Einige kritische Anmerkungen zur Broschüre von Thomas Willms, „Sein Kampf“

Einige kritische Anmerkungen zur Broschüre von Thomas Willms, Sein Kampf [1]

Inhalt:

Problematisch ist bereits der Titel der Broschüre. Er legt eine unzulässige Gleichsetzung Höckes mit Hitler nahe, was im Übrigen auch die ansonsten beschworene „Singularität“ des NS-Regimes in Frage stellt.

Selbstverständlich ist es sinnvoll, dass sich die VVN mit den Figuren, der Ideologie, den Auslassungen der Faschisten auseinandersetzt. Wozu? Um den AntifaschistInnen Argumente an die Hand zu geben für die Auseinandersetzung, um die Gegenwehr zu mobilisieren, um Schwankende und „Infizierte“ zu neutralisieren oder herüberzuziehen. Das leistet der Autor in Ansätzen, wenn er sich mit der sozialen Demagogie von Höcke auseinandersetzt (S. 20). Doch auch hier wird die Beschränkung erkennbar, die sich durch den ganzen Text zieht: der Verzicht auf eine klassenbezogene Analyse des Faschismus und eines Protagonisten wie Höcke. (zurück zum Inhalt)

Der Nazi und die Faschisten

Das geht schon los bei „Warum diese Broschüre?“ (S. 4) Da werden Meloni und Orban von Höcke abgegrenzt, ja fast gegen den „nazistischen“ Höcke“ verteidigt. Und das, obwohl es inzwischen schon keinen Aufschrei mehr gibt, wenn die faschistische Mussolini-Verehrerin Meloni – mittlerweile als Regierungschefin Italiens – zu Scholz ganz selbstverständlich auf Staatsbesuch kommt oder grinsend neben der EU-Kommissonspräsidentin v.d.Leyen posiert. Aber bei einem solchen Kenner der Materie, der wie Willms auch schon mal den linken Präsidentschaftskandidaten Jean-Luc Mélenchon und Frau Le Pen (unter dem Stichwort „Populismus“) gleichsetzt, ist man solche „treffsicheren“ Beurteilungen schon fast gewohnt.

Und dann: „Für einen Moment blitzt auf, dass ein faschistischer Umsturz wirklich denkbar ist.“ Da musste eine Höcke-Rede her, um angesichts des massiven Aufbaus bewaffneter faschistischer Kräfte mit weitreichenden Verbindungen in den Staatsapparat, in Polizei, Militär, Justiz, einen faschistischen Umsturz für „denkbar“ zu halten? Immerhin Thomas Willms denkt. Vielleicht denkt er nach über seine haarscharf daneben liegende Einschätzung nach den Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz 2021: „Der Jahreswechsel 2020/2021 markierte für die AfD den Übergang von der Stagnation zur strategischen Defensive.“ (antifa 15.3.2021) (zurück zum Inhalt)

Beschönigung der USA

Bei der Paraphrasierung (Umschreibung) von Höckes Rede in Gera wäre es sinnvoll gewesen, von vorneherein zu sagen, dass Höcke selbst die Wörter „Jude“ „Judentum“ sorgfältig umgeht bzw. codiert. (S.5) Am Ende kommt heraus, dass Höcke dem Publikum die USA mit „den Juden“ als treibende Kraft als Hauptfeind darstellen will. Soll das dazu dienen, dass wer den US-Imperialismus kritisiert in die Nähe von Höcke gerückt wird? Soll der US-Imperialismus nun nicht mehr als Führungsmacht bezeichnet werden, die das monopolkapitalistische Regime zur Ausplünderung des Planeten, zur Unterdrückung der um Befreiung ringenden Völker (wie in Vietnam oder Kuba), zur Zerschlagung der Sowjetunion und des Sozialismus in Europa angeführt hat und aggressiv anführt (ohne dabei die Rolle des deutschen Imperialismus zu verkleinern)? (zurück zum Inhalt)

Beschönigung der BRD-Geschichte

Im Kapitel „Vorgeschichte“ behauptet Thomas Willms: „Die politische Kultur der Bundesrepublik ist vor allem durch die widersprüchliche Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur entstanden, deren Erbe sie antreten musste.“ (S. 6) Ganz ausgeblendet wird die prägende Kraft des Antikommunismus auf die BRD, die Bedeutung des Kampfs gegen die Sowjetunion und die DDR, die Durchsetzung des Staatsapparats mit Nazis, der Ausbau Westeuropas als Bollwerk gegen den Sozialismus. Soll das verschwinden hinter der Plattheit „widersprüchliche Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur“? Es soll offenbar! Denn die Verhältnisse in der BRD verschwinden hinter der Figur Höcke, der kraft seines Redetalents die Massenbasis für den faschistischen Umsturz schafft. Gegen solche Theorien rechts-bürgerlicher Historiker vom „Dämon Hitler“ als Ursache des Faschismus haben wir mit der VVN lange gekämpft. Statt solcher Verharmlosungen haben wir den Zusammenhang der gesellschaftlichen Verhältnisse, von (Monopol-)Kapitalismus und Faschismus in den Vordergrund gestellt. Das scheint Thomas Willms vollkommen aus dem Blick geraten zu sein. Solche Geschichtsvergessenheit, die sich offenbar auch in der Führung der VVN breit gemacht hat, ist m.E. mitverantwortlich für das Vordringen der Schlussstrichmentalität, mehr jedenfalls als das „Aussterben der Zeitzeug*innengeneration“ (S. 7). (zurück zum Inhalt)

Ukraine-Krieg: Beschönigung der Rolle von NATO und BRD

Und dann kommt das Mantra vom „russischen Überfall auf die Ukraine“ (S. 7), ohne irgendetwas zur Vorgeschichte zu sagen, zur Verantwortung der Nato und der BRD. Dass sich Faschisten in der Sonne Putins gerne gesonnt haben, aber bei Bedarf jederzeit das Hemd wechseln, zeigt doch gerade die Faschistin Meloni. Und auch hier wieder das gleiche Argumentationsmuster. Thomas Willms suggeriert: Der Nazi Höcke stellt sich positiv zu Putin, also ist Verständnis für Putin und die Russische Föderation bereits Nähe zu Faschisten. Damit wird aber die Nato, die Rolle der BRD verniedlicht und am Schluss kommt dann vielleicht gar noch die Nato als Friedensmacht heraus (und die Partei Die Linke kann sich endlich vom Makel, Anti-Nato-Partei zu sein, befreien und für höhere Pöstchen qualifizieren). Und dann lässt sich Thomas Willms auch noch auf die Debatte ein, die Putin mit Hitler vergleicht (S. 10), ohne irgendetwas über solche faulen Analogien zu vermerken. Offensichtlich ist sich der Bundesgeschäftsführer der VVN-BdA nicht zu schade, beim Aufbau des russophoben Feindbilds der Nato und Bundesregierung nachzuhelfen. (zurück zum Inhalt)

Tabus aufstellen reicht nicht

Das Argumentationsmuster setzt sich unter „5. Feindbilder und Antisemitismus“ (S. 11) fort. Da zählt er eine lange Liste von Begriffspaaren auf, die Höcke angeblich verwendet wie „Dunkelheit oder Licht“ usw., ohne mit einem Wort zu erwähnen, was typischerweise bei Faschisten immer fehlt (und inzwischen auch der VVN-Führung abhanden gekommen ist): Bourgeoisie oder Proletariat. Und ohne uns zu sagen, wie diese Begriffe tatsächlich (dialektisch) zusammenhängen, wie etwa Herr und Knecht oder (nicht nur im Film) Sein oder Nichtsein. Es reicht, etwas zu tabuisieren, weil es ein Faschist (ein wirklicher oder unterstellter?) gesagt hat. So können wir uns – vor lauter selbst aufgestellter Tabus – auch letztlich selbst sprachlos machen.

Wenn Höcke von Imperium spricht, fällt Thomas Willms dazu nichts Anderes ein als ein Zusammenhang zum Römischen Imperium. (S. 12) Dass es bürgerliche Theoretiker und nicht zuletzt auch Lenin gibt, die den modernen Imperialismus untersucht haben, die der faschistischen Demagogie diametral entgegenstehen, will Thomas Willms offenbar nicht beachten. Stattdessen wiederholt unser Geschichtskenner die Mär, dass das Imperium Romanum wegen der germanischen Stämme untergegangen sei, statt wegen seiner inneren Verhältnisse.

Besonders deutlich wird es, wohin das Argumentationsmuster Thomas Willms führt, wenn er George Soros („der jüdischen Glaubens ist“ – so Willms auf S. 13) und die Open Society Foundation anführt. Üblicherweise bekämpft die Arbeiterbewegung Großkapitalisten, ob sie christlichen, muslimischen oder jüdischen oder gar keines Glaubens sind. Zur Aufgabe dieses Kampfes haben uns bisher nur Reformisten, sozialdemokratische Führer*innen geraten, dazu hätte es eines Thomas Willms nicht extra bedurft. Was es im Kampf gegen den Antisemitismus u.a. braucht, ist die Entlarvung der widerlichen Nazi-Demagogie vom „raffenden“ und „schaffenden“ Kapital. Dazu gehört aber als Voraussetzung, dass das Kapital als gesellschaftliches Verhältnis wahrgenommen wird, dessen religiöse oder ethnische Prägung nachgelagert ist. (zurück zum Inhalt)

Vorschub für das Schüren der Russophobie

Auf S. 15 will Thomas Willms das Verhältnis der „extremen Rechten Westeuropas“ zu Russland beschreiben. Er nennt zur Charakterisierung Russlands verschiedene Kriterien, die genauso gut zur Kennzeichnung der USA oder der BRD herhalten können, z.B. „starke Stellung des Militärs und des militärischen Denkens“ (in den USA völlig unbekannt?) oder das Setzen auf „fossile Rohstoffe, Waffen, Atomenergie“ (USA, BRD bis vor kurzem auch bezüglich der Atomenergie). Ein wichtiges Kriterium zur Charakterisierung Russlands unterschlägt Willms: Es war der größte und wichtigste Teil der Sowjetunion. Das war das Land, – offenbar muss man wieder daran erinnern –  das uns vom Faschismus befreit hat. Dass wir auch dadurch die Aufgabe haben, die zur Staatsdoktrin erhobene Russophobie (aber auch Ukrainophobie) zu bekämpfen, davon bei Willms kein Wort.

Und dann zitiert Thomas Willms den Höcke: „Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen!“. Sollen wir diese Losung auch aufgeben, bloß, weil ein Faschist sie im Maul hatte?

Unsere Aufgabe ist es, die soziale und nationale Demagogie der Nazis historisch und aktuell auseinanderzunehmen, um zu zeigen, dass Faschismus Krieg bringt, dass vom Frieden gesäuselt wird, bis man selbst auch militärisch stark genug ist, um „Lebensraum im Osten“ zu rauben, also die russischen Rohstoffe zu „arisieren“. (zurück zum Inhalt)

Der Wessi, die DDR und der Antikommunismus

Während Thomas Willms zur reaktionären gesellschaftlichen und politischen Entwicklung der BRD fast nichts zu sagen hat, charakterisiert er die DDR ganz in der herablassenden Wessi-Manier: „vormundschaftlicher Staat“, „klare ideologische Vorgaben“, „für ihr Leben enge Leitplanken“ oder „Das prorussische Sentiment insbesondere in Ostdeutschland generiert sich zum wohl kleineren Teil aus einem Weiterleben der in der DDR vorgeschriebenen Dankbarkeit und Begeisterung für die russischen ‚Freunde‘ …“ – Freunde setzt Thomas Willms dabei in Anführungszeichen! (S. 15) Das ist Antikommunismus in Reinform.

Die Anbiederung des Nazis Höcke an Erfahrungen von Bürgern der DDR wird man nur zurückweisen können, wenn man die grundlegende Feindschaft des BRD-Kapitals und der BRD-Politik gegen den Sozialismus in der Sowjetunion und der DDR mit einbezieht und die Übervorteilung und den Betrug bei der Einverleibung der DDR. Treuhand und „Blühende Landschaften“, um nur zwei Beispiele zu nennen. Aber Thomas Willms meint: „Nun ist 30 Jahre nach der Wende nicht alles Not und Elend in Ostdeutschland. Renten und ökonomische Lebensverhältnisse haben weit zum Westen aufgeschlossen, ein lokales erfolgreiches Unternehmertum hat sich gebildet.“ Da ist doch die Welt in Ordnung!! Und mit solchem Rüstzeug versehen, wollen wir in Ostdeutschland Antifaschismus verbreiten? (zurück zum Inhalt)

Verschwörungen und die Atombombe

Bei seinem Rundschlag gegen „Verschwörungsgläubige“ gesteht Thomas Willms immerhin zu, dass es „seit jeher auch geheime Absprachen, in Hinterstuben ausgeheckte Pläne, Kartelle und regelrechte ‚Verschwörungen‘“ gab und gibt. (S. 17) Und dann: „Ein ‚Verschwörungsmythos‘ ist aber etwas Anderes.“ Was Verschwörungsmythos im Vergleich zu Verschwörungstheorie und zu tatsächlichen Verschwörungen ist, bleibt offen. Und dann wird alles in einen Topf geworfen: Impfgegner, Esoteriker, Querdenker … Im Kern unterstellt er denen, sie würden alle Übel der Welt den USA anlasten. Statt wirklich herauszuarbeiten, welche Aufklärungsarbeit wir zu leisten hätten, um solche Kräfte gegen die Nazis zu wappnen, meint sich Thomas Willms mit aufgestellten Warnschildern „Vorsicht Nazis um die Ecke“ begnügen zu können. Und dann gerät ihm das „Milieu der mittlerweile überalterten traditionellen Friedensbewegung“ ins Visier. Der unterstellt er: „Für das Unglück der Welt werden ausschließlich die USA verantwortlich gemacht.“ Sehr differenziert ist das nicht. Zwar gesteht Willms mit Höcke zu, dass die „USA als ‚erste und einzige Nation Atomwaffen eingesetzt‘ haben“. Doch wirft er Höcke vor, er unterschlage „hier Vorgeschichte, Kontext und US-interne Konflikte“. Wenn er doch ebensolche Maßstäbe an seine eigene Einschätzung des Ukraine-Kriegs anlegen würde! (s.o.)

Den Einsatz der Atombombe versucht Thomas Willms zu rechtfertigen, obwohl mittlerweile festzustehen scheint, dass es keine militärischen Gründe dafür gegeben hat, sondern eine massive Drohung gegen die Sowjetunion auf der gleichzeitig tagenden Potsdamer Konferenz war. Und gleich darauf (immer noch S. 19) schiebt er auch noch „Nordkorea“ die Schuld für den Korea-Krieg zu – ohne Vorgeschichte, Kontext und innerkoreanische Konflikte. Und so geht es weiter, um schließlich dann doch einzuräumen: „Die Kritik an Höckes unzulässiger Vereinfachung soll wiederum nicht heißen, dass es gar keine externe Einflussnahmen, gerade durch die Großmacht USA“ gegeben habe. Eine Erklärung und Bewertung, warum die USA eingreifen und eingegriffen haben, bleibt aus.

Der Nazi-Demagogie nichts entgegengesetzt, unsere Wurzeln verleugnet

Dass Antifaschisten keinen ethnisch-biologistischen Begriff von „Volk“ haben sollten, sollte klar sein; es muss auch kein klassenbezogener Volksbegriff verwendet werden; aber um der nationalen Demagogie der Nazis etwas entgegenzusetzen, sollten wir doch wenigstens einen politischen Begriff von Gemeinwesen, wie etwa die Nation, haben. Keinesfalls genügt es, zu schwadronieren von Verhältnissen in der BRD „von Individuen, die über sich selbst bestimmen.“ (S. 21) Bei Thomas Willms erscheint die deutsche Bundes-Welt als geradezu vorbildlich, wenn es da nicht den Höcke und die AfD gäbe.

Aber schließlich holt er noch zum letzten Schlag aus. „Fakt ist: Die AfD übt nämlich nicht erst Macht aus, wenn sie 50 plus X Prozent bei Wahlen erzielt, sondern wenn es keinen organisierten Widerstand gegen sie mehr gibt und daraufhin die konformistische Mitte kollabiert. Genau dies geschah zwischen 1930 und 1933, als der Widerstand gegen die NSDAP immer mehr an Boden verlor.“ (S. 22) – Das bleibt also, wenn wir Thomas Willms folgen würden, vom wachsenden antifaschistischen Widerstand, wie er von den Genossen der Arbeiterbewegung aus KPD, SPD, von Christen, Parteilosen gerade auch in dieser Zeit geleistet wurde. Kein Wort zum Großkapital, das zunehmend auf Krieg setzte, und zum Adel und Kleinbürgertum und zur Krise des Kapitalismus, die alle Widersprüche zuspitzte.

Und um das Fass mit der Nachsicht gegen die deutschen „Eliten“ voll zu machen, führt Thomas Willms Carl Schmitt ein (S. 24), ohne dessen Haltung zu den Nürnberger Rassegesetzen auch nur zu erwähnen.

Dass unsere Mitgliedsbeiträge für eine Broschüre verwendet werden, die brennende Fragen so irreführend beantwortet, ist unerträglich.


Herzlichen Dank an Conny Renkl, Mitglied der VVN-BdA seit 1990 für die Freigabe der Veröffentlichung. 21-07-2023


[1] Thomas Willms: Sein Kampf. Björn Höckes nazistische Grundsatzrede vom 3. Oktober 2022 in Gera. Berlin, 2023, VVN-BdA Selbstverlag, 28 Seiten, 1,50 Euro. Bestellen unter shop.vvn-bda.de

Bildquelle:

25. Juli 2023: Friedenspolitische Erklärung

Ergebnis der friedenspolitischen Beratung von Mitgliedern der VVN-BdA Berlin

Wir fühlen uns den Grundsätzen verpflichtet, die unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg von denjenigen entwickelt wurden, die während des Faschismus im Widerstand gewesen und verfolgt worden waren: Entmilitarisierung, Demokratisierung, Entnazifizierung und Kampf gegen das große Kapital, das in hohem Maße Krieg und Faschismus mitgetragen hatte. Diese Grundsätze sind für uns bis heute die Leitlinien unseres antifaschistischen Handelns. “Die  Vernichtung des Nazismus mit all seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.”[1]  

Die VVN war in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg immer fester Bestandteil der Friedensbewegung. Sie beteiligte sich an dem Kampf gegen den Atomtod, an dem Kampf gegen die Remilitarisierung, an der Ostermarschbewegung, an dem Kampf gegen die Stationierung der Mittelstreckenraketen und an den Protesten gegen den völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien, in dem deutsche Piloten Jugoslawien zum zweiten mal nach den Bombardements im Zweiten Weltkrieg bombardierten.

Antifaschismus und Antimilitarismus sind zwei Seiten einer Medaille.

Daher setzen wir voraus, dass es allen Mitgliedern der VVN-BdA wichtig ist, dass die Kriegshandlungen in der Ukraine sehr bald beendet werden.

Allerdings gibt es in der VVN-BdA, wie in der gesamten Gesellschaft unterschiedliche Auffassungen darum, wie und unter welchen Bedingungen dies zu erreichen ist und mit welchen Konsequenzen. Unterschiedliche Auffassungen haben aber auch viel mit Hintergrundwissen, Blickwinkeln und Erfahrungen zu tun. Für uns als Organisation, die sich aus Mitgliedern  unterschiedlicher weltanschaulicher und politischer Positionen zusammensetzt, ist es umso wichtiger, dass es in unseren Publikationen und Veranstaltungen möglich ist, die unterschiedlichen Positionen solidarisch zu diskutieren.

Nun gibt es Friedensbestrebungen, bei denen Forderungen gestellt werden, die unseren scheinbar sehr ähneln, aber von Gruppen stammen, mit denen Verfolgte des Naziregimes und ihre Nachkommen nicht zusammenarbeiten können. Faschistische Organisationen von 3. Weg bis AfD müssen bekämpft werden. Unsere Aufgabe ist es offenzulegen, wie sie den Friedenswillen vieler Bürger demagogisch missbrauchen.

Wir Aktivisten der VVN-VdA und Berliner VVN-BdA, die an der friedenspolitschen Beratung tielgenommen haben, fordern:

1. Beendigung der Aufrüstung und Militarisierung Deutschlands!  

2. Sofortiger Waffenstillstand in der Ukranie!

3. Beendigung aller Waffenlieferungen an die Ukraine!

4. Beendigung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland!

5. Die Bundesregierung muss Initiativen für Verhandlungen unterstützen!

6. Bündnisfreie Ukraine, Sicherheitsgarantien für die Ukraine und Russland, kollektive Sicherheit für Europa statt NATO! Raus aus der NATO!

Das sind Forderungen, die den Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit, wie sie der Schwur von Buchenwald fordert, voranbringen können.

Was tun?

Wir Aktivisten der VVN-VdA und Berliner VVN-BdA wollen:

– unsere Veranstaltungsreihe “Es geht darum den Frieden zu gewinnen, nicht den Krieg” fortsetzen,

– für unsere Position, wie sie in diesem Beschluss zum Ausdruck kommt, in kleinerem und größeren Kreis werben und

– uns an zentralen Aktionen der Friedensbewegung beteiligen und sie so  stärken.  

Begründung

Beendigung der Aufrüstung und Militarisierung Deutschlands!

Als Bundeskanzler Scholz am 27. Februar 2022 auf einer Sondersitzung des Bundestages einen Sonderfonds für die Bundeswehr im Umfang von 100 Milliarden Euro verkündete, erhoben sich die meisten Abgeordneten emotional bewegt von ihren Sitzen, brachen in Jubel aus und klatschten Beifall, als gälte es, einen großen Sieg zu feiern.

Der 100 Milliarden Sonderfonds ist durch eine Änderung des Grundgesetzes abgesichert, so dass Einschränkungen nur schwer möglich sind, während alle Ausgaben des Bundeshaushalts ohne Weiteres gekürzt werden können. Die Militärausgaben kennen dagegen nur eine Richtung: Nach oben. Das 100 Milliarden Sondervermögen ist ein wichtiger Schritt in Richtung eines Militärhaushaltes von 2 Prozent des BIP[2]. Zwei Prozent des BIP machen fast 20 Prozent des gesamten Bundeshaushaltes aus, die jährlich in die Rüstung fließen würden. Es sind diese enormen Ausgaben, die  nicht nur den Krieg anheizen, sondern auch zu Kürzungen in Bereichen führen, wo dringend höhere Ausgaben notwendig wären: Im öffentlichen Verkehr, im Gesundheitswesen, in der Bildung, im sozialen Bereich und bei der Sicherung der Reallöhne.

Die Bundesregierung nennt offen das Ziel der die ganze Gesellschaft durchdringenden Militarisierung: Die Festigung Deutschlands nicht nur als wirtschaftliche, sondern auch als militärische Führungsmacht in Europa.

Die Rüstungsindustrie feiert enorme Umsatz- und Gewinnsteigerungen[3]. Wir aber wollen kein Deutschland als militärische Führungsmacht. Wir wollen, dass unsere Steuern nicht für das Töten, sondern für das Leben ausgegeben werden. Die Menschheit kann sich nicht zuletzt angesichts des Klimawandels eine solche Energie- und Ressourcenverschwendung wie die Rüstung nicht mehr leisten.

Beendigung aller Waffenlieferungen an die Ukraine!

Die Waffenlieferungen[4]  sorgen entscheidend dafür, dass dieser Krieg immer mehr eskaliert. Die Friedensbewegung hat immer Waffenexporte bekämpft. Viele haben vergessen, dass sich die Bundesregierung zunächst weigerte, überhaupt irgendwelche Waffen an die Ukraine zu liefern. Dann lieferte sie “leichte” Waffen, verbunden mit dem Versprechen keine “schweren” Waffen zu liefern. Dieses Versprechen war wohlbegründet: Es sollte eine Eskalation vermieden werden. Bundeskanzler Scholz verweigerte die Lieferung von Kampfpanzern im April 2022 mit der Begründung: “Es darf keinen Atomkrieg geben”[5]. Trotzdem wurden Kampfpanzer geliefert[6]. Es sollen sogar Kampfflugzeuge an die Ukraine geliefert werden. Gleichzeitig geht die Ukraine dazu über, den Krieg nach Russland hineinzutragen. Dass genau das nicht geschieht, war aber am Anfang eine Bedingung der Waffenlieferungen.

Keine Waffenlieferung hat die politische Führung der Ukraine bisher zufriedengestellt. Und auch auf deutscher Seite gibt es stets maßgebende Kräfte bei den Grünen, der FDP, der CDU/CSU und auch bei der SPD, die sich in eine Art Kriegstaumel gesteigert haben und ungerührt nach immer mehr Waffen rufen – mit dem Ergebnis, dass Deutschland auf Beschluss einer breiten Mehrheit im Bundestag sehenden Auges eine Eskalation bis hin zu einem Atomkrieg riskiert. Denkt niemand an die Menschen, die schon jetzt mit den von Deutschland gelieferten Waffen getötet werden? Denkt niemand daran, dass die Bevölkerung umso mehr leidet, je länger der Krieg dauert?

Je länger der Krieg dauert, um so höher steigen auch die Profite der Rüstungs- und Stahlindustrie. Wenn die Waffen bis zum Sieg der Ukraine geliefert werden sollen, wer wird damit kämpfen? Wann werden deutsche Soldaten unsere Freiheit in der Ukraine verteidigen ? Schon jetzt ist Deutschland Kriegspartei[7]. Denken die Regierenden nicht daran, dass der Krieg eines Tages noch viel vehementer auf Deutschland, auf uns alle zurückschlagen kann als es schon jetzt geschieht?     

Beendigung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland!

Immer umfassendere Wirtschaftssanktionen werden beschlossen, so schon bald nach Kriegsbeginn der Import-Stopp für Gas und Öl aus Russland. Zu wessen Nutzen, zu wessen Schaden?

Der frühere Bundespräsident Gauck propagierte schon früh diesen Import- Stopp als „ein Mittel, wo wir noch offener unsere Solidarität mit den Opfern der Aggression zeigen können.” Gauck weiter: „Wir können auch mal frieren für die Freiheit. Wir können auch mal ein paar Jahre ertragen, dass wir weniger an Lebensglück und Lebensfreude haben.” Die Preise und Gewinne steigen, die Reallöhne fallen – nicht für die Freiheit, nicht für die Menschenrechte, sondern für Krieg und Kapital.

Wirtschaftssanktionen sind Wirtschaftskrieg.

Der Import-Stopp führte auch nicht zum Ersatz fossiler durch erneuerbare  Energieträger, sondern nur zum erhöhten Verbrauch noch schädlicherer fossiler Brennstoffe (Braunkohle, Flüssiggas).

Im September 2022 wurden beide North-Stream-Pipelines durch einen Anschlag schwer beschädigt. Von wem, für wen? Schon am 8. Februar 2022 hatte der US-amerikanische Präsident Biden im Beisein vom Bundeskanzler Scholz angekündigt: “Wenn Russland die Ukraine angreift, dann wird es kein North-Stream 2 mehr geben. Wir werden dem ein Ende setzen. … Wir werden das schaffen.”[8]

Die Bundesregierung muss Initiativen für Verhandlungen unterstützen!

Bisher ist keine einzige Friedensinitiative von Seiten der Bundesregierung  ausgegangen.

Die NATO-Partner England und USA haben im letzten Jahr sogar dafür gesorgt, dass Friedenverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine abgebrochen wurden. Friedensinitiativen kommen von China, unterstützt von Brasilien. Auch die  afrikanischen Staaten wurden initiativ. Die NATO schweigt, die USA schweigen. Auch die Bundesrepublik schweigt.   

Die Politik gegen Russland verbinden die USA mit einer immer konfrontativeren Politik gegenüber China, rüsten Taiwan massiv auf und rütteln schon alleine dadurch an der Ein-China Politik, die bisher von fast allen Staaten respektiert und von China als “rote Linie” beschrieben wird. Der Dritte Weltkrieg ist eine reale Gefahr[9].

Die USA benennen den Grund in ihrer Nationalen Sicherheitsstrategie, die sie im letzten Jahr veröffentlichten, ganz offen: Sie sehen ihre Weltmachtstellung vor allem durch China gefährdet. China ist ihr Hauptfeind. Die USA erklären offen, dass sie im nächsten Jahrzehnt die Bedrohung ihrer Weltmachtstellung durch China beenden wollen.

Kollektive Sicherheit statt NATO! Raus aus der NATO!

Die Bundesregierung segelt im Windschatten der NATO und der USA und verfolgt dabei ihre eigenen Großmachtziele.

Deutschlands Politik nach Osten war über Jahrzehnte von imperialistischem Größenwahn getrieben, im Ersten Weltktieg zunächst gegen das zaristische Russland und im Zweiten Weltkrieg gegen die Sowjetunion. Im ‘kalten Krieg’ wurde dieser aggressive Konfrontationskurs von der NATO fortgesetzt – mit der  Bundesrepublik an vorderster Front.

Doch es gab auch eine andere Tradition, die Tradition der Politik der europäischen Zusammenarbeit und Entspannung, wie sie schon 1922 im Vertrag von Rapallo  und 50 Jahre später mit den Ostverträgen unter Bundeskanzler Willy Brandt entwickelt und dann auch von den nachfolgenden CDU-geführten Regierungen zumindest soweit fortgesetzt wurde, dass zum Beispiel über Jahrzehnte Erdgas-Lieferungen aus Russland sichergestellt waren. Doch diese Politik war nie  im Interesse der USA und wurde daher von den USA systematisch untergraben.

Die Politik der USA war darauf gerichtet, den Aufbau einer europäischen Friedensordnung unter Einschluss Russlands zu verhindern.

Die NATO löste sich nach dem Zerfall des Warschauer Pakts nicht auf. Es wurde kein gesamteuropäisches Sicherheitssystem unter Einschluss von Russland und den anderen ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten aufgebaut, im Gegenteil: Die NATO wurde – trotz gegenteiliger Versprechen –  nach Osten Richtung Russland erweitert. Dabei kommt der militärischen Anbindung der Ukraine an die NATO und ihre wirtschaftliche Einbindung in die EU eine Schlüsselrolle zu. Nur die Intervention Deutschlands und Frankreichs verhinderte 2008 eine Aufnahme der Ukraine in dieNATO. Noch am 14. Juni 2021 beschloss der Nordatlantik-Rat in Brüssel: „Wir bekräftigen unseren auf dem Gipfeltreffen 2008 in Bukarest gefassten Beschluss, dass die Ukraine ein Mitglied des Bündnisses wird.“

Zahlreiche Stimmen warnten, dass dieser permanente Konfrontationskurs unweigerlich auf einen Krieg hinauslaufen werde. Doch alle Mahnungen wurden in den Wind geschlagen.

Die NATO hätte den Vertrag unterschreiben sollen, den Russland im Dezember 2021 angeboten hatte. Die vorgeschlagenen Forderungen nach einer neutralen Ukraine und einem Rückzug von militärischen Kräften und Waffen hätten den Frieden sicherer gemacht.

Wer jede Zusammenarbeit mit Russland aufkündigt, weil es das Völkerrecht gebrochen hat, muss auch die Zusammenarbeit mit den USA beenden, die das seit Jahrzehnten in zahllosen Fällen tun. Stattdessen entschloss sich die Bundesregierung, Feuer mit Benzin zu löschen.

Die USA sind das einzige Land, das jemals Atomwaffen eingesetzt, die nukleare Rüstung am meisten vorangetrieben und schon im Jahr 2002 den ABM-Vertrag zur Begrenzung von Raktenabwehrsystemen und im Jahr 2019 den  INF-Vertrag[10] über die Vernichtung atomaren Kurz – und Mittelstreckenrakten aufgekündigt haben. “Die gesamten atomaren US-Rüstungspläne lassen wenig andere Schlüsse zu, als dass die USA tatsächlich eine nukleare Erstschlagfähigkeit anstreben …”.[11]  

Die NATO ist ein aggressives Militärbündnis, über das die USA als Führungsmacht dieses Bündnisses ihre Vorherrschaft in Westeuropa sichern und soweit wie möglich nach Ost ausdehnen wollen. Ihre „Politik der offenen Tür“ öffnete die Tore für den Krieg. Und das Schlachtfeld heißt nicht USA, sondern Europa.

Durch den “Kampf gegen den Terror” unter der Losung „Verteidigung unserer Freiheit und unserer Demokratie“ starben mehr als eine Millionen Menschen[12]  – und Länder wie der Irak, Libyen und Afghanistan versanken im Chaos. Nun wird „unsere Freiheit“ in der Ukraine verteidigt. Eine solche Denkweise führt direkt in den Abgrund. Wer so redet, wird sich irgendwann die Frage stellen, warum Deutschland nicht auch Soldaten gen Osten schickt. Dieser Amoklauf muss gestoppt werden. Mit jeder Waffenlieferung werden mehr Menschen getötet, sinkt die Schwelle zu einem Dritten Weltkrieg.

Zusammenarbeit statt Konfrontation – das war eine über Jahrzehnte gewachsene politische Überzeugung mit breiter gesellschaftlicher Unterstützung. Doch was gestern alternativlos war, soll heute nur noch naiv sein. Aber es war nicht ein Zuviel an Kooperation mit Russland, das in diesen Krieg geführt hat, sondern ein eklatanter Mangel an gleichberechtigter Zusammenarbeit aller europäischer Staaten in West und Ost.

Wir müssen raus aus dieser militärischen Eskalationslogik. Raus aus der NATO! Kollektive Sicherheit statt NATO![13]

Was können wir tun?

Es ist  Aufgabe der Friedensbewegung, sich der beschriebenen bedrohlichen Entwicklung entgegenzustellen, dafür alle Kräfte zu sammeln und von der Bundesregierung eine Politik der Verhandlungen, der Zusammenarbeit und der Friedenssicherung zu verlangen.

Die VVN muss diese Aufgaben als ihre eigenen Aufgaben begreifen und sich so als Teil der Friedensbewegung verstehen.

Die VVN hat zu wenig dafür getan, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Wer sich weigert, am Ostermarsch teilzunehmen, nimmt die Gefahr eines noch viel größeren Krieges als der, der jetzt schon in der Ukraine tobt, nicht ernst und treibt diejenigen, die gegen diesen Krieg sind, in die Arme der AfD. Mit der Losung “Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!” hat das nichts mehr zu tun.

Ist die VVN antimilitaristisch? Ja, das ist sie, die VVN ist gegen die Militarisierung der Gesellschaft und gegen das hundert Milliarden Sondervermögen für die Aufrüstung. Dann muss sie auch gegen Waffenlieferungen an die Ukraine sein.

Wir sollten uns nicht entzweien lassen – auch wir müssen immer im Gespräch bleiben, um unseren eigenen Konsens zu prüfen!

Um das friedenspolitische Hintergrundwissen zu stärken, haben Aktivisten der  VVN-VdA und der Berliner VVN-BdA eine Reihe von Veranstaltungen gegen den Krieg in der Ukraine initiiert und unterstützt. Wir tun das zusammen mit der Berliner FRIKO, der Initiative „1918unvollendet“, der AG Frieden der GEW Berlin, dem Bündnis gegen Rechts Spandau. In der VVN-VdA nehmen alle Bezirke teil, soweit sie aktiv sind: Tempelhof/Schöneberg, Neukölln, Spandau, Reinickendorf und Charlottenburg. Auch der Arbeitskreis Frieden der Berliner  VVN-BdA und die AG Antifaschismus Lichtenberg gehören zu diesem Bündnis.  

Eine Veranstaltung im Januar mit dem ehemaligen stellvertretenden Generalsekretär der UNO, Michael von der Schulenburg, stand unter dem Motto: “Es geht darum den Frieden zu gewinnen, nicht den Krieg”. Aus dem  Titel dieser Veranstaltung leitet sich auch der Name unseres Bündnisses “frieden-gewinnen” her. 

Eine Veranstaltung mit dem Schauspieler Rolf Becker “Blockade Leningrads von 1941 bis 1944“ zeigte die ungeheuren Verbrechen der deutschen Wehrmacht in der Sowjetunion. Alleine das müsste jeden dazu bewegen, zu sagen: “Aus diesem Krieg halten wir uns raus.”

Auf der dritten  Veranstaltung referierte Jürgen Wagner (IMI[14]) über Aufrüstung
und Militarisierung (https://www.youtube.com/watch?v=4_0kujHP4ys).

Die vierte Veranstaltung mit griechischen Kolleginnen und Kollegen stand unter dem Motto “Raus aus der NATO – NATO raus”.

Die fünfte Veranstaltung mit Werner Rügemer beschäftigte sich mit der Frage “Ukraine – welchen Staat unterstützt Deutschland eigentlich?”

Diese Veranstaltungsreihe “Es geht darum den Frieden zu gewinnen, nicht den Krieg!” wollen wir fortsetzen.

Zudem wollen wir für unsere Position, wie sie in dem vorliegenden Beschluss  zum Ausdruck kommt, in kleinerem und größeren Kreis werben.

Und schließlich wollen wir uns an zentralen Aktionen der Friedensbewegung, auch an denen der FRIKO, beteiligen und so die Friedensbewegung stärken. 

Beschlossen am 25. Juli 2023 mit 21 Ja-Stimmen gegen 2 Nein-Stimmen. 23 VVN-BdA – Mitglieder waren anwesend, ein Nichtmitglied hat nicht mit abgestimmt.


Zur Broschüre:

[1] Schwur von Buchenwald.

[2] BIP,  das ist der Wert aller Produkte und Dienstleistungen, die in Deutschland in einem Jahr hergestellt bzw. geleistet werden,  abzüglich der Vorleistungen.

[3] siehe Wirtschaftswoche vom 16.03.2023, https://www.wiwo.de/unternehmen/industrie/ruestungsindustrie-ruestungskonzern-rheinmetall-macht-2022-rekordgewinn-und-rechnet-mit-weiterem-wachstum/29041060.html  

[4] Aktueller Stand der Waffenlieferungen der Bundesrepublik Deutschland an die Ukraine: https://www.bundesregierung.de/breg-de/schwerpunkte/krieg-in-der-ukraine/lieferungen-ukraine-2054514   

[5] Im Interview mit dem SPIEGEL 22.04.2022, 16:59 Uhr, https://www.spiegel.de/politik/olaf-scholz-und-der-ukraine-krieg-interview-es-darf-keinen-atomkrieg-geben-a-ae2acfbf-8125-4bf5-a273-fbcd0bd8791c      

[6]  Siehe auch Beschluss des BT v. 28.02.2022, BT-Ds. 20/1550 https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw17-de-selbstverteidigung-ukraine-891272; siehe auch DIE ZEIT v. 27.04.2022, 17:43 Uhr: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2022-04/waffenlieferung-ukraine-koalition-union-gepard     

[7] https://www.sevimdagdelen.de/deutschland-ist-faktisch-kriegspartei/     

[8] “Auf Rückfragen in der anschließenden Pressekonferenz zur umstrittenen deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 sagte US-Präsident Joe Biden, dass ein russischer Einmarsch in die Ukraine das Aus für die Pipeline bedeuten würde. Im Fall einer russischen Invasion der Ukraine »wird es kein Nord Stream 2 mehr geben. Wir werden dem ein Ende setzen.« Auf die Frage, wie er das bei einem Projekt unter deutscher Kontrolle bewerkstelligen wolle, sagte Biden: »Ich verspreche Ihnen, dass wir es schaffen werden.« (SPIEGEL 07.02.2022, 22:23 Uhr; ein Ausschnitt der Stellungnahme Bidens auch auf Youtube zu sehen: https://www.youtube.com/watch?v=JOE0SX1Y1ps   

[9] Siehe Klaus von Dohnany am 22. Mai 2023 unter https://vvn-vda.de/25-juli-2023-friedenspolitische-erklaerung/

[10] Vertrag über die Vernichtung von boden – und landgestützten atomaren Kurz – und Mittelstreckenrakten – Reichweite zwischen 500 und 1.500 km; zur Aufkündigung siehe Jürgen Wagner, IMI-Analyse 2019/25  

[11] siehe Jürgen Wagner, IMI-Analyse 2019/25: https://www.imi-online.de/2019/08/05/inf-vertrag/   

[12] https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/Body_Count_first_international_edition_2015_final.pdf  

[13] „Verteidigungsbündnisse wie die NATO und “Systeme kollektiver Sicherheit” wie die UNO oder OSZE  reflektieren zwei entgegengesetzte Konzeptionen von Sicherheitsspolitik:

(1) Das Grundkonzept von Verteidigungsbündnissen basiert auf Sicherheit durch eigene Stärke und die Stärke der eigenen Verbündeten. Es verankert die eigene Sicherheit nicht zugleich in der Sicherheit des potentiellen Gegners, also gerade nicht in der gemeinsamen Sicherheit, sondern im Gegenteil in der relativen Schwäche und Unterlegenheit des potentiellen Gegners. Die Grundkonzeption kollektiver Sicherheit basiert dagegen auf der Sicherheit aller potenziellen Gegner durch Reziprozität und Gegenseitigkeit innerhalb einer internationalen Rechtsordnung. Er gründet auf dem Konzept der gemeinsamen Sicherheit.

(2) Die NATO steht – anders als das System kollektiver Sicherheit der UNO oder der europäischen OSZE – nicht jedem Beitrittswilligen offen, der die im NATO-Vertrag vernankerten Ziele anerkennt. Dementsprechend haben die NATO und ihre Mitgliederstaaten sowohl in den Jahren 1954/55 als auch im Zusammenhang mit den NATO-Osterweiterungen der letzten Jahre Begehren der früheren Sowjetunion und Russlands auf Einbeziehung in das NATO-Bündnis ausdrücklich ausgeschlossen.

(3) Der NATO-Vertrag enthält für den Fall eines von einem eigenen Mitgliedstaat begangenen Aggressionsaktes keine verbindlichen internen Konfliktregelungsmechanismen. Eine NATO-interne Verpflichtung der übrigen NATO-Partner, dem einen Aggesssionsakt begehenden NATO-Verbündeten mit kollektiven Zwangsmaßnahmen entgegenzutreten, sieht der NATO-Vertrag gerade nicht vor.

(4) Die NATO etabliert keine den Mitgliedstaaten übergeordnete Macht nach dem Modell der Vereinten Nationen.”

(D. Deiseroth “Das Friedensangebot des Grundgesetzes und der UN-Charta – … und die Bundeswehr?” Sonderdruck der IALANA)

[14] Informationsstelle Militarisierung, Tübingen  

Ukraine – welchen Staat unterstützt Deutschland da eigentlich?

Veranstaltung von “Frieden gewinnen, nicht den Krieg!” am 14. Juli 2023 in der Mediengalerie – Referent: Werner Rügemer.

Conny Renkl berichtet:

Um 18 Uhr war der Raum mit über 100 Personen übervoll. Einige KollegInnen nahmen es sogar in Kauf zu stehen. In der Begrüßung zu dieser fünften Veranstaltung in unserer Vortrags- und Diskussionsreihe stellte Kameradin Brigitte Renkl (VVN-VdA Neukölln) den Referenten vor:

Dr. Werner Rügemer ist in Bayern aufgewachsen. Hat in München, Tübingen, Berlin und Paris studiert. Er hat in Bremen über den Philosophen Arnold Gehlen promoviert (nicht zu verwechseln mit dem Faschisten, Militaristen und BND-Gründer Reinhard Gehlen – hier ergänzte Werner Rügemer dass Reinhard Gehlen der Bruder von Arnold Gehlen gewesen sei).
Werner ist freier Autor und publiziert u.a. in Ossietzky, jungeWelt und NachDenkSeiten. Er hat sich gründlich mit neuen Entwicklungen im Kapitalismus auseinandergesetzt wie den Riesenkonzernen der sog. digitalen Plattformökonomie, also Amazon, Microsoft, Apple, Meta-Facebook, Google-Alfabet u.a. Dazu die Konzerne der Finanzmärkte, die Hedgefonds oder die Private Equity Monster US-amerikanischer Provenienz wie z.B. Black Rock. Zu Black Rock, in dessen deutscher Repräsentanz bekanntlich CDU-Merz eine führende Rolle spielt, organisierte er ein Tribunal in Berlin zusammen mit Peter Grottian. Bekannt wurde besonders sein Buch: Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts. Im Blick hat Rügemer dabei stets nicht nur die Kapitalisten, sondern den zweiten Part im Kapitalverhältnis: Die lohnabhängigen Werktätigen und ihre Rechte. „Arbeitsunrecht“ und die „Fertigmacher“ heißen seine Bücher. Für sein mutiges Engagement wurde Werner auch mit Prozessen überzogen so vom Bankhaus Sal. Oppenheim (früher Pferdmenges, heute Deutsche Bank), von Du Mont und dem Institut zur Zukunft der Arbeit (gegründet von der Deutschen Post).

In einem neuen Prozess geht es am 10.8. in Köln um Zensur durch die Berliner Zeitung zugunsten solcher Ukraine-Aufrüster und Kriegsverlängerer wie Pistorius oder Strack-Zimmermann!

Wenn Werner Rügemer gelegentlich kritisiert wird, dass er zu sehr auf die USA als Bedrohung der Menschheit fixiert sei, so muss deutlich gesagt werden: Werner weiß sehr wohl zu unterscheiden zwischen dem US-Imperialismus, dem selbsternannten Weltgendarmen und dem Volk der USA, den amerikanischen Werktätigen, den Vielen, die wegen ihrer Hautfarbe oder ihrer Herkunft benachteiligt werden. Und in seinem Buch „Imperium EU“ erteilt er dem Großmachtgehabe der EU und seiner deutschen Hegemonialmacht eine deutliche Absage. Neu ist jetzt bei PapyRossa erschienen: „Verhängnisvolle Freundschaft – wie die USA Europa eroberten – Vom 1. zum 2. Weltkrieg“.

Zum Thema führte der Referent aus, dass die Ukraine kein selbständiger Staat sei, sondern Aufmarschgebiet für den „Westen“. Die Ukraine sei der höchstverschuldete Staat der Welt und erhält vom sonst so knauserigen IWF weiterhin Kredite zu unvergleichlich günstigen Bedingung. Die USA haben den Land-Lease Act wiederbelebt, der 1940 – im 2. Weltkrieg also – Großbritannien die Möglichkeit „nicht-monetärer Rückzahlung von Krediten“ eröffnete. Die Rückzahlung erfolgte dann nach dem Krieg durch „großzügige Überlassung von Stützpunkten im britischen Kolonialreich“. Die Ukraine sei auch der korrupteste Staat der Welt, seine Souveränität steht eigentlich nur noch auf dem Papier.

Die Ukraine ist der Schlüsselstaat zur Eroberung Eurasiens. In dieser Weise hat der bekannte US-Stratege Brzeziński die ehemalige Sowjetrepublik in seinem Buch von 1997 „Die einzige Weltmacht“ charakterisiert. Das Vorwort der deutschen Übersetzung hat immerhin der ehemalige deutsche Außenminister Genscher verfasst. Dort wird von einem kompakten Gebilde geträumt, das sich zur Abwehr Chinas von Lissabon bis Wladiwostok erstrecken müsse.

Bereits unter Präsident (von 1994 bis 2005) Kutschma wurde die Ulkraine „neoliberal zugerichtet“. Als Beispiele nannte Werner Rügemer u.a. Philip Morris. Die haben die ukrainische Zigarettenindustrie zu einem Spottpreis gekauft, mussten nur Niedrigstlöhne und praktisch keine Steuern zahlen. Die Ukraine wurde so zur Zentrale für den Zigarettenschmuggel in ganz Europa. Der Schaden, der der EU dadurch entstanden ist, wurde auf vier Milliarden Euro beziffert. Die EU-Kommission hat zwar geklagt. Es wurde ein Vergleich geschlossen, aber die Ukraine nie dazu angehalten, die geforderten Zahlungen zu leisten. Auch hier sei Black Rock als Aktionär von Philip Morris mit von der Partie.

Als weiteres Beispiel wurde ausgeführt, wie das Agrobusiness der Ukraine, die ja einer der größten Getreideexporteure der Welt ist, aussieht. Während etwa 7 Millionen Bauern ihre Existenz auf 2-3 ha Land fristen, ist das wirkliche Geschäft in festen Händen, nämlich in der Hand solcher Konzerne wie Cargill (größter Getreidehändler der Welt) John Deere (Landmaschinen), Glencore (mit Sitz in der Schweiz als Grundbesitzer und Verarbeiter) und nicht zuletzt Bayer/Monsanto (Düngemittel, Pestizide). Sie operieren mit ukrainischen Oligarchen, die ihren Sitz z.B. in Luxemburg oder Zypern haben.

In der Ukraine sitzen viele Zulieferer für deutsche und andere europäische Konzerne in der Auto-, Textil- und Pharmabranche. Der Mindestlohn betrug 2014 Euro 0,34, heute liegt er bei 1,21 Euro. 5 Millionen Wanderarbeiter verdingen sich in Rumänien, Polen u.a., wo der Mindestlohn bei 3 bis 4 Euro/h liegt.

Polnische Agenturen vermitteln ukrainische Frauen in der BRD für 24 Stunden Pflegejobs, bei denen aber nur 8 Stunden bezahlt werden (siehe der bekanntgewordene Fall vor dem Bundesarbeitsgericht).

Die von Selenskij 2022 durchgedrückte Arbeitsrechtsreform lassen jetzt sog. Null-Stunden-Verträge zu, bei denen nur bezahlt wird, wenn der Kapitalist tatsächlich die Arbeitsleistung abruft. Gegen Kündigungen kann nicht mehr geklagt werden. Gewerkschaften, die aus der Zeit der Sowjetunion noch über Häuser verfügen, können enteignet werden.

Besonders Frauen sind von der Verarmung betroffen. In der Ukraine herrscht ein besonders großes Auseinanderklaffen der Löhne für Frauen und für Männer. Besonders ausgebreitet hat sich die Leihmutterschaft, die in der Ukraine etwa 60.000 Euro kostet, während in den USA z.B. etwa 250.000 Dollars bezahlt werden. Das zum Thema „feministische Außenpolitik“.
Ausgerechnet Black Rock wurde zum offiziellen Koordinator des Wiederaufbaus der Ukraine ernannt. – Da weiß man doch wenigstens, dass nichts in falsche Hände kommt.

Nach dem Referat entwickelte sich eine angeregte Diskussion insbesondere auch um die Frage, ob die Ukraine ein faschistischer Staat sei. Werner Rügemer gab viele Hinweise zur Wiederbelebung der faschistischen Traditionen, meinte aber, dass die Debatte darum in die falsche Richtung weise; es genüge schon, was dieses arme Land unter der neoliberalen Knute zu erdulden hatte und hat. Es hatte bereits vor dem Krieg die ärmste und am meisten kranke Bevölkerung Europas.

Als Fazit hielt Kamerad Benedikt Hopmann fest, dass wir uns nicht nur in der militärischen Auseinandersetzung, sondern in einem sozialen Krieg befinden, den wir mit der wahnsinnigen Rüstungsoffensive und den damit überall drohenden Kürzungen im sozialen Bereich, bei Bildung und Gesundheit, mit den massiven Reallohnsenkungen zu verlieren drohen, wenn nicht die Gewerkschaften und die Friedensbewegung wieder zusammenfinden und den Kampf gegen Krieg und Kapitalismus führen. Dabei geht es auch, wie ein Teilnehmer erklärte, um die Durchsetzung der sozialen Menschenrechte, wie sie völkerrechtlich verbindlich im sog. UNO-Sozialpakt (1966) festgelegt wurden. Diese Seite des Völkerrechts bemühen unsere SpitzenpolitikerInnen lieber nicht.

Der vollständige Vortrag mit vielen weiteren aufschlussreichen Einzelheiten kann hier nachgelesen werden.

Achtung! verschoben; Achtung! Verschoben

die Veranstaltung am Montag, den 10. Juli, im Dragonerareal mit Werner Rügemer muss verschoben werden: Sie findet nun statt 

Zeit: Freitag, den 14. Juli um 18:00 Uhr OrtMediengalerie Dudenstraße 10, 10965 Berlin (U-Bhf. Flughafen Tempelhof).