bei unserem letzten Treffen hatte Michael Rohr uns einen guten Zeitbericht über die Jahre 1932 bis 1933 zur Machtübertragung an Adolf Hitler und damit 12 Jahre Schreckensherrschaft in Deutschland vorgetragen. Demnächst wird Ingo diesen Bericht auf unserer Homepage als Audiogespräch (PostCast) ablegen.
Das Thema und die Vorstellung dass der Nationalismus durch die Rechtspopulisten, gegen die vermeidlichen Gefahren des Globalismus, sich in der Deutschen Geschichte wiederholen könnte erregt uns alle. Ist es möglich die deutsche Verfassung auszuhebeln? Ist eine Regierung unter den Blauen wie in Österreich auch in Deutschland möglich und was droht dort?
Deshalb möchten wir die Diskussion darüber bei unserem nächsten Treffen am 11. Februar fortführen.
Text: Klaus Murawski
https://vvn-vda.de/wp-content/uploads/2025/01/image.png351234Ingomuehttps://vvn-vda.de/wp-content/uploads/2023/12/0487x0631_1_Bunt_VVN-VdA-232x300.gifIngomue2025-02-06 12:09:542025-02-06 12:32:01Machtergreifung oder Machtübertragung
Regelmäßig wird am ersten Februarwochenende der Ermordung der Antifaschisten und Kommunisten John Schehr, Erich Steinfurth, Eugen Schönhaar und Rudolf Schwarz durch die Hitlerfaschisten gedacht. Das Gedenken findet am Schäferberg in Berlin-Wannsee statt, wo sich eine Gedenkstele befindet. Durchgeführt wird das Gedenken von der Berliner VVN-VdA und der Potsdamer VVN-BdA.
Februar 2025, 11 Uhr; Kilometerberg/Schäferberg; Berlin-Wannsee
Das Gedicht von Erich Weinert „John Schehr und Genossen“ wurde von unserem Kameraden Rüdiger Deissler vorgetragen, einen Redebeitrag hielt Dr. Almuth Püschel (Historikerin).
Zuvor verlas Jürgen Schulte in Erinnerung an unseren jüngst verstorbenen Kameraden Frieder Böhne eine Rede von ihm, gehalten 2015 am Schäferberg::
Erinnerung an einen Kameraden, der nicht mehr dabei sein wird.
Liebe Kameradinnen und Kameraden,
das heutige Gedenken darf nicht stattfinden, ohne dass wir eines Kameraden gedenken, der seit Bestehen dieses Gedenksteins – und vielleicht auch noch früher – bei jedem Wetter anlässlich des Jahrestages der faschistischen Mordtat mit den Kameradinnen und Kameraden der VVN an das Verbrechen der deutschen Faschisten und, stellvertretend für die Millionen Verfolgten und Ermordeten, an die vier Widerstandskämpfer erinnert hat. Ich spreche von unserem Kameraden Frieder Böhne.
Gemeinsam mit Edith Pfeiffer hat Frieder jahrelang die Ehrung am Schäferberg organisiert und mitgestaltet. Dazu gehörte auch immer der Vortrag des Weinert-Gedichts und einige erläuternden Worte. Heute ist das 3. Jahr, an dem er nicht teilnimmt. Während wir alle in den beiden letzten Jahren hofften, dass er seine Krankheit besiegen und wieder zurückkehren könnte, zwischendurch sah es auch immer mal wieder so aus, wissen wir seit Donnerstag, dass die Zeit, in der das Wünschen noch half, für Frieder nicht gegolten hat. Am Donnerstagmorgen hat er den Kampf gegen die heimtückische Krankheit verloren und wenn diejenigen, die ihm bis in seine letzten Tage nahe sein durften, auch gesehen haben, wie er bis zum Schluss gekämpft und gelitten hat, so hätten wir doch alle für ihn ein anderes Lebensende gewünscht.
Wir wollen heute an ihn erinnern, an einen Kameraden, der neben der Ehrung am Schäferberg in vielen Bereichen der VVN aktiv war und jahrelang Vorstandsfunktionen innegehabt hat. Ich hoffe, ihr seid damit einverstanden, wenn wir ihn selber zu Wort kommen lassen mit seinem Beitrag, den er 2014 hier gehalten hat.
Liebe Freundinnen, Freunde, liebe Kameradinnen und Kameraden,
wir freuen uns, dass ihr auch bei diesem trüben und unfreundlichen Wetter den Weg hier an die Stadtgrenze gefunden habt, um an die heute vor genau 80 Jahre ermordeten vier Antifaschisten zu erinnern.
Es ist schon vieles über ihr Schicksal erzählt und geschrieben worden und ich möchte euch deshalb nicht mit Wiederholungen langweilen, sondern erlaube mir nur einige wenige erläuternde Anmerkungen.
Zunächst zum Gedicht Erich Weinerts. Eine Besonderheit dieses Gedichtes ist, dass es sich hier im Wesentlichen um einen Tatsachenbericht handelt. So, wie beschrieben, hat es sich auch abgespielt, Erich Weinert musste Informanten gehabt haben, die ihm davon berichtet haben. Heute zugängliche Dokumente belegen, dass es sich in etwa so, wie geschildert, zugetragen hat. Etliche Zeugen beobachteten, wie die vier im Gestapogefängnis Columbiahaus am späten Abend des 1. Februars 1934 streng bewacht auf einen Lastwagen verfrachtet wurden. Genau an dieser Stelle, der Weg war damals noch etwas steiler, hielt der langsam fahrende Lastwagen auf menschenleerer Straße: „Runter vom Wagen und rein in den Wald!“ wurde von den Zeugen gehört.
Am nächsten Morgen sahen Arbeiter auf den Weg zur Arbeit aus dem Bus die Leichen an der Mordstelle, bewacht von Polizisten. Im KZ Columbiahaus wurde über Lautsprecher verkündet, dass gestern vier Kommunisten auf der Flucht erschossen worden sind.
Das war mehr als zynisch. Wusste doch jeder im Lager, wie stark die vier misshandelt worden waren. „Keine 10 Schritte hätte John Schehr zu diesem Zeitpunkt mehr alleine machen können“, erinnerte sich ein Augenzeuge des Abtransports. John Schehr hatte bei allen Vernehmungen stets nur das eine erklärt, dass er über seine Tätigkeit für die kommunistische Partei und über seine Genossen keine Aussagen machen werde. Trotz unmenschlicher Misshandlungen hat er das auch durchgehalten.
Eine kleine Schwäche von Erich Weinerts Gedicht sind die Worte „… und Genossen“. Das klingt für mich ein bisschen wie „& CO“ und wird dem Leben von Eugen Schönhaar, von Erich Steinfurth und von Rudolf Schwarz nicht gerecht. Auch sie waren überzeugte Kommunisten, hatten seit ihrer Jugend für die gemeinsame Sache gestritten.
Eugen Schönhaar, Jahrgang 1898, kam aus Esslingen und war Teilnehmer an der Novemberrevolution in Württemberg. In den zwanziger Jahren war er in verschiedenen Positionen in der Leitung der Kommunistischen Jugendinternationalen und der Internationalen Arbeiterhilfe tätig. Nach der Machtübertragung war er im Auftrag des ZKs für die illegalen Schriften und Druckereien zuständig. Am 1. November 1933 wurde er verhaftet und ins Columbiahaus gesperrt.
Rudolf, Rudi Schwarz, der jüngste der vier wurde keine 30 Jahre alt. Er trat 1921 in Friedrichshain in den Jugendverband KJVD ein, wurde Mitarbeiter des ZK des KJVD, arbeitete dann unter anderen in der Bundesführung des Roten Frontkämpferbundes, saß 1930 wegen seines Zeitungsartikels „Wie kämpft man gegen den Krieg“ neun Monate im Gefängnis. Auch er war bis zu seiner Verhaftung führend in der illegalen Partei tätig und kam nach seiner Verhaftung ins Columbiahaus. Seine Verhaftung geht erwiesenermaßen auf den Verrat des zur anderen Seite gewechselten Alfred Kattner zurück.
Erich Steinfurth, Jahrgang 1896 aus Mittenwalde, war Reichsbahner, Schlosser und Betriebsrat im RAW Grunewald, für seinen Kampf gegen den Hitlerputsch 1924 mit zwei Jahren Zuchthaus bestraft, später Leiter der Berliner Roten Hilfe und Mitglied des Preußischen Landtages. Er wurde schon im März 1933 verhaftet und in das KZ Sonnenburg gebracht. Dort war er ein führender Kopf der Häftlingswiderstands. Als dort seine Ausbruchspläne der Polizei bekannt wurden, verlegte man ihn in das von der SS besser kontrollierte Columbiahaus.
Der Schluss des Gedichts „Kommt mit, Exzellenz, die Abrechnung für John Schehr und Genossen.“ erfüllte sich leider auch nicht. Keiner der Schuldigen wurde verurteilt. Der Fahrer des Lastwagens, der SS-Mann und Fuhrunternehmer Helmut Elsholz, auch nach dem Krieg noch überzeugter Nazi, wurde von der VVN zwar angezeigt, das Verfahren wurde aber im Westberlin des kalten Krieges niedergeschlagen, es kam nicht zur Anklage. (Bei dem Satz „Keiner der Schuldigen wurde verurteilt.“ hat sich Frieder damals geirrt. Der für den Mord an Schehr verantwortliche SS- und Gestapo-Mann Bruno Sattler, der auch an der Deportation von Jüdinnen und Juden aus Belgrad beteiligt war, wurde 1952 in der DDR zu lebenslanger Haft verurteilt und starb im Gefängnis. – J.S.)
Die Mörder waren sich damals sehr sicher gewesen. Dass sich 80 Jahre nach diesem Mord noch Menschen an ihre Opfer erinnern, dass haben die Mörder damals bestimmt nicht für möglich gehalten.
Friedrich Petter und Kurt Zucker, Freunde und Genossen von Rudolf Schwarz haben die Vier im Februar 1934 unter Lebensgefahr mit einem Gebinde in Friedrichshain geehrt, Andere überklebten die Straßenschilder der Friedländer Straße, wo Erich Steinfurth zuletzt gewohnt hatte, mit „Erich-Steinfurth-Straße“. Das waren die ersten Ehrungen, in deren Tradition wir bis heute stehen. Seit 1989 gibt es diesen Gedenkstein, an dem wir uns jetzt jährlich versammeln, egal wie schlecht das Wetter ist. Und diese Tradition werden wir auch fortsetzen.
Wir machen dies nicht zum Selbstzweck. Angesichts des Erstarkens der im vorigen Jahr gegründeten AFD und ihrer Bemühungen, den deutschen Faschismus wieder hoffähig zu machen, stellen wir uns allen Bemühungen nach einer Wende um 180 Grad in der Geschichtspolitik strikt entgegen.
Frieder hat sich immer wieder mit dem Mord am Schäferberg und seine Zusammenhänge sowie mit der Geschichte des hiesigen Gedenksteins beschäftigt.
Er würde sich sicherlich freuen, wenn wir die Ergebnisse seiner Recherchen im Rahmen einer kleinen Veranstaltung oder eines Artikels zusammen- und vorstellen könnten. Das wäre nicht nur ein Blick in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft mit der Frage, wie wir die Erinnerung an den vierfachen Mord und das Gedenken an die Ermordeten gestalten können. Und an der Gestaltung dieser Tradition, zu deren Fortführung er uns immer wieder angehalten hat, hätte Frieder auch seinen Anteil. Das wäre mit Sicherheit ein Gedenken und eine Ehrung, wie er sie sich gewünscht hat.
Ich danke euch für eure Zeit und ende mit der von Frieder an vielen Stellen ausgesprochenen und gerade in der heutigen Zeit hochaktuellen Aufforderung: Den Faschisten und ihren Hintermännern keinen Zentimeter Boden!
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https://vvn-vda.de/wp-content/uploads/2025/02/IMG_20250201_114641-scaled.jpg25602560jnkhttps://vvn-vda.de/wp-content/uploads/2023/12/0487x0631_1_Bunt_VVN-VdA-232x300.gifjnk2025-02-05 20:49:592025-02-07 22:05:23Gedenken an John Schehr und Genossen
Hier ein kleiner Rückblick auf die Veranstaltung vom 24.01.2025.
Zur Resolution des Bundestages vom 7.11.2024 “Nie wieder ist jetzt — Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken”
Im Mittelpunkt des Beschlusses des Bundestags steht vorgeblich die Bekämpfung des Antisemitismus. Doch nicht um ihn geht es in dieser Resolution, sondern um die Kritik an der aktuellen Politik Israels, was als “israelbezogener” Antisemitismus definiert wird. Der Widerstand gegen die schweren Verletzungen des Völkerrechts in Gaza und im Westjordanland und die Solidarität mit dem palästinensischen Volk soll zum Schweigen gebracht werden. Hierzu werden die Einrichtungen des Bundes, der Länder und Kommunen aufgefordert, Leitfäden zu entwickeln, um den pro-israelischen Konsens durchzusetzen und ihre Förderung von Projekten, Organisationen, Kulturschaffenden und Hochschulen danach auszurichten. Darin sehen wir eine Einschränkung der Grundrechte: der Meinungsfreiheit, der Freiheit von Forschung und Lehre, der Freiheit von Kunst und Kultur.
Die Resolution beklagt “Antisemitismus, der auf Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens basiert” und stellt damit diese zugewanderten Menschen unter Generalverdacht.
Auf der Grundlage dieses “israelbezogenen” Antisemitismusbegriffs fordert der Bundestagsbeschluss, “Gesetzeslücken zu schließen und repressive Möglichkeiten konsequent auszuschöpfen… Dies gilt in besonderem Maße im Strafrecht sowie im Aufenthalts-, Asyl- und Staatsangehörigkeitsrecht, um eine möglichst wirksame Bekämpfung von Antisemitismus zu gewährleisten”.
Einen solchen Missbrauch des Begriffs Antisemitismus wollen wir als Antifaschist*innen nicht hinnehmen.
0:00:00 Musik Start 0:00:24 Christine Moderation Start 0:01:14 die Resolution hat zwar kein Gesetzescharakter soll aber mit ihrer Intention die Grundrechte all der Menschen einschränken die nicht schweigen wollen zu den Verletzungen der Menschenrechte in Gaza und im Westjordanland 0:01:47 in der nächsten Wochen wird es auch so eine Resolution für den Bereich Bildung und die Hochschulen geben 0:02:21 unsere heutige Veranstaltung wird vermutlich als links antiimperialistischer Antisemitismus eingestuft werden 0:03:07 die Resolution benennt nämlich explizit Antisemitismus der auf Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens passiert dies bedeutet dass zugewanderte Menschen die selbst Verfolgung und Flucht erlebt haben 0:04:27 in eigener Sache wir wollen mit dieser Veranstaltung auch ein eine Diskussion in der VVN zum Krieg in Israel Gaza anstoßen um zu einer gemeinsamen Positionierung zu kommen 0:07:07 Wieland Hoban Start 0:07:31 diese Resolution ist ein sehr übler Text und ich finde er demonstriert ganz gut wie die Grundlagen des Diskurses in Deutschland eigentlich völlig verkommen sind und das zeigt sich wirklich sehr deutlich auf der sprachlichen und argumentationsebene 0:08:52 Beispiele einiger Fälle aus der letzten Zeit 0:11:21 Zwischenfall Berlinale 2024 bei dem Film „no other Land“ 0:13:13 auf den Resolutionstext das ist ja kein Wort der Erklärung gibt 0:22:07 2019 als eine ähnliche Resolution veröffentlicht wurde die sich gegen die BDS Regierung gegen die Boykott Bewegung gerichtet hat auch sie war kein Gesetz aber was macht etwas zu einem Gesetz 0:30:25 Ahmed Abed Start 0:31:58 da muss ich dich auch leider korrigieren nach dem Stand Oktober über 120 000 Tote 0:34:54 Kern Resolution von 2019 0:35:06 ist IHRA-Definition 0:36:19 Finanzsperre gegen BDS unrechtmäßig 0:37:09 Entscheidung EuGH (Fall aus Frankreich) 0:37:14 Entscheidung EGMR 0:39:02 Vertreter BT3P, Klage gegen BDS-Res. Klage gewonnen 0:49:09 Entlastungs-Antisemitismus 0:52:58 wir haben jetzt in den letzten 15 Monaten gesehen wie sich Deutschland immer mehr von der internationalen Ordnung verabschiedet 0:53:42 Merz will Haftbefehl gegen Nethanjahu nicht vollstrecken 0:54:54 Völkerrecht hochhalten durch BRD ist vorbei 0:55:40 Musik 0:56:14 Ende
Einen kleinen Mitschnitt aus der Diskussion.
In der Diskussion erwähnt:
Wissenschaftlicher Dienst des Bundestags, Ausarbeitung WD 3-3000-288/20 vom 21.12.2020 zum BDS-Beschluss des Deutschen Bundestages * Pdf
Fn.1: Deutscher Bundestag, BDS-Beschluss (Drucksache 19/10191) * Pdf
Fn.15,16,24: BVerfG, Beschluss vom 04.11.2009, 1 BvR 2150/08 * Html * Pdf
Fn.18,21,25,26,27,28: VGH München, Urteil vom 17.11.2020, 4 B 19.1358 * Html * Pdf
https://vvn-vda.de/wp-content/uploads/2025/01/IMG_8488-scaled-e1738173855794.jpg303480jnkhttps://vvn-vda.de/wp-content/uploads/2023/12/0487x0631_1_Bunt_VVN-VdA-232x300.gifjnk2025-01-30 14:20:052025-02-08 20:12:29Einschränkung der Grundrechte soll jüdisches Leben schützen?
Sonntag, 26. Januar, 15:00 Gemeindesaal der Johanneskirche Frohnau, Zeltinger Platz, Berlin Frohnau
„Das besondere Gespräch: Überleben in Frohnau 1933-1945“
Wir laden sehr herzlich ein: Am Sonntag, 26. Januar um 15 Uhr findet im Rahmen der Studientage der Evangelischen Kirchengemeinde Frohnau „Das besondere Gespräch:
Überleben in Frohnau 1933-1945″ mit dem Zeitzeugen Peter Neuhof (99) und der Historikerin Trille Schünke-Bettinger (36) statt.
Peter Neuhof wurde 1925 in Frohnau geboren und hat sein ganzes Leben hier gewohnt. Als Sohn kommunistisch-jüdischer Widerstandskämpfer überstand er mit viel Glück die dunkle Zeit des Nationalsozialismus, während sein Vater im Konzentrationslager Sachsenhausen ermordet und seine Mutter inhaftiert wurde. Als Journalist und West-Berlin-Korrespondent des DDR-Rundfunks war er im Kalten Krieg ein außergewöhnlicher
Grenzgänger. Auf der Grundlage seiner Tagebücher und der seines Vaters entstanden mehrere Veröffentlichungen.
Trille Schünke-Bettinger entstammt ebenfalls einer Familie von WeddingerjReinickendorfer Widerständigen und widmet sich als Politikwissenschaftlerin und Zeithistorikerin besonders
dem Widerstand von Frauen im Nationalsozialismus.
Die Diskussion wird moderiert von Dorothee Bernhardt, 2. Vorsitzende des Bürgervereins.
https://vvn-vda.de/wp-content/uploads/2023/12/0487x0631_1_Bunt_VVN-VdA-232x300.gif00Ingomuehttps://vvn-vda.de/wp-content/uploads/2023/12/0487x0631_1_Bunt_VVN-VdA-232x300.gifIngomue2025-01-24 12:10:442025-02-06 12:31:01„Das besondere Gespräch: Überleben in Frohnau 1933-1945“
Gerhard Hanloser, Lehrer und Autor, schreibt u.a. für Junge Welt, Neues Deutschland, FREITAG und Telepolis. Seine Bücher (u.a. „Die andere Querfront“, „Linker Antisemitismus?“) erscheinen meist im Unrast-Verlag, aber auch beim österreichischen Mandelbaum-Verlag, Wien.
In diesem Beitrag setzt er sich mit dem „Schnellschuss“ von Lucas Teidelbaum auseinander, der im Auftrag der Bundesvorstände von VVN-BdA, Attac und DFG-VK versucht hat, ihm un- oder mißverständliche Aussagen aus der aktuellen Friedensbewegung sich selbst und anderen nach rechts hin zu erklären. Er kann hier heruntergeladen werden.
Die VVV-VdA unterstützt Gerhard Hanlosers Ausführungen. Sie wurden zuerst bei Telepolis veröffentlicht (Teil 1 am 23.10.2024, Teil 2 am 24.10.2024).
Schild mit Peace-Zeichen. Bild: Ink Drop/ Shutterstock.com
Friedensbewegung im Kreuzfeuer: Zwischen Mobilisierung und Demobilisierung
Die Friedensbewegung steht unter Druck. Kritiker warnen vor rechter Unterwanderung. Doch könnte der Versuch, sich abzugrenzen, die Bewegung spalten? (Teil 1)
Eine Untersuchung des Publizisten Lucius Teidelbaums zur aktuellen Friedensbewegung hat in jüngster Zeit erhebliche Aufmerksamkeit erlangt, da seine Darstellungen und Vorschläge von drei bedeutenden linken Organisationen übernommen wurden.
Diese Organisationen sind die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), das globalisierungskritische Netzwerk Attac sowie die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK). Sie nutzen Teidelbaums Analyse als Grundlage für die strategische Ausrichtung ihrer politischen Arbeit.
Kritische Betrachtung von Teidelbaums Analyse
Teidelbaums Analyse basiert auf einer relativ schmalen empirischen Grundlage. Eine nähere Betrachtung der Fußnoten in seinem Text offenbart, dass seine Quellen willkürlich ausgewählt wurden und oft wenig belastbar erscheinen.
Besonders auffällig ist, dass zur Definition der Friedensbewegung selbst keine fundierten Quellen zitiert werden. Dabei existieren bereits umfassende Darstellungen und wissenschaftliche Arbeiten zur Friedensbewegung, die Teidelbaum offenbar nicht berücksichtigt hat. Beispielsweise bieten die Beiträge zur Historischen Friedensforschung tiefere Einblicke. Bei Teidelbaum sucht man sie vergebens.
Politische Einflussnahme auf die Friedensbewegung
Bereits der Titel von Teidelbaums Werk kann den Eindruck einer gewissen Oberflächlichkeit entstehen lassen. Die Friedensbewegung, als eine der breitesten und politisch diversesten Neuen Sozialen Bewegungen, war schon immer Ziel politischer Einflussnahme von verschiedenen Seiten.
Würde man den Titel geringfügig ändern, könnte man „Versuche linksextremer Einflussnahme auf die Friedensbewegung“ formulieren und damit den Ton des bundesrepublikanischen Verfassungsschutzes treffen.
Die AfD und die Friedensbewegung
Teidelbaum kategorisiert die Friedensbewegung in vier Gruppen, wobei er die erste Gruppe als „extreme Rechte“, darunter die Alternative für Deutschland (AfD), ausmacht. Diese Einordnung ist auf mehreren Ebenen problematisch.
Während die Überschrift suggeriert, rechte Akteure nähmen Einfluss auf die Friedensbewegung, stellt sich in Teidelbaums Analyse die Friedensbewegung in Teilen selbst als rechts, ja sogar als extrem rechts dar.
Die AfD hat sich bisher jedoch nicht signifikant in Friedensmobilisierungen hervorgetan. Ihre Fahnen tauchen bei zentralen Friedensaktivitäten, wie den Ostermärschen, nicht auf. Als Partei mit militaristischer Ausrichtung ist ihr die Friedensbewegung inhaltlich wie habituell fremd.
Einzelne Wähler der AfD mögen bei Kundgebungen und Demonstrationen zugegen sein, was sich jedoch nicht überprüfen lässt. Teidelbaum hat keine empirische Untersuchung von Friedenskundgebungen und des Wahlverhaltens ihrer Teilnehmer vorgelegt.
Noch nicht einmal eine Unterscheidung zwischen Funktionären der AfD und der einfachen Wählerschaft wird von ihm vorgenommen. Dabei müsste doch die jeweilige Rolle und Machtposition anders bewertet und eingeschätzt werden.
Logik der Ausgrenzung
Teidelbaum fordert nicht nur, offizielle Bündnisse linker Friedenskräfte mit der AfD, die es bislang nie gab, zu verhindern. Er möchte auch mögliche „rechte“ Teilnehmer an Friedensdemonstrationen ausschließen und wünscht, sie mögen zurück nach Hause gehen.
Teidelbaum unterscheidet dabei nicht zwischen „extremer Rechte“ und „rechts“, was sich schon daran zeigt, dass er die „(extreme) Rechte“ anspricht. Diese Logik der Ausgrenzung folgt einem tiefen Pessimismus, was Veränderungsmöglichkeiten anbelangt. Ein Aktivist jeder möglichen linken Strömung – von gewaltfrei-anarchistisch bis marxistisch-leninistisch – würde dies freilich völlig anders sehen.
Die Herausforderung der Überzeugungsarbeit
Für einen solchen Ansatz steht Überzeugungsarbeit im Vordergrund: Er verteilt etwa Flugblätter in dem festen Glauben an die Überzeugungskraft der eigenen, besseren Argumente und setzt auf die Veränderungsmöglichkeit seines Gegenübers.
Ein ideologisch gefestigter extremer Rechter gehört dabei natürlich nicht zur Zielgruppe. Allerdings ist eine linke Aufklärungsarbeit immer in der Kommunikation und Ansprache offen für rechts positionierte Einzelpersonen und Personengruppen, um bei diesen eine Veränderung bewirken zu können. Sonst könnte der linke Aktivist nämlich mit seinen Flugblättern und seiner Agitation zu Hause bleiben.
Abgesehen von dieser Ignoranz gegenüber Veränderungs- und Selbstveränderungsmöglichkeiten sowie Lernprozessen in sozialen Bewegungen unterschätzen Teidelbaum und seine Großorganisationen das Argument der Quantität.
Die Macht der Masse
Es gibt historische Phasen, in denen schlicht die Masse zählt. Zur Verhinderung einer wirklichen faschistischen und neonazistischen Gefahr sollten alle eingeladen sein, die sich dieser entgegenstellen. In diesem Zusammenhang müssten Optionen des Kapitals in Form von faschistischen und neoautoritären Affinitäten großer Einzelkapitale und ihrer Sprecher verstärkt in den Fokus gerückt werden, nicht der einzelne „Rechtsesoteriker“ oder Aluhutträger. Zur Verhinderung einer Raketenstationierung, die einen Atomkrieg wahrscheinlicher macht, müssen Massen mobilisiert werden, deren ideologische Motivlage zweitrangig ist.
Generationenkonflikt in der Friedensbewegung
Dies zu erkennen oder zu ignorieren, scheint ein generelles Problem zwischen den Generationen zu sein. Eine jüngere Generation innerhalb der VVN-BdA kennt offenbar nicht das eigene antifaschistische Grundsatzprogramm, das keinen Ausschluss von konservativen, esoterischen, ja selbst national-völkischen Kräften vorsah, solange sie antinazistisch und von den Nazis verfolgt waren.
Voller Angst vor rechts scheint eine junge Generation die Beispiele politischer Wanderungsbewegungen von rechts nach links nicht zu kennen. Historische Figuren wie Thomas Mann, Hellmut von Gerlach, Bodo Uhse, Richard Scheringer und Ernst Niekisch illustrieren solche Bewegungen. Für einen Publizisten wie Teidelbaum müssen sie jedoch ewig unanständige Zeitgenossen bleiben, da sie von „rechts“ kamen.
Kategorisierung der Friedensbewegung:
Teidelbaum identifiziert weiterhin eine Gruppe B, die er als „rechte und verschwörungsideologische Friedensbewegung“ beschreibt. Hierbei bezieht er sich hauptsächlich auf Mitglieder der ehemaligen Montagsmahnwachen ab 2014. Diese Gruppe umfasst auch die Coronamaßnahmenkritische Bewegung, die er polemisch „Pandemie-Leugner*innen“ nennt.
Der Autor sieht bei diesen Gruppen verschwörungsideologische Momente und Motive vorliegen. Die darauffolgende Gruppe C soll dann für eine „rechts-offene traditionelle Friedensbewegung“ stehen, von der er jene letzte Gruppe absetzt, der er sich selbst zuordnet: Gruppe D als Teil der traditionellen Friedensbewegung, die sich von den rechten und rechts-offenen Gruppen abgrenze.
Diese Gruppe beschreibt er als international orientiert und kritisch gegenüber Nationalismus eingestellt. Gruppe D versuche, Gruppe C von der Notwendigkeit einer besseren Abgrenzung zu überzeugen.
Teidelbaum zählt zahlreiche Mobilisierungen auf, die entweder irrationalistisch oder tatsächlich rechtsradikal geprägt waren. Er erwähnt Akteure, deren Reichweite der Einflussnahme auf die traditionellen Friedensbewegungen unklar bleibt, wie das inzwischen verbotene Compact-Magazin.
Seine antifaschistisch informierte Skizze, die zuweilen zutreffend ist, könnte ebenso im Aufruf enden, diese Mobilisierungen mit klaren linken, internationalistischen und materialistischen Positionen zu fluten, um ihrem rechten Irrationalismus etwas entgegenzusetzen.
So könnten Teidelbaum oder die drei Großorganisationen eine verstärkte Präsenz mit Flugblättern oder erstrittenen Redebeiträgen auf von ihnen skeptisch beäugten Friedensmobilisierungen wie der „Stop Ramstein Kampagne“ anstreben. Doch auf dieser Ebene bewegen sich die Kritiker der Friedensbewegung gar nicht. Sie wollen nicht mobilisieren, sondern demobilisieren.
Der Autor und die ihn als Publizisten unterstützenden Funktionäre der drei Großorganisationen befürchten, dass die Gruppen B und ein größerer Teil der Gruppe C zu einer „neuen“ Friedensbewegung verschmelzen könnten.
Basis für diesen schändlichen Versuch wären gemeinsame Analysen, Inhalte und Ziele, die Teidelbaum konform zu bundesdeutschen Medienberichterstattung und geheimdienstlicher Verfassungsschutzorgane folgendermaßen zusammenfasst: Antiamerikanismus und Feindbild Westen, Apologie von Putin-Russland, gemeinsame Verschwörungserzählungen, gemeinsame Systemfeindschaft, Nationalismus, Medienfeindlichkeit, geopolitische Verkürzungen, taktische Mobilisierung.
Auch hier könnte eine solche Analyse – deren Tragfähigkeit mal beiseitegelassen – ja „Kritik im Handgemenge“ herausfordern gegen tatsächliche oder vermeintliche Putin-Apologie, gegen vermeintlichen oder tatsächlichen „Antiamerikanismus“.
Doch „Kritik im Handgemenge“ müsste dann ja rechtsoffen sein, sich also mit einem Gegenüber im gleichen Raum – der Straßen, der Demonstration, der Kundgebung – kontaminieren.
Demobilisierung statt Mobilisierung:
Insgesamt zeigt Teidelbaums Analyse eine Tendenz zur Demobilisierung, anstatt durch aktive Beteiligung und Überzeugungsarbeit Einfluss auf die Bewegungen zu nehmen. Die Diskussion um seine Thesen verdeutlicht bestehende Spannungen innerhalb der Friedensbewegung und die Herausforderungen, vor denen linke Organisationen in der aktuellen politischen Landschaft stehen.
Die Notwendigkeit einer differenzierten Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Strömungen innerhalb der Friedensbewegung und der politischen Landschaft bleibt eine zentrale Aufgabe für alle Beteiligten.
Neue Akteure, alte Probleme: Die Zukunft der Friedensbewegung
Friedensbewegung im Wandel: Neue Akteure treten auf. Rechte mischen mit. Wohin steuert der Protest gegen Krieg und Aufrüstung? (Teil 2 und Schluss)
Man kann sich über die Friedensaktivitäten im Deutschland des Jahres 2024 kaum Illusionen machen. Es wäre wünschenswert, dass Teidelbaums Darstellung rechter Akteure, die sich als „Friedensaktivisten“ ausgeben, präziser ausgearbeitet wird. So sind etwa die „Mahnwache Potsdam“ und die „Handwerker für den Frieden“ stark von rechten Akteuren dominiert.
Skurriles wie Kim-Il-Sung-Begeisterung ist so mancher lokalen Initiative nicht fremd. In meinem Buch „Die andere Querfront“ schreibe ich im Vorwort, dass solche „autoritären Subjektformen vom Aluhutträger bis zum Putin-Fan“ im Geiste der Kritischen Theorie „auf die Verheerungen der kapitalistischen Verhältnisse selbst“ zurückzuführen sind:
Tatsächlich hat der unter Rot-Grün restrukturierte und barbarisierte Kapitalismus in Deutschland Menschen ‚freigesetzt‘, ihrer bisherigen Ordnung beraubt und der Kälte und Unwägbarkeit des Marktes unterworfen. Wenig erstaunlich, dass diese Freigesetzten zuweilen zu Obskurantismus und Verschwörungsdenken neigen und gerne bereit sind, allerhand barfüßigen oder falschen Propheten, Heilsbringern und reaktionären Manipulatoren zu folgen.
Ob sie freilich zu mehr in der Lage sind, als sich auf der ein oder anderen Demonstration einzufinden und auf Internetforen auszutoben, gar dazu fähig, ein einflussreiches politisches Projekt zu schmieden, mag dahingestellt sein. Im schlimmsten Fall geben sie einem neuen rechten Parteiprojekt ihre Stimme wie der AfD…
Es sollte lokalen linken Kräften überlassen sein, wie sie in ihrer Region mit diesen Akteuren umgehen. Sie mit eigener Präsenz und den richtigen Inhalten zu überstimmen und zu dominieren, eine attraktivere linke Lebenswelt zu verkörpern, ist immer besser, als sie im Gleichschritt mit den Kräften der Ordnung – weitgehend wirkungslos – als „Nazis“ zu markieren.
Als Befürworter einer gruppenübergreifenden und damit „rechtsoffenen“ Zusammenarbeit wird in der Broschüre von Teidelbaum Reiner Braun herausgepickt. Reiner Braun ist aktiv im „International Peace Bureau“. In den 1980er-Jahren war Reiner Braun am Krefelder Appell beteiligt.
Vor dem Einstein-Jubiläum im Jahr 2005 war er Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte. Von 2006 bis etwa 2014 war er Geschäftsführer der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler und war bis 2017 Geschäftsführer der Ialana (International Association of Lawyers against Nuclear Arms). Außerdem war er Sprecher der „Kooperation für den Frieden“.
Braun ist außerdem stellvertretender Vorsitzender der Naturwissenschaftler:innen-Initiative Verantwortung für Friedens- und Zukunftsfähigkeit e.V. und hat im November 2022 einen interessanten Bericht über Friedensaktivitäten und Stimmungen in Russland auf den Nachdenkseiten verfasst, der offenbart, dass er alles andere als ein „Putin-Apologet“ ist.
Brauns Lebenswerk und seine politische Erfahrung werden durch Teidelbaum heruntergebrochen auf die Bemerkung, Braun habe „bereits 2015 für eine Kooperation mit den rechts-offenen ‚Mahnwachen für den Frieden‘ im Rahmen des ‚Friedenswinters'“ plädiert. Der Umgang mit dem Friedensfunktionär Braun, der in dem Text gepflegt wird, ist vielsagend.
Braun befürworte, schreibt Teidelbaum skandalisierend, auch „eine Zusammenarbeit mit den Pandemie-Leugner:innen“. Wenn Teidelbaum Reiner Braun selbst zitiert, hört es sich jedoch etwas anders an:
Es geht auch um mögliche neue Partner, die im weitesten Sinne in sozialen Bereichen (Wohnen, Gesundheitswesen, etc.), im Handwerk und Mittelstand, aber auch in der Corona-kritischen Grundrechtebewegung zu finden sind.
Reiner Braun
Teidelbaum muss nachschieben, dass Braun diesen Vorschlag konkretisiert, und zitiert:
Solange es eine klare Positionierung gegen rechtsradikales und faschistisches Gedankengut gibt, ist eine pauschale Ausgrenzung nicht zielführend.
Reiner Braun
Braun hat hier also die verlangte Abgrenzung von der extremen Rechten vorgenommen. Teidelbaums Vorhaltungen lösen sich hier in Luft auf. Es scheint ihn also etwas anderes zu stören. So empört er sich, dass besonders in Gruppe B und C „in gewagten Assoziationsketten (…) die Grünen als militaristisch kritisiert und deswegen als ‚rechts‘ markiert“ werden.
Nun braucht es nicht viele Assoziationsketten, sondern nur das Zur-Kenntnis-Nehmen eines Interviews mit Toni Hofreiter, um Beispiele für den Militarismus der Grünen zu finden. Doch Teidelbaum geht sogar so weit zu skandalisieren, dass durch Vertreter der Gruppen B und C „die Nato (…) als rechte Organisation markiert“ wird. Er bemerkt in aller Naivität:
Eine differenzierte Kritik würde darauf hinweisen, dass autoritäre Regime wie die Türkei in der Nato Mitglied sind, und diesen Umstand kritisieren. Die Nato ist zuallererst ein Militärbündnis, dem sowohl demokratische als auch autoritäre Staaten angehören. Den „Vereinten Nationen“ (UN) könnte man ebenso vorwerfen, dass ihnen autoritäre Staaten angehören, allerdings scheint das bei der Bestimmung des Charakters der UN keine Rolle zu spielen.
Freilich offenbart diese Passage, dass Teidelbaum nicht in der Lage ist, Rolle und Funktion der Nato und ihren expansiven Charakter zur globalen Macht- und Herrschaftssicherung der führenden kapitalistischen Staaten, allen voran der USA, zu erkennen.
Ihm scheint auch der Begriff des Imperialismus, bzw. imperialistischer Strukturen unbekannt zu sein, dessen Inhalt er bei historisch und politisch-materialistisch bewanderten Autoren wie Noam Chomsky nachlesen könnte, wenn er zu Daniele Ganser nicht greifen mag.
Teidelbaum kritisiert also Stimmen der Friedensbewegung vor dem Hintergrund einer eigenen affirmativen Einschätzung der Grünen, der Nato und der bundesrepublikanischen Medienlandschaft.
Dass er selbst den Begriffsjoker „Antiamerikanismus“ benutzt, ohne darauf zu reflektieren, dass dieser bereits der 80er-Jahre-Friedensbewegung im Interesse ihrer Delegitimation von rechts entgegenschallte, zeigt, wie weitgehend unkritisch und unhistorisch der Autor an sein Thema herangeht.
Einer Strategie „taktischer Mobilisierung“, die er nur bei Gruppe C der Friedensbewegung ausmacht, verfolgt er wie die mit ihm kooperierenden Großorganisationen dabei selbst. Im Medium der Verharmlosung herrschender Politik und ihrer medialen und politischen Agenturen strebt er das Reinhalten linker Großorganisationen und ihrer Bündnispolitik an, um Respektabilität im bürgerlichen Milieu zu erheischen.
Wenn sich Teidelbaum auf eine „ausdifferenzierte (…) Kapitalismus-Kritik, die Klassen-Gegensätze fokussiert“ positiv bezieht, so ist dies reine Rhetorik und dient nur als Ticket-Begriff, um weitgehend argumentfrei den angegriffenen Akteuren eine Verkürzung in ihrer Gesellschaftskritik oder eine Ideologisierung vorhalten zu können.
Ein solches Manöver könnte die globalisierungskritische Bewegung Attac kennen. So haben ihr in ähnlicher Manier antideutsche Publizisten in der Vergangenheit vorgehalten, ihre Kampagne für eine Finanztransaktionssteuer folge keiner ausdifferenzierten Kapitalismus-, sondern einer nur verkürzten, ja sogar „strukturell antisemitischen“ Kapitalismuskritik.
Dass sich die Funktionäre dreier linker Großorganisationen hinter einer wissenschaftlich dürftigen und politisch biederen bis angepassten Kurzstudie zur Friedensbewegung versammeln, zeigt die tiefe Krise linker Kräfte in der Bundesrepublik an. Die Furcht vor „Rechtsoffenheit“ und die demobilisierende Abgrenzerei bleiben weit hinter den Erkenntnissen der Gruppen selbst zurück.
In einer Erklärung des Bundessprecher:innenkreises der VVN-BdA wird berechtigterweise kritisch auf das 100-Milliarden-Paket für die Aufrüstung der Bundeswehr verwiesen und zum neuen deutschen Militarismus, der bei Bildung, Gesundheit und Sozialem spart, „Nein“ gesagt. Die linken Kräfte haben tatsächlich viel zu diskutieren. So zeigte die Friedensmobilisierung des 3. Oktobers, dass hier neue Akteure auf der Straße zusammenfinden, immerhin in einer großen Zahl von 30.000.
Jenseits des Prominentenspektakels auf der Bühne bei der Goldelse konnte beobachtet werden, dass es eine neue antimilitaristische Jugend gibt, die nicht nur der „Zeitenwende“, sondern auch dem vorherrschenden Konformismus und Opportunismus die kalte Schulter zeigen. Dafür schlüpft sie zuweilen in die alten Kostüme eines anachronistischen Leninismus.
Ferner war die Demonstration dank der Mobilisierung palästinasolidarischer Kreise migrantischer und weniger „biodeutsch“ geprägt als die klassischen Veranstaltungen der alten Friedensbewegung. Durch diese Teilnehmer artikuliert sich ein radikaler und umfassender Begriff von Menschenrechten. Diese Entwicklung ist für Antikriegsbewegungen in globalisierten Migrationsgesellschaften von höchster Bedeutung.
Insgesamt zeigt Teidelbaums Analyse eine Tendenz zur Demobilisierung, anstatt durch aktive Beteiligung und Überzeugungsarbeit Einfluss auf die Bewegungen zu nehmen.
Die Diskussion um seine Thesen verdeutlicht bestehende Spannungen innerhalb der Friedensbewegung und die Herausforderungen, vor denen linke Organisationen in der aktuellen politischen Landschaft stehen. Die Notwendigkeit einer differenzierten Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Strömungen innerhalb der Friedensbewegung und der politischen Landschaft bleibt eine zentrale Aufgabe für alle Beteiligten.
Es zeigt sich, dass eine stärkere Präsenz und inhaltliche Auseinandersetzung in den von Teidelbaum kritisierten Friedensmobilisierungen ein Weg sein könnte, um die Vielfalt und die Ziele der Bewegung zu stärken.
https://vvn-vda.de/wp-content/uploads/2025/01/HanloserFriedensbewegung1.png10181811jnkhttps://vvn-vda.de/wp-content/uploads/2023/12/0487x0631_1_Bunt_VVN-VdA-232x300.gifjnk2025-01-15 18:53:542025-01-15 20:51:24Friedensbewegung im Kreuzfeuer
Die VVN-VdA hat speziell in Neukölln als Schwerpunkt das Erinnern und Gedenken an Werner Seelenbinder, der mit Neukölln über seine sportliche Laufbahn verbunden ist und deshalb auch sein Grab als Widerstandskämpfer gegen die Faschisten seit Juli 1945 im Sportpark hat, der seit 2004 wieder seinen Namen trägt.
Das Wissen über Werner Seelenbinder wachzuhalten, ist für uns eine vorwärts gerichtete Aufgabe. Es geht uns nicht einfach um Erinnerungsarbeit, gerade in den jetzigen Zeiten kann seine Geschichte Inspiration und Ansporn für den aktuell besonders notwendigen Kampf gegen das Erstarken der Faschisten sein. Es geht um Bewusstseinsbildung.
Dabei freut uns auch unsere Verbindung zum SV Tasmania, mit seinen vielen Kindern und Jugendlichen, der das Stadion im Werner-Seelenbinder-Sportpark bespielt. Er steht mit seinen gefühlt 70% oder mehr Mitgliedern mit Migrations-hintergrund für ein Deutschland als Einwanderungsland. Ein Deutschland, das Werner Seelenbinder auf jeden Fall besser gefallen hätte, als das Deutschland der Propagandisten der deutschen Leitkultur und gar der Remigration.
Wir organisieren als VVN-VdA jedes Jahr zum Todestag von Werner Seelenbinder eine Gedenkkundgebung an seinem Grab. Im August 2023 haben wir in Absprache mit dem Bezirksamt Neukölln die Grabpflege übernommen.
2024, als das Jahr, in dem sich W. Seelenbinders Geburtstag zum 120sten Mal und seine Ermordung zum 80sten Mal jährt, haben wir zum Anlass genommen, ein besonderes Gedenkjahr zu gestalten mit Veranstaltungen und Lesungen, einer Seelenbinder-Ausstellung in der Neuköllner Helene-Nathan-Bibliothek (Kurator Prof. Dr. Oliver Rump, THW Berlin) und einem bundesweit ausgeschriebenen Turnier der 12 bis 17jährigen Ringerinnen und Ringern, organisiert mit dem Berliner Ringerverband im Werner Seelenbinder-Sportpark. Am 20. Oktober schlossen wir das Gedenkjahr 2024 mit der Kundgebung an seinem Grab ab.
So standen an diesem Sonntag zusammen gegen den Faschismus, etwa 200 Menschen, auf der Gedenkveranstaltung zum 80. Todestag Werner Seelenbinders, Kommunisten unterschiedlicher Schattierungen neben Sozialdemokraten, Grünen oder Parteilosen, Menschen aus Bündnissen, Organisationen, Sportler und Künstler, Junge und Alte. Wir hatten uns überlegt, das Gedenken in diesem Jahr auf mehr Schultern zu verteilen, nicht nur wegen der runden Zahl, sondern vor allem weil die politische Situation es erfordert, dass die Arbeit aller antifaschistisch bewegten Menschen und Gruppen in Neukölln gebündelt wird. Einige waren mit ihren Infotischen, mit Sportmatte, Bastelmaterial, Instrumenten und Stimmen gekommen, um ihre Arbeit zu präsentieren. So auch die U15-Mannschaft des SV Tasmania und Muhammed und Abdulaye mit einer Vorführung ihrer Balltechnik. Andere waren einfach da, um zuzuhören, zu diskutieren oder still ihre Blumen am Grab niederzulegen.1
Foto: VVN-VdA
Erfreulicherweise wurden 2024 Ende September auch endlich die Gedenk- u. Infotafeln für W. Seelenbinder am Eingang des Sportparks in einer ersten, einfachen Umsetzung montiert, die bereits 2017 von der BVV Neukölln beschlossen wurden und für die wir uns gemeinsam mit Prof. Oliver Rump und dem Historiker Matthias Heisig auch in Bezug auf die Gestaltung sehr eingesetzt haben. Wir danken an dieser Stelle auch der bisherigen Stadträtin für Bildung, Kultur und Sport, Frau Korte, für ihren Einsatz für die Verwirklichung der Tafeln. Für die kommende nachhaltige Ausführung der Gedenk- und Infotafeln mit verlinktem weiteren Informationsmöglichkeiten läuft eine Spendensammlung.
Foto: VVN-VdA
Zweiter, aber umso gewichtiger Schwerpunkt ist für die VVN-VdA in Neukölln die Arbeit zum Neukölln-Komplex, der NeoNazi-Terrorserie, die aktuell 2009 begann, und zu den skandalösen Versäumnissen der sogenannten Sicherheitsbehörden, also Polizei, LKA, Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz, bei deren Nicht-Aufklärung. Wir arbeiten dabei mit Betroffenen der Anschlagsserie und anderen Initiativen bei der Beobachtung und kritischen Begleitung des parlamentarischen Untersuchungsausschuss „Neukölln II“ zusammen. Wir haben auch den Prozess gegen die ursprünglich 5 NeoNazis wegen dem Neukölln-Komplex in beiden Instanzen kritisch beobachtet.
Zu den Ausschuss-Sitzungen werden regelmäßig Kundgebungen vor dem Abgeordnetenhaus organisiert. Mit den Kundgebungen soll der öffentliche Druck, der erst dafür gesorgt hat, dass der Untersuchungsausschuss eingesetzt wurde, aufrechterhalten werden. Es waren die Betroffenen selbst, die die Nicht-Aufklärung der Anschlagsserie durch die Behörden und den mangelnden Schutz im Bezirk zum Thema machten. Die Abgeordneten im PUA „Neukölln II“ sollen mit den Kundgebungen ermuntert werden, weniger gemächlich zu ermitteln und den Ermittlungsbehörden und den Täter*innen energischer auf die Pelle zu rücken, denn ein Untersuchungsausschuss ist kein Selbstläufer.
„Wenn aus dem Studium von Akten und der Befragung von Zeug*innen in einem parlamentarischen Ausschuss etwas herausspringen soll, ist bei den Abgeordneten ein Verständnis von den Wirkungsweisen von gesellschaftlichem und institutionellem Rassismus genauso elementar wie das Wissen über die Kontinuität der Nazistrukturen in Berlin. Dieses Wissen ist nicht selbstverständlich vorhanden und es ist sehr ungleich verteilt, auch bei den „Politprofis“ im Parlament. Deshalb lohnt es sich, das kollektive Wissen über Nazistrukturen und die mangelnde Strafverfolgung durch Behörden immer wieder zu verdeutlichen und die Arbeit der Abgeordneten daran zu messen.“
„Ausgelöst durch den genannten öffentlichen Druck wurden im Zuge von journalistischen Recherchen, aber auch bei neuen Aktivitäten der Behörden, bereits vor der Einsetzung des Ausschusse immer wieder neue Details bekannt. Dadurch konnte zwar immer noch nicht die Tatserie aufgeklärt werden, aber eins wurde deutlich: Die Arbeitsweisen sowohl der Polizei als auch der Staatsanwaltschaft gehören auf den Prüfstand. Die Untersuchung rassistischer, antisemitischer und extrem rechter Strukturen in den Behörden muss Teil der Untersuchungen des Ausschusses sein.“2
Bei der Beobachtung des Ausschuss „Neukölln II“ haben auch wir den Eindruck, dass genau dieses Bewusstsein, dieses Verständnis und dieses Wissen der Mehrheit der Abgeordneten fehlt und dass sie sich nicht die Mühe gemacht haben, sich mit den Aussagen der Betroffenen im Ausschuss und denen von den Expertinnen von MBR, Reachout und Berliner Register, also deren Expertise, tiefer auseinanderzusetzen und sich darüber Hintergrundwissen anzueignen (s. oben Zitat NSU-Watch). Das aber wäre möglich und für eine erfolgversprechende Ausschuss-Arbeit notwendig gewesen, denn diese Expertinnen haben Grundsätzliches zu den NeoNazistrukturen und ihrem Vorgehen gesagt.
Insbesondere wurde mehrfach erläutert, dass es nicht um Einzeltäter geht, sondern dass faschistische Netzwerke in Neukölln und berlinweit ihr Unwesen treiben.
Bei der aktuellen Anschlagsserie kommen weiterhin etliche Skandale innerhalb der Sicherheitsbehörden dazu, z.B. eine rechte Chatgruppe in der Polizei, Treffen eines Polizeibeamten mit einem Tatverdächtigen in einer Kneipe, versäumte (oder heruntergespielte) Warnung von den Sicherheitsbehörden bekannten voraussichtlichen Anschlagsopfern. Prominentes Beispiel hierfür als Anschlagsopfer sind Ferat Kocak und seine Eltern. DieVersäumnisse der Sicherheitsbehörden bei der Aufklärung der NeoNazi-Anschlagsserie bedürfen selbst der Aufklärung. Mensch fragt sich, sind die Strukturen von Polizei, LKA, Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz einfach so miserabel oder/und wirken hier rechte Netzwerke in diesen Behörden? Vermutungen über Letzteres äußerte als Zeuge im Untersuchungsausschuss sogar der frühere Leiter der Ermittlungsgruppe „Rechte Straftaten in Neukölln“ (Resin), Michael E. Er sagte, dass er die Neuköllner Polizeiabschnitte nicht mehr über geplante Observationen informierte, da er den Eindruck hatte, die Informationen würden zu den Nazis durchgestochen, diese verhielten sich während dieser Observationen immer völlig unauffällig.3
Im Fall des Mordes an Burak Bektaş am 5. April 2012 zum Beispiel, wo Angehörige und solidarische Menschen – wie die bereits kurze Zeit nach dem Mord gegründete Initiative – seit Jahren fragen, ob Rassismus das Tatmotiv war und zudem aus rassistischen Motiven nicht ausreichend ermittelt und deshalb auch nach neun Jahren noch kein Täter gefunden wurde, stellt sich die Frage nach einer Art von Interessenidentität, einer Kollusion (lateinisch collusio, „geheimes Einverständnis“) zwischen neonazistischen Gewalttätern und extrem rechten Mitgliedern der Behörden. Im Fall von Burak Bektas stellte sich 2024 heraus, dass der ursprünglich ermittelnde Kommissar 387 Fälle von rechtsextremen Straftaten liegen ließ, nicht bearbeitete. Muß es da eine/n wundern, wenn der Mörder von Burak Bektas nicht ermittelt wurde?4
Wenn jetzt ein ehemals in Neukölln bei der Ermittlungsgruppe Rechtsextremismus als Kontaktbeamter für Betroffene der rechtsextremen Anschlagsserie tätiger Polizist (Stefan Kollmann), der gemeinsam mit zwei polizeibekannten Rechtsextremen einen afghanischen Geflüchteten verprügelt und versucht hat, den Flüchtling in den fließenden Verkehr zu treiben, trotz eines rechtskräftigen Urteils wegen gefährlicher Körperverletzung aus rassistischen Motiven weiter im Dienst bleiben und in Lichtenberg auf Streife gehen darf, wirft das ein bezeichnendes Licht auf die Polizeistrukturen. Bestätigt das das oben Gesagte.
Das Gleiche gilt, wenn wir hören, welche Sorgen sich die Jugendsozialarbeit und Jugendstraßensozialarbeit Neukölln machen wegen der zunehmenden rassistischen Polizeigewalt in Neukölln gegen muslimisch gelesene Kinder und Jugendliche. Racial profiling fällt mensch da gleich als Stichwort ein.
Das alles braucht Aufarbeitung und strukturelle Veränderungen, sowie Veränderung in der Schulung der Mitarbeiter*Innen der Behörden.
Worum geht es beim Neukölln-Komplex? Wir reden hier über schwerste neonazistische Straftaten, Bedrohungen und lebensgefährdende Brandanschläge gegen Menschen, die sich gegen Rassismus und Faschismus engagieren, bis hin zu den genannten zwei Morden an Burak Bektaş und Luke Holland, deren Motivation eindeutig als rassistisch und extrem rechts zu begreifen ist.
Weiter umfasst die aktuelle Terrorserie 23 schwere Brandanschläge, mit Steinen (und Flaschen mit Bitumenfarbe) eingeschmissenen Scheiben von Wohnungen und Geschäften, das Markieren von Treppenfluren und Gebäuden mit Morddrohungen und extrem rechten und verfassungsfeindliche Symbolen, körperlichen Attacken und das Anfertigen von sogenannten Feindeslisten mit über 1.000 Adressen. Betroffene wurden über Jahrzehnte immer wieder angegriffen, bedroht und ausspioniert.
Es geht im Kern um eine militante Kampagne einer vernetzten und bewaffneten Neonaziszene, die sich selbst ermächtigt hat, von ihnen als politische Gegner*innen oder „Volksfeinde“ markierte Menschen anzugreifen, zu terrorisieren und mit dem Tod zu bedrohen. Die Täter*innen handeln aus der Deckung der Anonymität, obwohl ihre Strukturen hinlänglich bekannt sind. Und: Die Ermittlungsbehörden sind seit vielen Jahren nicht in der Lage, gerichtsfeste Beweise für deren Tatbeteiligung zu liefern. Die Frage, ob es an strukturellem Versagen der Behörden oder auch an politischer Deckung der Taten durch einzelne Mitglieder oder rechte Netzwerke liegt, steht im Raum.5
Der faschistische Terror hat in Neukölln, sowie in Berlin insgesamt, hat eine lange Tradition. Und immer wieder wurde dieser Terror durch Justiz und Polizei in Berlin in den vergangenen Jahrzehnten verharmlost.
Konkret zu Neukölln: Die gemeinte Zeitspanne reicht auf jeden Fall bis Mitte der Achtziger Jahre zurück. In der Zeit ab 1980 nannten sich junge Nazis frech »Terrorbande Wutzkyallee« und »Terrorbande Zwickauer Damm«.
Andere rechte, gewaltbereite Gruppen hießen sogar „Berliner Türkenbeseitigungs- Gang“ und „Britzer Befreiungsfront“ Diese Gangs griffen in den südlichen Teilen Neuköllns, vor allem in der Gropiusstadt, immer wieder Linke und Ausländer an. Während es sich dabei eher um Schlägertrupps handelte, traten wenig später organisiertere, aber nicht weniger gefährliche Gruppen auf den Plan, wie die Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP), die 1995 verboten wurde.
Seit knapp 20 Jahren gehören vor allem für die Bevölkerung in Rudow, Buckow und Britz rechtes Gedankengut in Form von Flugblättern, Schmierereien und Aufklebern zum Alltag. Wer sich gegen Rechts engagiert, wird überwacht, schikaniert, angegriffen.
Hierbei ist auch das Netzwerk des Nationalen Widerstand Berlin (NW-Berlin) um Sebastian Schmidtke, gut befreundet mit Sebastian Thom, einem der 2 im Dezember 2024 u.a. wegen 2 Brandanschlägen verurteilten NeoNazis, zu nennen, das zwischen 2005 und 2012 Aufmärsche mit 500, 600 NeoNazis in Rudow veranstaltete.
NW-Berlin stellte ab 2009 Feindeslisten von Personen mit Namen, Fotos und teilweise Adressen auf seiner website ins Netz, weiterhin eine Liste „Linke Läden“ mit Adressen und teilweise Bildern von linken oder alternativen Einrichtungen. Die „Klientel“ von NW-Berlin arbeitete diese Listen regelrecht ab.
Die Strafverfolgungsbehörden ermittelten jedoch ernsthaft erst seit 2011, ganze 2 Jahre nach den Anzeigen, die Betroffene zum Teil mit ausführlichem Bild- und Beweismaterial zu den mutmaßlichen Urheber/innen gestellt hatten. Ab 2012 stellte NW-Berlin seine öffentlichen Aktionen ein, der mediale und polizeiliche Druck war wohl zu groß geworden. Zur Europawahl 2024 war Schmidtke Kandidat für die Partei „Die Heimat“ auf Listenplatz 5. 6
Wie vernetzt die Faschisten insgesamt über die Jahrzehnte sind, wird daran deutlich, dass Oliver Werner, der als politischer Ziehvater von Sebastian Thom gilt und der ebenfalls in den Neukölln-Komplex verwickelt ist, ein enger Freund von Kay Diesner ist, der 1997 den linken Buchhändler Klaus Baltruschat anschoß, so dass ihm ein Unterarm amputiert werden musste. Auf seiner Flucht erschoss Diesner dann einen Polizisten und verletzte einen anderen schwer.
Heute gehört Thom zum 3. Weg, dessen Mitglieder im Juli 2024 am Bahnhof Ostkreuz als organisierter Trupp antifaschistische Menschen zusammenschlugen, die zu einer Anti-AfD-Demo fahren wollten. Auch dies zeigt die Bedrohungslage, um die es geht.
Zu dieser Bedrohungslage gehört ebenfalls, was am 14. Dezember in Friedrichshain zu sehen war und erfreulicherweise von Antifaschist*innen gestoppt werden konnte, der NeoNazi-Aufmarsch, der selbst vom Innensenat als eine „gezielten Provokation junger und durchaus auch gewaltaffiner Personen einer neuen rechtsextremistischen Internet-Jugendkultur“ bezeichnet wurde. Und es ist nicht das erste Mal, dass von einer neuen rechten Jugendbewegung gesprochen wird, mit teils erst 14 Jahre alten, bereits brutalen Schlägern.
Solche Jugendlichen werden von AfD-Leuten aufgehetzt wie dem Europawahl-AfD-Kandidaten Maximillian Krah, der auf TikTok, dem social media-Kanal auf dem die AfD besonders aktiv ist, schon ein Star ist.
Doch beim Untersuchungsausschuss „Neukölln II“ steht im Hintergrund auch das Thema NSU-Komplex, bei dem es keinen Untersuchungsausschuss gab. Gemeint ist „die Behörde, die inzwischen maßgeblich die Bearbeitung der militanten Neonazis übernommen hat und auch die Führung von V-Personen: das Berliner Landeskriminalamt (LKA). Hier arbeitete man mit mehreren Spitzeln, die auch über das Umfeld des NSU berichteten, darunter einen, dessen Hinweise durchaus zu einem frühzeitigen Auffliegen des NSU-Kerntrios hätte führen können. Es war damit das einzige LKA bundesweit, das in diesem Bereich des NSU-Komplexes auftaucht.“ 7
Ansonsten gehören keine AFDler in so einen Ausschuss, weil das geistige Brandstifter und Kumpane der NeoNazis sind (Paulenz war im Neuköllner AfD-Vorstand, Sebastian Thom war Neuköllner NPD-Kreisvorsitzenden und Beisitzer im Landesvorstand)
Die Ausschussmitglieder sind auch insofern zu kritisieren, als dass sie meistenteils den Polizeizeugen, z.B. LKA-Leiter Steiof, aber auch Staatsanwalt von Hagen, ihre Schönfärberei, arrogante Selbstgefälligkeit und Verantwortungsabwehr haben durchgehen lassen, die Zeugen zu wenig hinterfragt haben.
Ein Skandal ist ebenfalls, die Aktenverweigerung bzw. verschleppte Lieferung durch die Senatsverwaltung für Inneres und die Justiz, die den Ausschuss in seiner Arbeit behinderte. Der Innensenat ist auch für den Verfassungsschutz zuständig. Selbst die Richterin in der zweiten Instanz des Thom/Paulenz-Prozesses beklagte, dass Erkenntnisse des Verfassungsschutzes zurückgehalten wurden.
Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Berlin verweigerten bei den Prozessen gegen die Hauptverdächtigen Sebastian Thom und Tilo Paulenz die Akten mit der Begründung, es ginge um ein laufendes Verfahren; als ob die Abgeordneten keinen Geheimhaltungspflichten unterlägen. Gerade bei Ferat Kocaks Akte wäre es aber für die Abgeordneten wichtig gewesen, sie zu haben, denn dazu sagte selbst die Berliner Polizeipräsidentin, da stände eine Menge drin, was bei Ferat Kocak falsch gelaufen sei. Jetzt werden nach dem Urteil der 2. Instanz die Akten mit Vertraulichkeitsvermerk freigegeben, aber wie spät.
Erneut wurden einigen Wochen vor dem Urteil im Prozess gegen Thom und Paulenz die Autoreifen eines der Brandanschlagsopfer zerstochen, Hinweise auf einen extrem rechten Hintergrund wurden dabei von der Polizei wieder mal nicht ernstgenommen.
Antworten und Klarheit sind für die Öffentlichkeit auch darüber zu fordern, welche Rolle der Verfassungsschutz (VS) beim Neukölln-Komplex spielte, ob und in welchem Umfang V-Personen in diesen rechtsextremistischen Strukturen agiert haben und ob sie Straftaten begangen haben. Beim Ausschuss sagten VS-Mitarbeiter nur nichtöffentlich oder hinter einer spanischen Wand aus – im Gericht verweigerte der VS Informationen, weil die nicht „prozessrelevant“ seien.
Mensch kann sagen: Der Verfassungsschutz gehört abgeschafft, nähme man z.B. die Ergebnisse der 13 Ausschüsse auf Bundes- und Länderebene zum NSU-Komplex ernst.
Aufklärung, genaue Untersuchung brauchen Zeit und Akten! Wir fordern beides und dass der PUA zum Neukölln-Komplex nach der Wahl 26 erneut eingesetzt wird. Das Polizeiversagen darf nicht unter den parlamentarischen Teppich gekehrt werden.
https://vvn-vda.de/wp-content/uploads/2025/01/nk01.jpg6831024jnkhttps://vvn-vda.de/wp-content/uploads/2023/12/0487x0631_1_Bunt_VVN-VdA-232x300.gifjnk2025-01-07 19:38:342025-01-29 14:29:56Ein Schlaglicht auf die Arbeit der VVN-VdA Neukölln
Einladung zur Weihnachtsfeier vom VVN-VdA Reinickendorf
Liebe Kameradin
Lieber Kamerad
Wir möchten mehr Aktive Mitglieder gewinnen, denn der Nationalismus, Rassismus insbesondere Antisemitismus werden in unserer Gesellschaft wieder salonfähig. Hass und Hetze der AFD hat es in die meisten Parlamente geschafft. Als Antifaschisten treffen wir uns grundsätzlich monatlich, jetzt jeden 2. Dienstag zu aktuellen Themen und Aktivitäten. Von unseren 33 Mitgliedern gehören 8 zum festen Stamm.
Wo? Nähe Schäfersee am Vierwaldstätter Weg 14 (Roten Laden der Reinickendorfer Linken). Unser ehemaliger Treffpunkt im „Fuchsbau“ in der Thurgauer Straße steht uns leider immer noch nicht wieder zur Verfügung.
Mit kameradschaftlichen Grüßen
Klaus Murawski
Sprecher der Gruppe
https://vvn-vda.de/wp-content/uploads/2024/11/20231215_165431-e1731702747947.jpg492480Ingomuehttps://vvn-vda.de/wp-content/uploads/2023/12/0487x0631_1_Bunt_VVN-VdA-232x300.gifIngomue2024-11-15 21:32:552025-01-24 12:24:54Einladung zur Weihnachtsfeier vom VVN-VdA Reinickendorf
Das Archiv der VVN-VdA umfasst unvollständige Materialien zu den Aktivitäten der VVN-VdA Westberlin von 1953 bis 1990. Darunter befinden sich teils umfangreiche Zusammenstellungen aus bezirklichen Gliederungen, die schon für Publikationen über den antifaschistischen Widerstandskampf in den jeweiligen Bezirken genutzt wurden.
Weiterhin sind zahlreiche Schriftwechsel der VVN sowie der Rechtsanwälte Kaul, Piskorz und anderer zu Anerkennungs- und Entschädigungsverfahren vorhanden. Diese Unterlagen enthalten teilweise sehr interessante und bewegende Lebensläufe. Das gilt auch für die leider nur bruchstückhaft vorhandenen Aufnahmebögen aus verschiedenen Mitgliederverzeichnissen. Zudem gibt es eine fast vollständige Sammlung vom „Mahnruf“, dem Mitteilungsblatt der VVN, von der Nr. 1 aus dem Jahre 1957 bis zur Nr. 217 aus dem Jahr 1990.
Anfang 2009 konnte die Software FAUST Entry Archiv angeschafft werden. Über die Erfassung der Dokumente in der FAUST Datenbank ist es möglich, zu bestimmten Aspekten Hinweise aus den unterschiedlichen Sammlungen zusammenzuführen.
Der Bestand des Archiv umfasst ca 30laufende Meter.
Wir befinden uns Gedenkstätte Deutscher Widerstand (GDW)
Unser Team besteht zur Zeit aus 2 ehrenamtlichen Mitarbeiter, die keine ausgebildete Archivare sind.
Nun steht eine große Digitalisierungsaktion dem Archiv bevor. Zur Vorbereitung dieser Aktion benötigen wir händeringend
Unterstützung. Und zwar in der Form, dass sie uns bei der Feinerfassung sämtlicher Dokumente, die sich in Kartons und Ordner befinden unterstützen.
E
Voraussetzung für die Unterstützung ist:
PC-Grundkenntnisse
Interneterfahrung mit Cloud-Zusammenarbeit
Interesse an Archivarbeit
Kenntnisse über Faust ist keine Voraussetzung.
Selbstverständlich stillschweigen über den Inhalt der Dokumente.
Wann und wie wird die Tätigkeit ausgeübt:
Individuelle Tätigkeitszeit nach Absprache (Mo.-Fr.). Immer Beisein eines Teamangehörigen.
Später kann, wenn die Erfahrungen vorhanden sind auch selbständig gearbeitet werden.
Kontakt:
Wer Interesse hat meldet sich über folgender E-Mail-Adresse:
ingo.mueller@vvn-vda-westberlinerarchiv.de
Hinweis:
Es ist eine ehrenamtliche Tätigkeit, bei der es keine Vergütung gibt. Selbst wir als Team arbeiten ebenfalls
ehrenamtlich.
E
https://vvn-vda.de/wp-content/uploads/2024/11/20231009_114315-1-e1731595683837.jpg370480Ingomuehttps://vvn-vda.de/wp-content/uploads/2023/12/0487x0631_1_Bunt_VVN-VdA-232x300.gifIngomue2024-11-14 16:12:072024-11-14 18:25:33Hilferuf aus dem Archiv der VVN-VdA