„Die Bundesrepublik ist ein Asylland für Nazi-Mörder“ Das Tribunal – Mord am Bullenhuser Damm

Aus der Dokumentation: „Das Tribunal – Mord am Bullenhuser Damm“ 1986

Günter Schwarberg, Berichterstatter, Journalist Hamburg

Inhaltsverzeichnis

  1. Persönliches Vorwort vom Verfasser:
    1. Wer jetzt keine starke Nerven hat, sollte diesen beiden Teile überspringen:
    2. Jetzt kommt der Teil, wo eigentlich kein normaldenkender Mensch ruhig sitzen bleiben, um die Täter vor Gericht zu zerren, damit sie ihre gerechte Strafe bekommen:
    3. Täteraussage (Audio – Achtung beim Anhören, nicht für schwache Nerven)
    4. Die Opfer (Audio)
  2. Wurden die Täter verurteilt oder nicht?
    1. Curio-Haus-Prozeß
    2. Ein Täter wurde in der DDR verurteilt
    3. Ein Täter wurde von den Häftlingen erschlagen
    4. Nicht angeklagt wurden
  3. Zum Tribunal:
    1. Vorwort:
  4. Vorstellung der Beteiligten an diesem Tribunal
  5. Einleitung: Prof. Martin Hirsch
  6. Zeuge: Herr Morgenstein
  7. Heiner Lichtenstein, langjähriger Prozess-Beobachter von NS-Prozesse, sagte folgendes:
    1. Beenden möchte ich diesen Beitrag mit einen Satz aus dem Schlusswort, gehalten von der Nebenklägerin Barbara Hüsing
  8. Wortlaut Schlusswort: Barbara Hüsing
  9. Quellengaben und weiterführende Links
  10. Haftentschädigung für einen Massenmörder
  11. Widerstandskämpferin aus Holland klagt an

Persönliches Vorwort vom Verfasser:

Angefangen hat alles 1944, ein SS-Arzt, Dr. Kurt Heißmeier, brauchte Menschenmaterial für seine wissenschaftliche Arbeit, mit der er sich zum Professor habilitieren wollte. Mit einem zweiten Arzt, Dr. Hans Klein, erbeitete er an einen Versuch, bei dem Menschen mit Tuberkulose-Bakterien eingespritzt wurden, um aus ihren Körpern das Serum für einen Impfstoff zu gewinnen. Von der SS-Führung in Berlin bekam er die Erlaubnis, KZ-Häftlinge des Lagers Neuengamme als „Versuchstiere“ zu benutzen.

Obwohl sich herausstellte, dass die Experimente wertlos waren, ließ Heißmeier im November 1944 eine Gruppe von 20 jüdischen Kinder aus dem KZ Auschwitz nach Neuengamme bringen, um an ihnen die Experimente fortzusetzen. An einigen von ihnen führte er quälende Lungenimpfungen durch, indem er ihnen einen Gummischlauch durch Mund-und Luftröhre schon und die Tuberkuloselösumng hineingoss. Dabb ließ der den Kindern die Achseldrüsen herausoperieren. Erst die Rechte und später die Linke…. Dr. Hans Klein untersuchte diese Kinder ebenfalls. Am Ende der Versuche waren die Körper der Geschwüren und Narben übersät.

" ... nahm den zwölfjährigen auf seine Arme und sagte zu den anderen, die noch wach waren, er wird jetzt ins Bett gebracht. Er brachte ihn in einen Raum, der etwa sechs bis acht Meter entfernt war. Er hängte den schlafenden Jungen in die Schlinge, die an einen Haken hing, und hängte sich selbst dann mit seinem ganze Gewicht an das Körpergewicht des Jungen, damit sich die Schlinge zuzog."

Täteraussage (Audio – Achtung beim Anhören, nicht für schwache Nerven)

Foto: Screenshot Ingo Müller

Die Opfer (Audio)


Wurden die Täter verurteilt oder nicht?

Curio-Haus-Prozeß

Das Verbrechen wurde 1946 in den „Curiohaus-Prozessen“ rekonstruiert und fünf Täter zum Tode verurteilt.

Wilhelm Dreimann (1904–1946) wurde von der Landespolizei 1940 zur Bewachung des KZ Neuengamme eingesetzt. Im Lager führte er Exekutionen eigenhändig aus. Er wurde von Häftlingen als Henker von Neuengamme genannt. Er erhängte nach Aussagen von Frahm zumindest die ersten beiden Kinder und mit Hilfe von Wiehagen und Frahm auch die erwachsen Häftlinge.
Er wurde im Curio-Haus-Prozess zum Tode verurteilt und am 8. Oktober 1946 hingerichtet.



Johann Frahm (1901–1946) wurde 1939 im KZ Sachsenhausen ausgebildet. Ab November 1942 tat er Dienst im KZ Neuengamme, ab 1944 unter dem Rapportführer Dreimann in der Lagerschreibstube. Er war an der Ermordung der Kinder und der erwachsenen Häftlinge beteiligt.
Im Mai 1945 konnte er zu seiner Familie nach Kleve fliehen. Ende Oktober 1945 wurde er von den britischen Ermittlern verhaftet und wegen der Morde am Bullenhuser Damm im Curio-Haus-Prozess 1946 zum Tode verurteilt. Am 11. Oktober wurde er hingerichtet
Ewald Jauch (1902–1946) war von 1940–1944 erst als Wachmann, später als Rapportführer im KZ Neuengamme beschäftigt. Ab Dezember 1944 war er Lagerführer im Außenlager Bullenhuser Damm. Auch er war an der Ermordung der Kinder beteiligt und wurde deshalb 1946 im Curio-Haus-Prozess zum Tode verurteilt und am 11. Oktober gehängt.Adolf Speck (1911–1946) kam als Wachmann in das KZ Neuengamme und wurde im Sommer desselben Jahres der Kommandoführer im Klinkerwerk des KZs. Er galt als gewalttätiger Antreiber. Er bewachte in der Tatnacht zusammen mit Wiehagen die sowjetischen Kriegsgefangenen. Er gab im Curio-Haus-Prozess an, er habe einen der Häftlinge erschossen, weil ihm von den Häftlingen Salz ins Gesicht gestreut worden sein soll.
Im Mai 1946 wurde er zum Tode verurteilt und im Oktober 1946 hingerichtet.
Dr. Alfred Trzebinski (1902–1946) wurde 1941 Lagerarzt im KZ Ausschwitz, danach im KZ Majdanek. 1943 wurde er Standortarzt in Neuengamme. Er war in der Einrichtung der Sonderabteilung Heißmeyer auch mit den medizinischen Experimenten beschäftigt. Alfred Trzebinski war an der Ermordung der Kinder beteiligt.
Er versuchte nach dem Krieg unterzutauchen, wurde aber am 1. Februar 1946 verhaftet und im Curio-Haus-Prozess zum Tode verurteilt

Ein Täter wurde in der DDR verurteilt

Dr. Kurt Heißmeyer (1905–1967) war Arzt in Hohenlychen und wollte Professor werden. Dazu musste er medizinische Experimente durchführen. Er spritzte den Kindern Tuberkelbazillen und operierte die Drüsen unter den Armen heraus. Die Kinder bekamen davon hohes Fieber und hatten Schmerzen. Mit den Menschenversuchen wollte Heißmeyer beweisen, dass man Tuberkulose durch künstlich erzeugte Hauttuberkulose bekämpfen kann und dass „rassisch“ minderwertige Menschen eher anfällig sind für Tuberkulose. Die erste These war schon lange vor den Experimenten als wissenschaftlich unhaltbar in der Fachwelt bekannt. Die zweite These entsprang allein der Nazi–Ideologie. Nach dem Krieg konnte Heißmeyer noch fast zwanzig Jahre in der DDR als Lungenarzt praktizieren. 1964 wurde er schließlich verhaftet und 1966 vom Bezirksgericht Magdeburg wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe verurteilt. Im Urteil wurde festgestellt, dass mindestens vier Kinder zudem mit virulenten Tuberkulosebazillen injiziert wurden und er auch noch virulente Tuberkuloseerreger mit einer Sonde in die Lunge eingebracht hatte. Kurt Heißmeyer starb 1967 in der Strafhaft.

Dokumentation dazu:


Ein Täter wurde von den Häftlingen erschlagen

Heinrich Wiehagen (1911–1945) war Unterscharführer im KZ Neuengamme und half Wilhelm Dreimann und Johann Frahm bei der Erhängung der erwachsenen Häftlinge im Heizungskeller. Im Mai 1945 gehörte er zur Bewachung von Häftlingsschiffen, die in der Lübecker Bucht versehentlich bombardiert wurden. Er wurde von Häftlingen erschlagen, als er auf andere Häftlinge, die im Wasser schwammen, geschossen hatte.

Dokumentation;


Nicht angeklagt wurden

Hans Friedrich Petersen (1897–1967) war als Unterscharführer Fahrer der Poststelle des KZ Neuengamme. Er fuhr den Lkw mit den Kindern, ihren Betreuern, und sechs von den sowjetischen Kriegsgefangenen, die zum Bullenhuser Damm gebracht wurden. Er wurde nicht in den Curio-Haus-Prozessen angeklagt und noch nicht einmal als Zeuge vernommen, auch später nicht. Er starb 1967 im dänischen Sonderburg.

Arnold Strippel (1911–1994) war von 1935 bis Kriegsende als SS-Mann in Konzentrationslagern, erst im KZ Sachsenburg, dann von Juli 1937 bis März 1941 im Konzentrationslager Buchenwald erster Rapportführer. Ab März 1941 zunächst in Natzweiler (Saar), von Oktober 1941 an im KZ Majdanek, von Mitte Mai 1943 führte er das Zwangsarbeiterlager in Peenemünde. Von Oktober 1943 bis Mai 1944 war er Schutzhaftlagerführer im KZ Vught in den Niederlanden. Danach war er im KZ Neuengamme mit seinen zahlreichen Außenlagern tätig. 1945 tauchte er aus Angst vor der Bestrafung durch die Briten unter und lebte teilweise unter falschen Namen. Er kam 1948 in ein Internierungslager wegen seiner SS-Zugehörigkeit. Da noch nicht genug Beweismaterial gegen ihn vorlag, wurde er aus der Haft entlassen.
Schließlich wurde er aber am 1. Juni 1949 vom Schwurgericht Frankfurt zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe wegen Mordes an Häftlingen im KZ Buchenwald verurteilt. Er reichte gegen das Urteil Wiederaufnahmeanträge ein. Das Urteil wurde aufgehoben und er wurde 1970 nur wegen Beihilfe zum Mord zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt. Für die zuviel verbüßte Haft erhielt er eine Haftentschädigung von 121 500 DM. Danach musste er nie wieder in das Gefängnis, obwohl er vom Schwurgericht Düsseldorf 1981 wegen Beihilfe zum Mord im KZ Majdanek zu drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden war. Er galt aus gesundheitlichen Gründen als haftunfähig.
Mitte der sechziger Jahre ermittelte die Staatsanwaltschaft Hamburg gegen ihn wegen einer möglichen Beteiligung an Morden am Bullenhuser Damm. In den Curio-Haus-Prozessen hatten Trzebinski, Dreimann, Jauch und Frahm ihn der Mittäterschaft bezichtigt. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren jedoch ein, weil nach ihrer Meinung nicht genügend Beweise vorlagen.
Nach der Strafanzeige von Angehörigen der Opfer vom Bullenhuser Damm nahm die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen 1979 wieder auf.
Sie klagte ihn letztlich 1983 wegen 42-fachen Mordes an den 20 Kindern, den vier Häftlingsärzten und Pflegern und den sowjetischen Kriegsgefangenen an. Das Verfahren wurde vom Landgericht Hamburg 1987 eingestellt, weil Strippel aus gesundheitlichen Gründen als verhandlungsunfähig angesehen wurde.
1994 starb Strippel in Frankfurt.


Zum Tribunal:

Hier werde ich an Hand von Tonaufnahmen, die aus dem Film herausgeschnitten wurden, das Tribunal vorstellen;

Vorwort:

Der das befohlen hatte, der SS-Mann Arnold Strippel, ist wegen dieser Tat bis heute nicht belangt worden.


Vorstellung der Beteiligten an diesem Tribunal

Folgende Personen sind an den Tribunal beteiligt: u. a,


Einleitung: Prof. Martin Hirsch

Foto: Screenshot aus „Das Tribunal“

„Es geht um die Verurteilung eines Vorganges und es geht darum,
den Vorgang selbst und seine Hintergründe noch etwas besser aufzuklären, als das bisher der Fall gewesen ist.
Und zum anderen aber geht es darum, zu untersuchen, woran es liegt,
dass die deutsche Justiz, ich betone ausdrücklich das Wort Deutsch,
und ich muss richtigerweise sogar sagen die Westdeutsche Justiz der Bundesrepublik Deutschland, mit dem Problem der Verfolgung von Nazi-Verbrechern so schlecht fertig geworden ist.“

Martin Hirsch

Grabstelle von Martin Hirsch auf dem Berliner Friedhof in Dahlem. Foto: Ingo Müller, 26.07.2024


Zeuge: Herr Morgenstein

Die Angehörige der Kinder bzw. der Erwachsenen haben noch nicht einmal durch offizielle Behörden, Ämter bzw durch den Suchdienst des internationalen Volksamtes

Hierzu folgende Aussage: Herr Morgenstein berichte über seine Cousine Jacqueline


Foto: Screenshot aus „Das Tribunal“


Hauptsächlich geht’s es in diesen Tribunal, um die Verschleppung, Verhinderung bzw. um milde Strafen von Nazi-Tätern. Nicht nur um die Morde im Prozess des Bullenhuser Damm sondern auch Bundesweit. Hierzu schildert Herr Morgenstein in seiner Rede ausführlich darüber, wie er persönlich das ganze sieht.

"Es ist heute 40 Jahre, dass Strippel
diese Kinder ermordet hat, dass er die 24 russische
Kriegsgefangene erh¨angt hat, dass er die franz¨osische
Mediziner erh¨angt hat, die zwei Holl¨ander erh¨angt
hat. Er hat keine Differenz gemacht zwischen Juden
oder Nichtjuden, derselbe Strick war für alle
auch gütig und die deutsche Justiz heute verlängert
die ganze Suppe, bis er ruhig in seinem Bett sterben
muss."

Heiner Lichtenstein, langjähriger Prozess-Beobachter von NS-Prozesse, sagte folgendes:

"Ich habe allerdings noch nie derartig abartige Begründungen dafür gehört,
dass ein Mordverfahren nicht eröffnet wird, wie hier im Zusammenhang mit der Ermordung der Kinder.
Und was nun die neue Taktik des Staatsanwalts Duhn betrifft,
so scheint mir hier eine nachweisliche Verzögerung zu liegen,
bei der ich mir nicht klar bin, ob hier nicht strafrechtlich eingegriffen werden müsste gegen einen Staatsanwalt."
Foto: Screenshot aus „Das Tribunal“ – Heiner Lichtenstein.
"Mich hat überrascht, dass die Ermordung von Kindern,
wobei sich die SS-Leute an die Beine der Kinder hängen mussten,
damit sich die Schlinge um den Hals zuzog,
dass dieses kein Mord, dass dieses Nichtgrausam ist
und das mit der perversen Begründung, sie seien ja schon betäubt worden
und Kinder könnten nicht arglos sein.
Ich hatte da sehr mit der Fassung, mit meiner eigenen Fassung zu kämpfen,
als ich das gehört habe."


Beenden möchte ich diesen Beitrag mit einen Satz aus dem Schlusswort, gehalten von der Nebenklägerin Barbara Hüsing

Wortlaut Schlusswort: Barbara Hüsing

Foto: Screenshot aus „Das Tribunal“




„Das Tribunal – Mord am Bullenhuser Damm“ ( privater Mitschnitt des gleichnamigen Film mittel Videorecorder, 1986), liegt im Archiv der VVN-VdA Aus,

Tonauschnitte aus dem gleichnamigen Film

https://www.kinder-vom-bullenhuser-damm.de/index.php

Fotos: Screenshot, von Ingo Müller, aus Film.


Haftentschädigung für einen Massenmörder

Eine Reise in die Vergangenheit und Zurück. Ein dreiteiliger Report aus der Zeitschrift; „Die Wahrheit“ aus dem Jahre 1982

Haftentschaedigung-fuer-Moerder

Quelle:

Original Archiv der VVN-VdA


Widerstandskämpferin aus Holland klagt an

Widerstandskaempferin-aus-Holland-klagt-an

Zeitungsausschnitt aus „Die Wahrheit – 17081979“ Original Archiv der VVN-VdA

VVN-VdA Reinickendorf

Inhaltsverzeichnis

08.Mai 2024 Ehrung der Opfer des Faschismus anlässlich des Tags der Befreiung

Ehrung gefallener Sowjetsoldaten und von Zwangsarbeiterkindern

Um 10 Uhr trafen sich Mitglieder der Linken Reinickendorf, der VVN-VdA Reinickendorf und weitere Bürger*innen auf dem Russischen Friedhof in Tegel, um der dort begrabenen Opfer des Faschismus zu gedenken. Hier liegen Sowjetsoldaten begraben, die bei der Befreiung Berlins gefallen waren. Auch Zwangsarbeiter*innen und deren Kinder fanden hier ihre letzte Ruhe. Wir legten rote Nelken auf den Gräbern nieder.

Anschließend legten wir Nelken am Alten Anstaltsfriedhof auf dem Gelände der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik nieder.

Foto und Text: Rechteinhaber Linke Reinickendorf

Gerhard Hanloser – Geschichte und Wirkung der „Antideutschen“

Vor gut 20 Jahren, zum Irakkrieg 2003, hatte die sogenannte „antideutsche Szene“ publizistisch und aktivistisch ihren Höhepunkt. Mit dem Begriff antideutsch ist eine politische Strömung gemeint, die aus der Linken kommt. Sie hat Kernbestandteile eines emanzipatorischen und kritischen Denkens allerdings aufgegeben, befleißigt sich eines aggressiven Militarismus und sieht in der Friedensbewegung und realen antikapitalistischen Bewegungen ihren Hauptfeind. Von „den Antideutschen“ wird mittlerweile kaum geredet. Ihr Denken und Agieren ist allerdings mit einigem Erfolg in der vorherrschenden deutschen Öffentlichkeit angekommen. Auch haben einige ihrer Protagonisten diskursive Machtpositionen ergattert.

Zu den «Antideutschen» gibt es bisher keine umfassende Untersuchung. Deswegen soll dieser Sammelband als ein erster, wenngleich parteiischer Zugang vorgestellt werden, der sich dem Phänomen derjenigen Strömung widmet, die sämtliche Nahost- und Antisemitismusdebatten der vergangenen Jahre mitbestimmte und zum Teil auch dominierte.

Sie sind bekannt aus der linksradikalen Szene, als Besucherinnen wie auch Störerinnen von Veranstaltungen und Demonstrationen, die immer schwere Vorwürfe im Munde führen: Antisemitismus, Antiamerikanismus, Volksgemeinschaft oder Barbarei. In der traditionellen Linken stoßen sie bei ihren Interventionen meist auf bloßes Unverständnis; viele nehmen ihre «antideutsche Ideologie» (Robert Kurz) als kruden Mix aus abgrenzungsfixiertem Identitätswahn, bürgerlichem Wohlstandschauvinismus, blinder Israel- und US-Apologie und als «Alles-antisemitisch-außer-wir-Ressentiment» wahr. weiterlesen hier:

Am 14. April 2024 fand in den Stadtteil- & Infoladen Lunte eine interessante Veranstaltung mit Gerhard Hanloser zur Geschichte und Wirkung der „Antideutschen“ statt. Eingeladen hatte hierzu die VVN-VdA.

Von dieser Veranstaltung stellen wir das Referat von Gerhard Hanloser, den Diskussionsbeitrag von Benedikt Hopmann sowie die zwei Antwortrunden von Gerhard und sein Schlusswort zur Verfügung.


Eröffnung durch Rüdiger Deißler, VVN-VdA, – Audio

Tonaufnahme: Ingo Müller


Vorwort von Abel, Infoladen Lunte – Audio –

Tonaufnahme: Ingo Müller

Begrüßung: Abel – Infoladen Lunte

Die LUNTE ist ein Stadtteil- und Infoladen in Nord-Neukölln, der seine Ursprünge in der autonomen Selbstorganisierung der 1980er Jahre hat. Die LUNTE ist ein Ort, wo diese politischen Theorien und Praxiserfahrungen diskutiert, gelebt, weiterentwickelt und umgesetzt werden. Daher prägen die Stadtteilarbeit, die Teilnahme an sozialen, ökonomischen und politischen Kämpfen, Selbstorganisation, Solidarität und die gegenseitige Hilfe maßgeblich die Strukturen der LUNTE.


Rüdiger stellt Gerhard Hanloser vor – Audio –

Tonaufnahme: Ingo Müller


Referat Gerhard Hanloser – Audio –

Video: Ingo Müller

00:52 Ich möchte heute einen Zugang zu der Geschichte der Antideutschen präsentieren. 01:50 Als 1989/90 die DDR unterging 05:49 In den Anfangsjahren der 90er war die antideutsche Kritik also noch eine Form radikalisierter linker Politik 06:50 trommelten Intellektuelle aus der Linken für den Golfkrieg 1991 07:40 Anhand von drei wichtigen weiteren Protagonisten der antideutschen Szene 10:46 Halten wir fest: Antideutsche sind eine aus der Linken kommende politische Strömung 11:36 Zum Milieu, das schließlich die Linke prägen sollte wurden die Antideutschen nach dem 11.September 2001 13:35 „Warum in drei Teufels Namen war man gegen den Krieg der Amerikaner und Briten zum Sturz des faschistischen Baath-Regimes? 14:28 In dieser Zeit gab es Hardcore-Antideutsche wie die bahamas 17:32 Im zuge der Al Aqush-Intifada 2003 waren die Fronten für die antideutschen klar: Israel als selbsterklärter jüdischer Staat wird von Antisemiten angegriffen

19:43 Ein trauriger jüngerer Höhepunkt dieser Entwicklung stellte der auch in größeren Zeitungen rezipierte Szene-Streit um den Bahamas-Autoren Thomas Maul dar, 20:56 Der Sommer der Migration 2015 stellte für einen Teil des vormalig antideutschen Milieus ein Kairos dar, der Zeitmoment forderte eine Entscheidung. 22:41 Beispielhaft hervorgehoben werden soll Stefan Grigat aus Österreich, 24:16 Ging es den Marschierern durch die Institutionen in den 70ern um eine Verbreitung linker 25:09 Der ehemalige Bahamas-Autor Samuel Salzborn 27:25 Sie sind sich darin auch einig mit rechtsorientierten Israelfreunden und Verfassungsschützer.


Gerhard beantwortet die 1. Fragerunde: – Audio –

Tonbearbeitung; Ingo Müller

Gerhard Hanloser beantwortet die 1. Fragerunde

00:46 Und da kann ich im Grunde an die letzte Frage anknüpfen, was bewegt diese Leute?

08:28 Ach, die Antilopen-Gang!

09:59 Ein Text, der tatsächlich sich nicht entblödet, die Massaker der Hamas so darzustellen, dass die Hamas die Nachfolge, die wirklich in einer rein linearen Nachfolge zu den Nazitätern stehen würde.


Diskussionsbeitrag Benedikt Hopmann – Audio –

Benedikt Hopmann nahm in der anschließenden Diskussion dazu Stellung. Man könnte seine Stellungnahme in der Überschrift zusammenfassen: „Back to th roots“:


Gerhard beantwortet die 2. Fragerunde – Audio –

Gerhard Hanloser beantwortet die 2.Fragestunde

00:00 Was du sagst, ist völlig richtig. Die 90er- Jahre waren von genau diesen Fragen geprägt. Es gab natürlich auch immer wieder Vorstöße, was die Vergangenheitspolitik anbelangt.

01:19 Die Frage, und das berührt glaube ich den Begriff des Antifaschismus, also es gab ja im Grunde schon relativ früh, wenn wir jetzt kommunistische Faschismusanalysen uns angucken, gab es ja schon relativ früh Versuche, den, ich spreche mal von einem Massenkonsens, diesen Massenkonsens, den es teilweise gab, zu analysieren.

02:18 Man darf nicht vergessen, der Nazismus war ja etwas anderes als eine Diktatur, sondern eben Faschismus macht im Grunde diesen Bewegungscharakter aus.

03:08 Und was du geschildert hast, dass eben auch normale deutsche Soldaten begeistert beim Morden an der Ostfront dabei waren, ist einfach Fakt. 04:15 Ein Antifaschist, der nur Antifaschist ist, ist kein Antifaschist. Was heißt das?


Diskussionsbeitrag Abel – Audio –


Gerhard beantwortet die 3. Fragerunde und Schlußwort – Audio –

Bearbeitung: Ingo Müller

Gerhard beantwortet die 3. Fragerunde und Gleichzeitig Schlusswort.

00:00 Also zum Schluss, oh, dann bin ich jetzt gefordert, das alles zusammenzubinden, das ist natürlich schwierig mit Tokotronik und Wertkritik und Imperialismus und Antifa, also das ist ein bisschen schwierig.

03:18 Es hat vielleicht so ein bisschen was von einer jugendlich-subkulturellen Szene- Selbstpositionierung, und da waren die Antideutschen tatsächlich irgendwie auch führend und die konnten da auch Leute Angebote machen

10:16 Der Hauptfeind steht im eigenen Land. Und nie wiederkriegstüchtig. Der alte Antimilitarismus eines Karl Liebknecht und auch anderen. Für mich ist auch gerne der Antimilitarismus der Anarchisten.

11:16 Danksagung an Gerhard


Esther Bejarano in: „Zeit der Verleumder“ – Video –

Esther Bejarano und Konstantin Wecker, 2019, Foto: Ingo Müller

Esther Bejarano:

„Was Adolf Hitler und die Nationalsozialisten dem jüdischen Volk angetan haben, – Vernichtung von sechs Millionen Menschen, Holocaust -, darf nicht die Rechtfertigung Israels für die Diskriminierung des palästinensischen Volkes sein. …

Ich habe nicht das Vernichtungslager Auschwitz, das KZ Ravensbrück und den Todesmarsch überlebt, um von sogenannten Antideutschen und Konsorten als Antisemitin beschimpft zu werden.“ (Esther Bejarano in dem Video „Zeit der Verleummder“, siehe unten, ab 1:36:58 ff.)

Unterstützt dieses Projekt Kritische Aufklärung! Werdet Abonnenten hier! Das Projekt ist auf Spenden angewiesen, unterstützen Sie es mit einem kleinen Beitrag via PayPal: pkakonferenz@googlemail.com


Esther Bejarano: Appell an die Künstler 2019 – Video –

Esther Bejarano in einem Appell im Jahr 2019: „Unsere Politiker lassen zu, dass mit Waffen gehandelt wird, dass Waffen in Länder verkauft werden, in denen der Krieg wütet. Mit Waffenhandel wird viel Geld verdient. Aber wer denkt an die vielen Menschen, die mit diesen Waffen getötet werden? Ich möchte aufschreien wegen solcher Unmenschlichkeit“

Video: Ingo Müller, 2019

Gastbeitrag von E. M.

Bei der Veranstaltung am 14.04.2024 in der Lunte in Neukölln hatten wir Gerhard Hanloser (Publizist aus Freiburg) eingeladen, der über die Antideutschen deren Entstehung und Geschichte referierte. Die Veranstaltung war sehr gut besucht, selbst vor der Tür standen noch Leute um seinem Vortrag zu lauschen. Was ihm mit seiner kraftvollen, lebendigen Stimme gut gelang. ( Anm. I. M. sehe Bild Links, Zuschauer vor der Tür mit neugierenden Blicke. Foto: Ingo Müller)

Erfreulich war auch, mit diesem Thema auch junge Menschen erreicht zu haben, die am Ende sehr gute und interessierte Fragen stellten.

Gerhard Hanloser hat hierzu auch ein Buch geschrieben „ sie waren die antideutschesten der Antideutschen“(Unrast, 2004 – 292 Seiten)


Weitere Buchvorstellungen

Die andere Querfront
Skizzen des antideutschen Betrugs

»Weder taugen die Antideutschen als Kritikerinnen deutscher Verhältnisse, noch ist von ihnen irgendein kluger Gedanke zu erhaschen oder eine Theorie über die hiesigen oder gar internationalen Entwicklungen; schon gar nicht über den Antisemitismus, den sie laufend beschwören. Sie sind mittlerweile Bestandteil eines politische Lager übergreifenden, Bürger- wie Staatenkriege bejahenden Blocks, der jeglicher Emanzipation, jeglichem Aufbruch, ja selbst der Verhinderung des Schlimmsten, das heißt einer autoritär-rechten Formierung von Gesellschaft und Staat, entgegensteht.« – Aus dem Vorwort Weiterlesen hier:

Krise und Antisemitismus
Eine Geschichte in drei Stationen von der Gründerzeit über die Weltwirtschaftskrise bis heute

Das Buch beschreibt auf dem Hintergrund der Marxschen Krisentheorie die großen Kriseneinbrüche und die in ihnen auftretende Wirkungsmächtigkeit des Antisemitismus. Eine besondere Rolle spielt hier die Behandlung und Wahrnehmung des Geldes in der Krise. Geld wird hier nicht nur als “ökonomische” Größe, sondern als die zentrale Bezugsgröße im Kapitalismus angesehen, die die gesellschaftlichen Verhältnisse fetischisiert und zu antisemitischen Ideologien einlädt. Anhand von drei Fallstudien wird dieser Zusammenhang aufgezeigt: die Gründerkrise 1873, in deren Verlauf moderne antisemitische Parteien und Agitatoren zum ersten Mal in Deutschland die Börse mit dem Judentum gleichsetzten, die Weltwirtschaftskrise 1929 und die nationalsozialistische Antwort darauf, sowie die heutige Zeit der krisenhaften “New Economy”. Weiterlesen hier: