zu wählen. Eine Partei, deren Mitglieder das dritte Reich als einen „Vogelschiss in der deutschen Geschichte“ und das Holocaust Denkmal in Berlin als ein „Denkmal der Schande“ bezeichnen und
    nicht davor zurückschrecken in öffentlichen Reden von SA-Parolen Gebrauch zu machen. Zum großen Entsetzen der Mehrheit der deutschen Bevölkerung wird dieses Verhalten von den Wähler*innen nicht geächtet, sondern unterstützt.


    Und genau deshalb müssen wir ganz klar zum Ausdruck bringen, dass wir die Zeit des Dritten Reiches nicht vergessen und dass diese hasserfüllte Zeit des NS-Regimes unter keinen Umständen in Vergessenheit geraten darf.


    Margot Friedländer hat uns um eins gebeten, eine simple Sache:

    Mensch zu sein. Menschen, die andere Menschen akzeptieren, unabhängig von ihrer Religion oder Herkunft. Wir müssen dafür kämpfen, dass die Zeit des Dritten
    Reichs niemals in Vergessenheit gerät. Wir werden zeigen, dass wir aus der Vergangenheit gelernt haben

    Chronik 2006

    H

    Jahresrückblick 21.12.2016, geschrieben: Karl-Heinz Jospeph1

    „Liebe Kameradinnen und Kameraden, Freunde und Gäste.


    Das Jahr 2006 hat gezeigt, dass unser Verband zu Recht besteht und große Verantwortung
    zu tragen hat. Die Nazis wollen wieder kommen, eigentlich waren sie noch nie weg. Unter
    dem Mantel der Demokratie schreien sie: „Wir sind Nationale-Sozialisten“ und pochen dabei
    auf demokratische Rechtsstaatlichkeit. Und Polizei und Justiz geben Rätsel auf. Verboten
    werden eher gegen Links ausgesprochen.


    In Reinickendorf marschierten die Rechten zum Tegeler Knast, mir wäre lieber, sie wären in
    den Knast gewandert. Als Nächstes war ein Treffen in der von Ihnen so genannten
    Reichshauptstadt geplant und auch durchgeführt. Sie trafen sich im Märkischen Viertel.
    Dem Aufruf aller politischen Parteien gegen Rechts, SPD, CDU, Die Grünen, Linke.PdS und
    Gewerkschaften sind meiner Auffassung nach zu wenige Bürger gefolgt. Ist das ein
    Ausdruck für „Politikmüdigkeit“?


    Am 19. November wurde die VVN-BdA Reinickendorf zur Bildung eines „Runden Tisches“
    eingeladen. Vertreter der Grünen. der Falken, der Linken, der Jusos, der WASG und von
    Verdi, waren anwesend. Es ging darum, eine Gemeinschaft gegen Rechts zu bilden. Wir die
    VVN-BdA Reinickendorf haben zugesagt, im Rahmen unserer Möglichkeiten mit zu
    Arbeiten. Ich bitte Euch zu überlegen, wie wir unsere Mitarbeit am „Runden Tisch“
    konstruktiv und lebendig gestalten können.


    Was haben wir im Jahr 2006 noch gemeinsam erlebt?

    • Im Januar haben wir uns mit dem Thema „DDR – Palästina“ befasst. Der Referent war KlausPolkehn aus Wuppertal.
    • Im Februar war Professor Franke bei uns und las aus seinem Buch „Chirurg in Pankow“ vor.
    • Im April besuchte uns der Publizist Viktor Grosmann und
      schilderte uns seine Flucht aus der amerikanischen Armee in die DDR
    • Im Mai waren wir zum Tag der Befreiung auf dem Russischen Friedhof und legten Blumen nieder. Wir waren auch in Stolpe und gedachten der mutigen jungen Leute im Kriegsjahr1918, die sich zu einer Antikriegskundgebung versammelt hatten
    • Im Juni starteten wir wieder zu einer Fahrt ins Blaue, zum Grillen in die Georg-Kowalski-Heide.
    • Mit Lichtenberger Kameradinnen und Kameraden besuchten wir im Grunewald die Villa der berüchtigten Wannseekonferenz.
    • Im letzten Monat, November las unser Kamerad und Jugendfreund Peter Neuhof aus seinem Buch „Als die Braunen kamen“.

    Erwähnen möchte ich noch die von uns in diesen Räumen gestaltete Ausstellung zur
    Geschichte der VVN. Ich möchte auch auf die tolle Ausstellung unserer Kameradin Hofmann hineisen.

    Auch die hilfreiche Unterstützung und Gestaltung unserer Zusammenkünfte will ich hervorheben. Ich danke Allen; die dazu beigetragen haben.


    Der Linken möchte ich für die Gastfreundschaft danken, besonders unserem Lutz und dem Klaus.


    Was können wir uns für das Jahr 2007 vornehmen?


    Das Wichtigste ist wohl unsere Mitarbeit am „Runden Tisch“.

    Darüber hinaus werden wir zum Deutschen Rundfunkarchiv nach Potsdam-Babelsberg fahren.

    Im Mai wird wieder ein Termin den jagen. Im Juni oder Juli könnten wir wieder ins Blaue fahren.

    Weiter Themen werden sich aus aktuellen Anlässen ergeben.


    Bevor ich schließe, möchte ich an unsere langjährige Mitstreiterin Charlotte Buchmann
    erinnern, die sich zurückgezogen hat und nun in einem Altersheim lebt. Vielleicht kann sie
    die eine oder der andere mal besuchen?


    Wir denken auch an unseren Kameraden Fritz, der heute von seiner Frau Abschied nehmen
    musste.


    Und nun möchte ich unserer Schatzmeisterin Irmgard Rebelski das Wort geben.“

    Ende Rückblick 2006 Quelle:


    Tagesordnung: Hier ein Beispiel, wie eine Tagesordnung am 16.03.2006 gestaltet wurde:

    1. VVN-BdA Reinickendorf []

    Chronik 2005

    Liebe Kameradinnen+Kameraden Liebe Gäste!


    Heute wollen wir unsere eigenen Referenten sein. Einen kurzen Rückblick 2005 und Vorschau auf 2006
    wollen wir Revue passieren lassen.


    Wir haben gute Vorträge gehört, Prof. Mühlberg, Prof. Budach, Dr. Keilert, Dr.Coppie, Dr. Fritz
    Kuske, Heinz Britsche, Klaus Woiner, Dr.Fremberg, Kurt Helker,Jonni Granzo,Dr.Pietrzinki haben
    dazu beigetragen interessante Donnerstage zu gestalten.


    Eine Wanderung zum Stolperstein in Stolpe und eine Ehrung am 8.5.2005 auf dem russischem Friedhof
    führten wir durch.

    Im August fand eine Fahrt an den Werbellinsee , mit Dampferfahrt,
    statt. Anschließend Hammeltreiben in Schifferhofe.(Dank Schorch Kowalski)
    Ein Vorhaben, Soldatenfriedhof Halbe oder Sachsenhausen zu besuchen, fanden leider nicht statt
    Wir Rentner haben mitunter auch Zeitschwierigkeiten


    Die Korrespondenz über die Aufstellung eines Ehrenmals oder Anbringung von Schildern
    zur Erinnerung an die Ermordeten der Hitlerjauche, mit der Bezirksbürgermeisterin Wanjura sind leider
    abgebrochen. Die Bundestagswahl kam dazwischen.


    Ein Brief an den Rektor der Humboldtschule, mit der Bitte um ein Gespräch über Hans und Hilde
    Coppie, ist auch vom Schulleiter nicht erwidert worden.


    Wie ihr seht liebe Freunde es sind noch einige Wünsche offen geblieben, aber ich denke 2006 machen
    wir weiter.


    Ich möchte euch jetzt noch einige Vorschläge machen :Voraussichtlich im März eine Fahrt zur
    Wannseevilla im Mai wieder Stolperstein und russischer Friedhof.


    Ich bitte euch um eigene Vorschläge


    Ich komme jetzt zum Schluß, denn Dr.Fritz Kuske wird uns von der Vereinigung der VVN-BdA
    einen kleinen Bericht erstatten und Schorch Kowalski ein Kassensturz vollziehen.


    Ich wünsche Euch allen einen schönen Nachmittag und bleibt gesund oder werdet wieder Gesund.

    Datum unbekannt ( ca Ende 2005) Geschrieben Vera Seidel,

    Kalender 2025

    Im Jahr 2025 erscheint der Kalender „Wegbereiterinnen“ in der 23. Ausgabe.


    Seit er 2003 zum ersten Mal erschienen ist, haben wir 276 Frauenbiografien angesammelt. Mehr als 100 HistorikerInnen, PolitikwissenschaftlerInnen, NaturwissenschaftlerInnen, HandwerkerInnen, LehrerInnen und viele andere haben in den Kalendern geschrieben.

    Auch 2025 werden wieder zwölf berühmte, bekannte oder zu Unrecht vergessene Frauen aus der emanzipatorischen internationalen Frauenbewegung vorgestellt.
    Der Wandkalender ist, wie wir immer wieder hören und lesen, ein wunderbares Geburtstags-, Weihnachts- oder Jahresabschlussgeschenk. Viele bestellen inzwischen ganze Pakete und entziehen sich dem Geschenkerummel dadurch. In Werkstätten, Büros, Wohnzimmern, Küchen, Wohngemeinschaften, Verwaltungen, selbstverwalteten und sozialen Projekten und anderswo hat er seit Jahren einen Ehrenplatz. ProfessorInnen, LehrerInnen, ErzieherInnen, KünstlerInnen und Menschen aus verschiedenen sozialen Bewegungen arbeiten mit den Biografien.

    Der Kalender vermittelt „Geschichte für alle“ und gibt Anregungen an verschiedenen Themen weiterzuarbeiten. Das ist in diesen Zeiten der kriegerischen Auseinandersetzungen und der kälter werdenden Welt notwendiger denn je. Denn vieles, was den Wegbereiterinnen widerfahren ist, sollte nie wieder geschehen. Sie haben dafür ein Leben lang gekämpft und nicht aufgegeben.

    Wir wollen sie aus der Vergessenheit holen und aus ihren Geschichten lernen.
    Der Kalender 2025 im DIN A3-Format mit 12 Wegbereiterinnen der emanzipatorischen Frauenbewegung gibt unter anderem Auskunft über Klara Schabbel, eine Widerstandskämpferin der Roten Kapelle, über die zu Unrecht vergessene Tony Breitscheid, die früh für die Rechte der Arbeiterinnen und das allgemeine Wahlrecht für alle gekämpft hat, über die Inderin Tarabai Shinde, eine der ersten indischen Feministinnen, und über neun andere
    bekannte und leider weitgehend vergessene Frauen aus der ganzen Welt.

    Gisela Notz,

    Mit halber Kraft voraus – Bericht von der MV der VVN/VdA am 26.04. und 27.09.1997

    Die Mitgliedervollversammlung, die wiederum im Zeichen des50. Jahrestages der VVN-Gründung stand, wurde durch einen informativen und zum Nachdenken anregenden Vortrag des IVVdN-Vorsitzenden Fred Dellheim zur Geschichte der VVN in der SBZ und DDR eröffnet.

    Foto: Archiv der VVN-VdA


    Mit der Mitgliedervollversammlung am 27.09.1997 wurde die Mitgliedervollversammlung vom 26.04.1997 fortgesetzt. In dieser wurde beschlossen, den von Stefan Krause und anderen Mitgliedern eingebrachten Initiativantrag zur Kündigung der Büroräume in der Boddinstraße und der Anmietung neuer kleinerer und kostengünstiger Räume ausführlich zu beraten.“