Formen und Wesen des Faschismus

Der nachfolgende Text unseres Kameraden Conny Renkl wurde im Verbandsorgan des Deutschen Freidenkerverbands „Freidenker“ (Heft 2-2025) veröffentlicht. Er ist dort Teil der Debatte um „Formen, Wesen, aktuelle Gefahren Faschismus mit Beiträgen von Helmut Selinger, Patrik Baab, Diether Dehm und Christel Buchinger.


Bisher machen die im deutschen Bundestag vertretenen Parteien ihre Arbeit doch wirklich ordentlich – jedenfalls fürs Kapital, genauer fürs große Finanzkapital. Man lässt stöhnen und ächzen im Berliner Politporno: Kein Wachstum, die Krise, die Kriege, die Bürokratie, Trump und die Zölle, und China … Aber ein Blick auf den Dax – immer neue Rekordmeldungen. Ein Blick auf die Bilanzmitteilungen: Profite, dass es kracht – auch wenn natürlich etwa ein Rückgang des Profits z.B. bei Volkswagen auf „nur noch“ 12,4 Milliarden Euro für 2024 von der Wirtschaftspresse bejault wird: „Gewinneinbruch von 31%!“. Da scheint in Wirklichkeit doch die Sonne bei den Eigentümerfamilien von VW, bei den Porsches und Piëchs, die gar nicht mehr wissen, wohin mit dem vielen Geld. Selbst die Betriebsschließer von ThyssenKrupp oder von Schaeffler-Conti schütten Dividenden aus, von Rheinmetall und Airbus ganz zu schweigen. Die brauchen doch keinen Faschismus, sollte man meinen.

Die brauchen doch keinen Faschismus

Kohl, Schröder, Merkel, Scholz und Merz als Kanzler, parlamentarisches Geplänkel, Selbstbedienung an den Futtertrögen, Lügen, Betrügen und warme Worte. SPD hält die Gewerkschaften und die Arbeiter zahm, die Linke soll den Osten besänftigen, die CSU/CDU hält das Kleinbürgertum bei gedämpftem Jammern, vom Weltuntergang gelegentlich Betroffene werden durch die Grünen aufgefangen, für den Glauben an den Wiederaufstieg durch Leistung nach dem Ende der Geschichte gibt es immer mal wieder FDP und um die ewig Unzufriedenen einzubinden, hat man schließlich die AfD aufgepäppelt. Die darf dann die alten und neuen Nazis mit dem Kofferträger von CDU-Wallmann (Gauland), dem früheren BDI-Präsidenten Olaf Henkel (ausgetreten), den alt-junkerlichen Relikten (Beatrix von Storch), den Aufguss von Offizieren, Schulmeistern und Bürokraten aus allen Alt-Parteien zusammenpacken, um Hetze auf Flüchtlinge zu treiben. Irgendwer muss dem deutschen Michel ja zeigen, dass er nach unten treten muss, um fürs Buckeln nach oben gelobt und belohnt zu werden. Und um das Bild der Republik abzurunden: 20 bis über 50 Prozent Nichtwähler – prima, solange sie indifferent bleiben: „… etwas Zähes, trieft aus den Verstärkerämtern …“ meinte einmal Enzensberger zu diesem in 75 Jahren gedunsenen Gebilde namens BRD.

Da braucht es doch keinen Faschismus. Da ist die Bundeswelt in Ordnung. Und jetzt auch noch über eine Billion für die Aufrüstung. Die Mittel für die „Infrastruktur“ kann man getrost bei den Kriegskrediten dazuzählen: Lazarette statt Krankenhäuser, Bunker statt Wohnungen und schließlich zur Beruhigung der Grünen vielleicht der Leopard in der Elektroversion (?). Alles durchgesetzt, von allen abgenickt, nicht einmal bescheidene Oppositionsmöglichkeiten genutzt. Kein Aufschrei, keine Massenmobilisierung.

Wofür brauchen sie denn dann den Faschismus? Aus berufenem Mund war da früher mal zu hören: „Die primitiven Instinkte des Menschen gehen dahin, dass er von Natur faul ist. Wenn er viele Jahre nichts getan hat, ist er der Arbeit entfremdet und will nicht mehr arbeiten. Infolgedessen muss die Masse so schnell wie möglich wieder zur Arbeit erzogen werden. Abgesehen davon gehen den Menschen auch die idealen Begriffe verloren. 50% wollen nichts mehr vom Staat wissen und empfinden ihn als Zwangsjacke, 50% bezeichnen jedes Privateigentum als Diebstahl. Dies bedingt einen inneren unüberbrückbaren Zerfall, der eine Kraftprobe nie bestehen kann. Für jeden Staat ist Vorrausetzung die Einigkeit im Innern.1

Dafür brauchen sie den Faschismus

Das ist des Pudels Kern. Weit mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung ist auch heute trotz massiver Gehirnwäsche noch immer nicht für Krieg, Wehrpflicht, Aufrüstung. Die sind immer noch skeptisch mit Privateigentum und Kapitalismus und sehen diesen Staat nicht als Vertreter ihrer Interessen. Wenn man Krieg führen will, dann muss denen Mores gelehrt werden. Dann muss nicht nur der „Marxismus mit Stumpf und Stil ausgerottet“ werden, wie Hitler in der gleichen Rede verlangt; dann müssen auch Pazifisten, sonstige Weicheier, Warmduscher dran glauben. Wehrdienstverweigerung – in den „Bau“, Putinversteher – an die Wand.

Man muss kein Hellseher sein: Kriegstüchtig bis 2029 wird man mit Loveparade-Mentalität nicht, und mit sozialdemokratischen Bedenkenträgern auch nicht. Für ihre Weltmachtambitionen müssen die deutschen Imperialisten nicht nur drohen, sondern auch glaubwürdig angreifen können. Um den dafür notwendigen bedingungslosen Gehorsam, die Killermentalität und Todessehnsucht durchzusetzen, dafür werden vermutlich parlamentarische Formen der Diktatur des Finanzkapitals nicht reichen, dafür braucht es vermutlich offene terroristische Formen der Kapitalherrschaft. Es braucht den brutal zur Schau gestellten Zwang einer geballten Macht – nicht durch Gewerkschaften, NGOs, u.a. eingeschränkt -, um das eigene Volk an die Schlachtbank zu treiben. Kommt dann noch die wirkliche Krise mit weiteren Millionen Erwerbslosen, mit Unruhen aus den Betrieben und auf den Straßen, wenn gar der Kapitalismus in Frage gestellt wird, dann kommt eine weitere Ursache für den Griff nach offen terroristischen Formen zum Vorschein. Das nennt man gelegentlich „präventive Aufstandsbekämpfung“. Wir nennen es Faschismus.

Kurt Gossweiler: Aktiven und passiven Widerstand gegen Krieg brechen

Kurt Gossweiler formulierte das – in einer Auseinandersetzung mit Corell so: „Wir deutschen Kommunisten waren damals, 1932/33, überzeugt davon, es sei die Furcht der herrschenden Klasse vor der sonst unausweichlichen proletarischen Revolution, die sie zum Faschismus als letzte Rettung vor Sowjetdeutschland greifen ließ.

Diese Ansicht herrschte auch in der Kommunistischen Internationale vor und fand ihren Niederschlag gleich am Anfang des Referats von Georgi Dimitroff auf dem VII. Weltkongress mit der Feststellung, die Bourgeoisie greife zum Faschismus, weil sie ‚nicht mehr im Stande ist, die Diktatur über die Massen mit den alten Methoden der bürgerlichen Demokratie und des Parlamentarismus aufrechtzuerhalten.‘ Meine späteren Forschungen haben mir aber gezeigt, dass diese Einschätzung auf einer Überschätzung der eigenen, der revolutionären Kräfte, und einer Unterschätzung der Möglichkeiten der herrschenden Klasse zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft auch ohne Errichtung der faschistischen Diktatur beruhte. Wenn ihre entscheidenden Kräfte dennoch zielstrebig auf eben dieses Ziel hinarbeiteten, dann nicht, weil dies die einzige Alternative zur Erhaltung ihrer Herrschaft gewesen wäre, sondern weil ihr Ziel, das sie seit 1918 nie aus dem Auge gelassen hatte – eine zweite, besser vorbereitete Runde im Kampf um die Weltherrschaft – nur durch radikale Ausschaltung jeglichen Widerstandes im Innern, also vor allem durch die Vernichtung der legalen Organisationen der Arbeiterbewegung, zu erreichen war. … die aggressivsten Kreise der deutschen Monopolbourgeoisie übergaben die Macht an die deutschen Faschisten, weil sie alleine in ihr die Kraft sahen, die entschlossen und fähig war, radikal und ohne jegliche Hemmungen alle Hindernisse aus dem Wege zu räumen, die Widerstand leisten könnten gegen die forcierte Vorbereitung und die Auslösung des nächsten Krieges um die Eroberung der Weltherrschaft.“

Und Kurt Gossweiler fasst zusammen: „Die geschichtlichen Erfahrungen haben gezeigt: Die imperialistische Bourgeoisie wählt den Weg des Überganges von der bürgerlichen Demokratie zu einem Staat faschistischen Typs nicht nur dann, wenn es gilt, ihre Herrschaft gegen eine drohende proletarische Revolution zu verteidigen, sondern auch dann, wenn es ihr darum geht, jeden inneren und äußeren Widerstand gegen einen von ihr geplanten oder bereits entfesselten exzessiven Expansionskrieg oder gar einen Krieg um die Weltherrschaft unmöglich zu machen oder niederzuhalten.“2

Zum Wesen des Faschismus an der Macht

Als Wesen des Faschismus an der Macht haben wir also im Gegensatz zu bürgerlichen Ansätzen, die den Faschismus einem durchgeknallten Führer, oder dem Kleinbürgertum oder dem Deutschen oder dem Bösen an sich anlasten, festzuhalten: Offen-terroristische Herrschaftsform des Finanzkapitals – und hierbei seiner reaktionärsten, am meisten chauvinistischen und imperialistischen Elemente. Letztere Charakterisierungen weisen darauf hin, dass im Finanzkapital selbst scharfe Auseinandersetzungen stattfinden, ob der Weg von Reform und Betrug gegenüber der Arbeiterklasse (als der für die Herrschaft des Finanzkapitals einzig wirklich gefährliche Klasse) verlassen werden soll, ob die zuverlässige Stütze durch sozialdemokratisch geführte Arbeiteraristokratie und Arbeiterbürokratie in Gewerkschaften, Betriebsräten, Sozialverbänden usw. davongejagt werden soll. Und stattdessen eine buntscheckige, unberechenbare und abenteuerliche Massenbasis aus dem Kleinbürgertum mit terroristischen Willkürbefugnissen an die Macht gehievt werden soll.

Denn das ist der klassenbezogene Inhalt beim Umschlag von Quantität in Qualität, beim Umschlag von der Staatsform der bürgerlichen Demokratie zur Staatsform des Faschismus.3 Und das wird aus Erfahrung kein schleichender Übergang sein, sondern eine Konterrevolution, die sich zuspitzt und über Monate und sogar Jahre blutig hinziehen kann. Italien 1922 bis 1926, Deutschland 1933/34, Chile 1973 als historische Beispiele. Die konterrevolutionären „bunten Revolutionen“ in osteuropäischen Ländern 1989 ff., die die Niederlagen des Sozialismus in Europa besiegelten, sollte man damit nicht vergleichen, da sie von der Klassenherrschaft der Arbeiter und Bauern zurück zur Klassenherrschaft einer vom Imperialismus gestützten heimischen Bourgeoisie geführt haben, die mit den Segnungen der bürgerlichen Demokratie locken musste, Der Maidan Putsch 2014 dagegen gibt schon viel mehr Hinweise, wie der gewaltsame Übergang, dieser qualitative Sprung, zu einem neuerlichen Faschismus aussehen könnte.

Die Vorbereitung des Faschismus heute

Der Umsturz kommt aber nicht aus dem Nichts, er hat Schritte, Vorbereitungsetappen, ihm geht ein reaktionär-militaristischer Staatsumbau voraus, wie es die DKP richtig charakterisiert.4

Ein Szenario für die Entwicklung zum Faschismus in der BRD habe ich in KAZ 390 skizziert:

Dabei wird – so das Kalkül der aggressivsten Kräfte im deutschen Finanzkapital – die SPD-Führung den Niedergang ihrer eigenen Partei forcieren und die Entwaffnung der Arbeiter und aller Werktätigen als handlungsfähiger Teil der Gesellschaft, als Klasse vorantreiben. Sie soll die Militarisierung vorantreiben, die Gesetze machen, die dann von den Ultrarechten und Faschisten und ihrem Mob genutzt werden können, um den Übergang zu einer offen terroristischen Diktatur als ,Notstand’ und seine Überwindung zu tarnen. Denn: Zunehmende Krise und Erwerbslosigkeit, Lähmung von Parlament und Regierung – ,Unregierbarkeit’, Schüren von Hoffnungslosigkeit und Wurstigkeit – das soll dann der von der SPD-Führung vorbereitete Boden sein, auf dem nach der ,Starken Hand’, dem ,Aufräumen’, den ,Notverordnungen’ und wenn nötig dem Faschismus gerufen werden kann. Und dann braucht es nur noch einen neuen Kriegsherd, ein großes Attentat …. Das ,Kochen der Volksseele’ besorgen dann schon CSU und AfD und die Döpfners von Springer, die Mohns von Bertelsmann … Und im Untergrund sammeln sich die bewaffneten Schergen des Faschismus, die seit langem schon herangezogen werden bei KSK, Uniter, Nordkreuz … Noch ist der Faschismus nicht ums Eck. Aber wie sehr die Bande und ihr dreistes Auftreten schon zur Normalität wird, dafür haben wir doch die Zeichen: Die Meloni, die Le Pen – wie sie inzwischen auch von relevanten Großkapitalisten hofiert werden – und bei uns in Landtagswahlen schon bald 30% für die AfD, ohne dass die Gewerkschaften ernsthaft die Gegenwehr vorbereiten. Wir wären schlecht beraten, wenn wir im Kampf um den Frieden und gegen die schändliche Rolle der SPD-Führung die faschistische Gefahr unterschätzten. Das ist der Hintergrund der Kampagne für Pistorius. Ob und wann sich die entscheidenden Kräfte im deutschen Monopol- und Finanzkapital von der Sozialdemokratie, vom Kurs der ,Sozialpartnerschaft’ verabschieden, ist in diesen Kreisen selbst umstritten. Das zeigt sich derzeit bei den Auseinandersetzungen zwischen VW-Vorstand und Gewerkschaftsführung. Der Tarifabschluss mit fünf Jahren Stillhalten bei den Löhnen zeigt: Der Preis für das Erhalten der ,Arbeitsgemeinschaft’ wird vom Kapital ständig erhöht. Der ,Standort Deutschland’ und die ,internationale Konkurrenzfähigkeit’ werden mit der Sozialdemokratie nur noch ,gemeinsam’ dadurch gesichert, dass den Arbeitern das Messer an die Kehle gesetzt wird.“

SPD-Führung: Haltet den Dieb!

Was die bürgerlichen Parteiführungen, vorneweg die SPD-Führung in unverantwortlicher Weise betreiben: Sie lenken ab, vom reaktionär-militaristischen Staatsumbau, von ihren Maßnahmen, die dem Faschismus den Weg bereiten, indem sie auf die Faschisten in der AfD deuten. Sie rufen faktisch zur Aktionseinheit gegen die offenen Faschisten auf, um gleichzeitig Maßnahmen, die den Faschismus begünstigen, durchzusetzen.

Das ist eine üble Masche, die auch an anderen Stellen zu beobachten ist: Scholz u.a. sprechen inzwischen sogar von „Imperialismus“ – natürlich bei anderen (beliebt z.B. Russland oder China), um die eigenen Ambitionen zu verschleiern.

Wenn sie von Verteidigung der Demokratie, die sie in ihrer parlamentarischen Form gerade zuschanden reiten durch Grundgesetzänderungen, wofür die Mehrheiten in letzter Minute zusammengezimmert werden, durch schuldenversteckende Sondervermögen/Schattenhaushalte, die alle Dimensionen und alle vorherigen Schwüre brechen, die das Budgetrecht des Parlaments in Frage stellen ….

Es ist die Methode „Haltet den Dieb!“ Sie hat aber darüberhinaus noch etwas Unverantwortliches und Infames. Sie appelliert an die besten antifaschistischen und antimilitaristischen und antiimperialistischen Gefühle im Volk – nur um auch der Bourgeoisie zu demonstrieren, dass man doch noch alles im Griff hat, dass die Herrn vom Finanzkapital nicht umschwenken brauchen auf die unsicheren, faschistischen Kumpane von der AfD. Es sieht aus wie ein Betteln beim Kapital, nicht noch einmal den verhängnisvollen Weg zu gehen. Dabei ist das Verhängnis in den Augen von Klingbeil oder Noskorius nicht der Weg in den Krieg, sondern der Weg in den Krieg ohne die SPD. Um die SPD-Führung von dem verhängnisvollen Kurs der immer weitergehenden Zugeständnisse an Kapital und Reaktion abzubringen, braucht es gewaltige Anstrengungen aus den Gewerkschaften und den anderen in ihren Interessen durch das Finanzkapital geschädigten Klassen.

Das sehen wir doch heute vor unseren Augen, wie diese Angriffe auf die Gewerkschaften, auf die Arbeiterrechte (jetzt z.B. die Arbeitszeit, die Kündigungen von Beschäftigungssicherungsverträgen, die Debatte ums Bürgergeld, die generelle Infragestellung der sozialen Sicherungen im Zuge der Militarisierung, im Zuge der Politik von „Kanonen statt Butter usw.) von der SPD-Führung geduldet werden, wie sie dazu die Hand reicht. Hinzu kommen die Angriffe auf die demokratischen Rechte und Freiheiten: auf die freie Meinungsäußerung, auf das Versammlungsrecht.

Faschismus, Israel und „deutsche Staatsräson“

Nicht zu übersehen sind die Negierungen der im Völkerrecht zentralen Gleichberechtigung der Nationen, nicht zuletzt durch den Missbrauch des Staates Israel, der unantastbar über dem Völkerrecht stehen soll. Das ist zur deutschen „Staatsräson“ erhoben worden und soll in der Perspektive nicht mehr und nicht weniger suggerieren: Was für Israel möglich sein soll, darf doch Deutschland nicht verwehrt werden. Wenn Israel eine Regierung hat, die mit Faschisten durchsetzt ist, wer sollte das Deutschland verwehren. Wenn eine Gesellschaft sich bis an die Zähne bewaffnet und im dauernden Ausnahmezustand leben kann wie Israel, wie sollte das für Deutschland nicht möglich sein. Und wer das in Frage stellt, wird heute als Antisemit gebrandmarkt und wird morgen als Landesverräter den dann dazu errichteten Sondergerichtshöfen übergeben … Schließlich – ist damit impliziert – hat Deutschland sich durch die Ermordung von Millionen Juden das Recht gesichert, darüber zu entscheiden, was für Israel gut ist, was über Israel gesagt werden darf, wer etwas über Israel sagen darf und schließlich – höre Jüdische Stimme!! – wer Jude ist und wer nicht. Nur Deutsche wissen schließlich, was Antisemitismus ist!

In welch angenehmer Gesellschaft sich dabei unsere „antideutschen“ Regierungsflüsterer befinden? Die angebräunte Herzogin v. Storch, Spitzenkandidatin der AfD in Berlin, prahlt in der Bundestagsdebatte vom 7. November 2024 („Jüdisches Leben in Deutschland schützen …“): „Die Freunde des jüdischen Staates finden sich heute nicht auf der Linken, sondern auf der demokratischen Rechten, bei der AfD, bei Geert Wilders, Victor Orban und bei Donald Trump, über dessen Wahl sich alle Demokraten in diesem Haus sehr herzlich freuen.“

Sie lieben Israel, solange sie es verwenden können, insbesondere gegen MigrantInnen und für ihre antiislamische und rassistische Hetze.

Zusammenfassend: Faschismus ist in seinem Wesen keine Ablösung oder Überwindung des Kapitalismus, sondern Herrschaft des Kapitals selbst. Was an ihm „sozialistisch“ sein soll, hat Hitler selbst in der bereits genannten Rede vor Reichswehrkommandeuren erläutert: „Die Wehrmacht ist die grandioseste sozialistische Einrichtung.5

Und die Rolle der AfD

Solange die Regierung – in welcher Zusammensetzung auch immer – Militarisierung und Kriegspolitik betreibt, müssen wir sie bekämpfen. Aber wir sollten uns nicht davon irre machen lassen, dass die AfD-Führung zum Schein in der Frage des Ukraine-Kriegs nicht einstimmt in die Verurteilungsorgie gegen Russland. Es ist aber eine alte deutsch-preußische Karte, die hier ins Spiel gebracht wird: Russland nutzen für deutsche Großmachtambitionen im Kräfteverhältnis zu den europäischen Imperialisten in Frankreich und England. Und gegenüber den US-Imperialisten. Mit dem von der AfD verehrten Dealer in Washington hoffen sie Russland aus der Verbindung mit der VR China herauszulösen. Wenn man wirklich wissen will, was die AfD zu Freundschaft mit dem russischen Volk meint, sollte sich mal ein paar Stellungnahme aus der AfD zum 80. Jahrestag der Befreiung ansehen. Hier nur exemplarisch der Redebeitrag im Landtag vom Westimport aus der oberbayrischen Holledau, Dominik Kaufner, für die AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag (27.3.25):

Tatsächlich ist die Darstellung, die wir von den Partnern Ihres Entschließungsantrages – also jetzt nur noch von der SPD – immer wieder hören, nämlich dass Putins Russland jeden Moment über unser Land herfallen könnte, hysterisch und unrealistisch. (Beifall AfD)

Das gilt allerdings nicht für das Sowjetrussland Stalins, das Sie in Ihrer Aktuellen Stunde glorifizieren wollen, denn das marxistische Russland hat seine Nachbarn Finnland und Polen tatsächlich überfallen, ist tatsächlich einer weltrevolutionären Eroberungsideologie gefolgt, hat tatsächlich unfassbare Kriegsverbrechen und Massenmorde zu verantworten und hat tatsächlich halb Europa für ein halbes Jahrhundert unterjocht und demokratische Aufstände brutal niedergeschlagen. (Beifall AfD) …“

Der Feind unseres Feindes ist nicht unser Freund. Er ist auch nicht vorübergehender Bündnispartner. Wir sollten nicht vergessen, wozu an Demagogie und Lügenorgien die Faschisten schon immer fähig waren. (s. Hitlers „Friedensrede“ im Reichstag vom 17. Mai 1933).

Und wenn auch heute im Zentrum der Kampf gegen die Vorbereitung des Kriegs stehen muss, für Freundschaft mit Russland und China, dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren, wie dafür die demokratischen Rechte durch die bürgerlichen Parteien und die SPD-Führung geschleift und damit Schritte auf dem verderblichen Weg in den Faschismus gegangen werden. Und dafür haben die Herrschaften von Regierung und Kapital als einen Baustein die AfD geschaffen, um eine Massenbasis zu schaffen, die den Kurs nach Rechts forciert und die Verseuchung mit reaktionärer, faschistischer, imperialistischer und chauvinistischer Ideologie vorantreibt. Diesem in nationale und soziale Demagogie verkleideten Gedankengut entgegenzutreten ist Aufgabe aller Antifaschisten und Antimilitaristen.


Kurt Gossweiler (1917 bis 2017, Bild: am Grab von Erich Mühsam), einer der bedeutendsten DDR-Faschismusforscher:
„Die imperialistische Bourgeoisie wählt den Weg des Überganges von der bürgerlichen Demokratie zu einem Staat faschistischen Typs nicht nur dann, wenn es gilt, ihre Herrschaft gegen eine drohende proletarische Revolution zu verteidigen, sondern auch dann, wenn es ihr darum geht, jeden inneren und äußeren Widerstand gegen einen von ihr geplanten oder bereits entfesselten exzessiven Expansionskrieg oder gar einen Krieg um die Weltherrschaft unmöglich zu machen oder niederzuhalten.“


„Wir wären schlecht beraten, wenn wir im Kampf um den Frieden und gegen die schändliche Rolle der SPD-Führung die faschistische Gefahr unterschätzten.“ Bereits einen Tag nach dem unrühmlichen Abgang von Kaiser Wilhelm II. schloss der damalige Vorsitzende des Rats der Volksbeauftragten und spätere Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD, Bild oben) mit General Wilhelm Groener (im Auftrag der Obersten Heeresleitung, Bild unten) ein Abkommen, das den konterrevolutionären Pakt der sozialdemokratischen Führung mit dem Militär besiegelte. Es wurde 1933 von den deutschen Faschisten im Auftrag des Finanzkapitals und im Zusammenspiel mit führenden Militärs gebrochen. Auch den SPD-Führern standen nun die Tore in Zuchthaus und KZ weit offen.


Der Industriemagnat als Vertreter vor allem der Schwerindustriellen von Rhein und Ruhr, Hugo Stinnes, (Bild oben) schloss (zusammen mit anderen Kapitalvertretern darunter Siemens, Borsig und Krupp-Direktor Hugenberg) am 15. November 1918 u.a. mit dem führenden Gewerkschafter Carl Legien (Bild unten) das sog. Stinnes-Legien-Abkommen, die „Satzung für die Arbeitsgemeinschaft der industriellen und gewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Deutschlands). Der Zweck: die Ruhigstellung der Arbeiterklasse und die Niederschlagung der revolutionären Arbeiterbewegung. Es gilt als Ausgangspunkt für die deutsch-förmliche Begründung der ,Sozialpartnerschaft’. Es führte vom Frieden zwischen den Klassen (bei Anerkennung der Klassen) zur Unterdrückung der gesamten Arbeiterbewegung und zur Errichtung der unverhüllten terroristischen Klassenherrschaft der Bourgeoisie und von den Nazis zynisch ,Volksgemeinschaft’“ (Leugnung der Existenz von Klassen) genannt.


  1. Hitler in seiner Rede vor Kommandeuren der Reichswehr bereits am 3. Februar 1933 –
    www.1000dokumente.de/Dokumente/Rede_Adolf_Hitlers_vor_den_Spitzen_der_Reichswehr – 17.05.2025 ↩︎
  2. s. KAZ 308 vom Juli 2004. Hier enthalten ist die Antwort von Kurt auf die Kritik von Corell (meinem damaligen Pseudonym) an seinen Ausführungen zu USA und Faschismus in KAZ 306. ↩︎
  3. „Der Machtantritt des Faschismus ist keine einfache Ersetzung der einen bürgerlichen Regierung durch eine andere, sondern eine Ablösung der einen Staatsform der Klassenherrschaft der Bourgeoisie – der bürgerlichen Demokratie – durch eine andere Form – durch die offene terroristische Diktatur. Die Ignorierung dieses Unterschiedes wäre ein ernster Fehler, der das revolutionäre Proletariat daran hindern würde, die breitesten Schichten der Werktätigen in Stadt und Land zum Kampf gegen die Gefahr einer Ergreifung der Macht durch die Faschisten zu mobilisieren sowie die Gegensätze auszunutzen, die im Lager der Bourgeoisie selbst vorhanden sind.“ Georgi Dimitroff, Arbeiterklasse gegen Faschismus, www.marxists.org/deutsch/referenz/dimitroff/1935/bericht/ch1.htm – 17.05.2025 ↩︎
  4. „Doch ein nicht minder ernster und gefährlicher Fehler ist die Unterschätzung der Bedeutung, die die gegenwärtig in den Ländern der bürgerlichen Demokratie sich verschärfenden reaktionären Maßnahmen für die Aufrichtung der faschistischen Diktatur haben, jene Maßnahmen, die die demokratischen Freiheiten der Werktätigen unterdrücken, die Rechte des Parlaments fälschen und beschneiden, die Unterdrückungsmaßnahmen gegen die revolutionäre Bewegung verschärfen.“ (a.a.O.) ↩︎
  5. Hitler in seiner Rede vor Kommandeuren der Reichswehr am 3. Februar 1933, a.a.O. ↩︎

100 Jahre und eine klare Haltung

Am 1. August ehrte der VVN-BdA in einer Veranstaltung Mitglied und Mitgründer Peter Neuhof. Ein Grußwort von Peter Neuhof eröffnete den Abend.

Seine Genossin und Freundin Lilo Joseph erzählte im Anschluss über ihre gemeinsamen Erlebnisse in aus dem frühen West-Berlin, aber auch aus der DDR, wo sie an die schönen gemeinsamen Ausflüge erinnerte. Beide arbeiteten für den Berliner Rundfunk – ein DDR Sender aus Ost-Berlin, wobei Peter im Westen in Frohnau wohnte – eine spannende Zeit.

Petra Pau, die langjährige und jetzt ehemaligen Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags hielt im Anschluss eine sehr berührende Rede. Sie erinnerte an die wichtige Aufgabe von Überlebenden und die Verdienste von Peter.

Da Peter nicht an der Veranstaltung teilnehmen konnte, wurden zwischendurch Video-Ausschnitte aus Reden von ihm eingeblendet. Peter Neuhof kam 1925 in Berlin als Sohn des jüdischen Getreidegroßhändlers Karl Neuhof und seiner nicht-jüdischen Ehefrau Gertrud, geb. Jaffke zur Welt. Beide waren aktive Mitglieder der Kommunistischen Partei Deutschlands. Nach der Machtübernahme des NS-Regimes 1933 gerieten die Neuhofs in ökonomische Bedrängnis, betätigten sich aber trotz Verfolgung in einem breiten Netzwerk im antifaschistischen Widerstand. Anfang 1943 wurden Peters Eltern verhaftet. Karl Neuhof wurde noch im November 1943 in Sachsenhausen ermordet. Seine Mutter Gertrud kam ins Frauen-KZ Ravensbrück. Peter Neuhof blieb allein im elterlichen Haus in Frohnau, eine Ausbildung als Werkzeugmacher und viele Freund*innen und Familienmitglieder halfen ihm zu überleben. Die Befreiung durch die Rote Armee erlebte er in Frohnau.

„Unser Haus war offen für jeden, nur links musste er sein“, so Peter Neuhof über seine Familie. Damit seine Erfahrungen als Jugendlicher mit dem Faschismus nicht in Vergessenheit gerät, hat er diese als Buch: „Als die Brauen kamen“ verewigt, das nun pünktlich zu seinem 100. Geburtstag neu aufgelegt wurde.

Aktionstage der Friedensbewegung gegen Grundgesetzänderung

Keine Grundgesetzänderung für Hochrüstung und Kriegstüchtigkeit!
Reden statt rüsten!


Die CDU/CSU als vermutliche zukünftige Kanzlerpartei versucht noch vor der Installierung der neuen Regierung, zusammen mit der SPD und der noch regierenden GRÜNEN-Partei in einem unglaublichen Coup das Grundgesetz erneut zu ändern, um dieses Mal Hunderte Milliarden Euro Kredite für die militärische Hochrüstung zu bewilligen. Damit soll der Waffenexport in die Ukraine weiter angekurbelt und die Bundeswehr „kriegstüchtig“ gemacht werden.
Die Angst vor einem Angriff Russlands auf NATO-Gebiet dient als Begründung, wie schon bei der geplanten Stationierung der US-Mittelstreckenwaffen auf deutschem Boden. Beides wird uns verkauft als Abschreckung gegen Russland, das uns bedroht. Die Mittelstreckenwaffen sind aber keine Abschreckung, sondern Angriffswaffen.
Das Schüren von Angst gegen den östlichen Nachbarn war schon zweimal erfolgreich, um die Deutschen bereitwillig dazu zu bringen, einer immensen Aufrüstung zuzustimmen, die letztlich in Weltkriegen endeten.
Eine Angst, die keine Grundlage hat, weil für einen solchen Angriff eine mindestens dreifache militärische Überlegenheit Russlands in den Hauptwaffensystemen seines Heeres und seiner Luftwaffe nötig wäre. Die Angst wäre nicht einmal dann gerechtfertigt, wenn die EU oder die europäischen NATO-Staaten auf sich allein gestellt blieben, denn sie verfügen schon heute auch ohne die USA über eine zwei bis dreifache Überlegenheit.
Das martialische Aufrüstungsgebaren der deutschen Regierung und der EU-Kommission, die zusätzliche 800 Milliarden Euro Schulden für denselben Aufrüstungszweck locker machen will, befeuert die gegenseitige militärische Aufrüstung in Europa, steigert die Inflation, belastet zukünftige Generationen und versucht eine europäische Militärunion zu bilden, die als Globalplayer in einer multipolaren Welt Machtpolitik betreibt – und das unter deutscher Führung.


Wir protestieren gegen die Grundgesetzänderung zur Aufrüstung der Bundeswehr und fordern die Bürgerinnen und Bürger überall im Lande auf, vom 13.März (1. Lesung im Bundestag) bis 18. März (2./3.Lesung und Abstimmung) örtliche Protestaktionen zu organisieren.


Eine solche nie dagewesene Aufrüstungsorgie darf von der Friedensbewegung nicht unbeantwortet bleiben.


Mahnwache Do 13.3.

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Kundgebung Sa 15.3.

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Kundgebung Di 18.3.

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Otto-Grüneberg-Ehrung 2025

Anlässlich des 94. Todestages von Otto Grüneberg luden wir zur diesjährigen Gedenkveranstaltung ein. Gerade in unserer Zeit halten wir es für wichtig, an Menschen zu erinnern, die ihr Leben im Kampf für eine bessere Welt riskiert haben. Der drohende Faschismus damals findet sich in einigen Zügen heute wieder. Aufmerksam die Entwicklungen zu beobachten und Geschichtsbewußtsein ins Verhältnis zu setzen, ist unsere vordringliche Aufgabe – womit können wir das besser, als mit den Lebensberichten über mutige Menschen?

Der junge Kommunist Otto Grüneberg, er wurde nicht einmal 23 Jahre alt, wurde am Abend des 1. Februar 1931 vom Charlottenburger SA-Sturm 33 von allen Seiten beschossen, so dass er kurze Zeit später vor seinem Wohnhaus in der Gaststätte Wascher (heute Kastanie) verstarb. Jan Petersen setzte Otto Grüneberg mit dem Roman „Unsere Straße“ ein literarisches Denkmal. Außerdem erinnert eine Privatstraße und eine Gedenktafel an seinem Wohnhaus an ihn.

Bildgalerie:

Rede von Stefan Knobloch (VVN)

Rede von Anita (DKP)

Rede von Rosa (FaJOC)

Friedensbewegung im Kreuzfeuer

von Gerhard Hanloser

Schild mit Peace-Zeichen. Bild: Ink Drop/ Shutterstock.com

Friedensbewegung im Kreuzfeuer: Zwischen Mobilisierung und Demobilisierung

Die Friedensbewegung steht unter Druck. Kritiker warnen vor rechter Unterwanderung. Doch könnte der Versuch, sich abzugrenzen, die Bewegung spalten? (Teil 1)

Eine Untersuchung des Publizisten Lucius Teidelbaums zur aktuellen Friedensbewegung hat in jüngster Zeit erhebliche Aufmerksamkeit erlangt, da seine Darstellungen und Vorschläge von drei bedeutenden linken Organisationen übernommen wurden.

Diese Organisationen sind die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), das globalisierungskritische Netzwerk Attac sowie die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK). Sie nutzen Teidelbaums Analyse als Grundlage für die strategische Ausrichtung ihrer politischen Arbeit.

Kritische Betrachtung von Teidelbaums Analyse

Teidelbaums Analyse basiert auf einer relativ schmalen empirischen Grundlage. Eine nähere Betrachtung der Fußnoten in seinem Text offenbart, dass seine Quellen willkürlich ausgewählt wurden und oft wenig belastbar erscheinen.

Besonders auffällig ist, dass zur Definition der Friedensbewegung selbst keine fundierten Quellen zitiert werden. Dabei existieren bereits umfassende Darstellungen und wissenschaftliche Arbeiten zur Friedensbewegung, die Teidelbaum offenbar nicht berücksichtigt hat. Beispielsweise bieten die Beiträge zur Historischen Friedensforschung tiefere Einblicke. Bei Teidelbaum sucht man sie vergebens.

Politische Einflussnahme auf die Friedensbewegung

Bereits der Titel von Teidelbaums Werk kann den Eindruck einer gewissen Oberflächlichkeit entstehen lassen. Die Friedensbewegung, als eine der breitesten und politisch diversesten Neuen Sozialen Bewegungen, war schon immer Ziel politischer Einflussnahme von verschiedenen Seiten.

Würde man den Titel geringfügig ändern, könnte man „Versuche linksextremer Einflussnahme auf die Friedensbewegung“ formulieren und damit den Ton des bundesrepublikanischen Verfassungsschutzes treffen.

Die AfD und die Friedensbewegung

Teidelbaum kategorisiert die Friedensbewegung in vier Gruppen, wobei er die erste Gruppe als „extreme Rechte“, darunter die Alternative für Deutschland (AfD), ausmacht. Diese Einordnung ist auf mehreren Ebenen problematisch.

Während die Überschrift suggeriert, rechte Akteure nähmen Einfluss auf die Friedensbewegung, stellt sich in Teidelbaums Analyse die Friedensbewegung in Teilen selbst als rechts, ja sogar als extrem rechts dar.

Die AfD hat sich bisher jedoch nicht signifikant in Friedensmobilisierungen hervorgetan. Ihre Fahnen tauchen bei zentralen Friedensaktivitäten, wie den Ostermärschen, nicht auf. Als Partei mit militaristischer Ausrichtung ist ihr die Friedensbewegung inhaltlich wie habituell fremd.

Einzelne Wähler der AfD mögen bei Kundgebungen und Demonstrationen zugegen sein, was sich jedoch nicht überprüfen lässt. Teidelbaum hat keine empirische Untersuchung von Friedenskundgebungen und des Wahlverhaltens ihrer Teilnehmer vorgelegt.

Noch nicht einmal eine Unterscheidung zwischen Funktionären der AfD und der einfachen Wählerschaft wird von ihm vorgenommen. Dabei müsste doch die jeweilige Rolle und Machtposition anders bewertet und eingeschätzt werden.

Logik der Ausgrenzung

Teidelbaum fordert nicht nur, offizielle Bündnisse linker Friedenskräfte mit der AfD, die es bislang nie gab, zu verhindern. Er möchte auch mögliche „rechte“ Teilnehmer an Friedensdemonstrationen ausschließen und wünscht, sie mögen zurück nach Hause gehen.

Teidelbaum unterscheidet dabei nicht zwischen „extremer Rechte“ und „rechts“, was sich schon daran zeigt, dass er die „(extreme) Rechte“ anspricht. Diese Logik der Ausgrenzung folgt einem tiefen Pessimismus, was Veränderungsmöglichkeiten anbelangt. Ein Aktivist jeder möglichen linken Strömung – von gewaltfrei-anarchistisch bis marxistisch-leninistisch – würde dies freilich völlig anders sehen.

Die Herausforderung der Überzeugungsarbeit

Für einen solchen Ansatz steht Überzeugungsarbeit im Vordergrund: Er verteilt etwa Flugblätter in dem festen Glauben an die Überzeugungskraft der eigenen, besseren Argumente und setzt auf die Veränderungsmöglichkeit seines Gegenübers.

Ein ideologisch gefestigter extremer Rechter gehört dabei natürlich nicht zur Zielgruppe. Allerdings ist eine linke Aufklärungsarbeit immer in der Kommunikation und Ansprache offen für rechts positionierte Einzelpersonen und Personengruppen, um bei diesen eine Veränderung bewirken zu können. Sonst könnte der linke Aktivist nämlich mit seinen Flugblättern und seiner Agitation zu Hause bleiben.

Abgesehen von dieser Ignoranz gegenüber Veränderungs- und Selbstveränderungsmöglichkeiten sowie Lernprozessen in sozialen Bewegungen unterschätzen Teidelbaum und seine Großorganisationen das Argument der Quantität.

Die Macht der Masse

Es gibt historische Phasen, in denen schlicht die Masse zählt. Zur Verhinderung einer wirklichen faschistischen und neonazistischen Gefahr sollten alle eingeladen sein, die sich dieser entgegenstellen. In diesem Zusammenhang müssten Optionen des Kapitals in Form von faschistischen und neoautoritären Affinitäten großer Einzelkapitale und ihrer Sprecher verstärkt in den Fokus gerückt werden, nicht der einzelne „Rechtsesoteriker“ oder Aluhutträger. Zur Verhinderung einer Raketenstationierung, die einen Atomkrieg wahrscheinlicher macht, müssen Massen mobilisiert werden, deren ideologische Motivlage zweitrangig ist.

Generationenkonflikt in der Friedensbewegung

Dies zu erkennen oder zu ignorieren, scheint ein generelles Problem zwischen den Generationen zu sein. Eine jüngere Generation innerhalb der VVN-BdA kennt offenbar nicht das eigene antifaschistische Grundsatzprogramm, das keinen Ausschluss von konservativen, esoterischen, ja selbst national-völkischen Kräften vorsah, solange sie antinazistisch und von den Nazis verfolgt waren.

Voller Angst vor rechts scheint eine junge Generation die Beispiele politischer Wanderungsbewegungen von rechts nach links nicht zu kennen. Historische Figuren wie Thomas Mann, Hellmut von Gerlach, Bodo Uhse, Richard Scheringer und Ernst Niekisch illustrieren solche Bewegungen. Für einen Publizisten wie Teidelbaum müssen sie jedoch ewig unanständige Zeitgenossen bleiben, da sie von „rechts“ kamen.

Kategorisierung der Friedensbewegung:

Teidelbaum identifiziert weiterhin eine Gruppe B, die er als „rechte und verschwörungsideologische Friedensbewegung“ beschreibt. Hierbei bezieht er sich hauptsächlich auf Mitglieder der ehemaligen Montagsmahnwachen ab 2014. Diese Gruppe umfasst auch die Coronamaßnahmenkritische Bewegung, die er polemisch „Pandemie-Leugner*innen“ nennt.

Der Autor sieht bei diesen Gruppen verschwörungsideologische Momente und Motive vorliegen. Die darauffolgende Gruppe C soll dann für eine „rechts-offene traditionelle Friedensbewegung“ stehen, von der er jene letzte Gruppe absetzt, der er sich selbst zuordnet: Gruppe D als Teil der traditionellen Friedensbewegung, die sich von den rechten und rechts-offenen Gruppen abgrenze.

Diese Gruppe beschreibt er als international orientiert und kritisch gegenüber Nationalismus eingestellt. Gruppe D versuche, Gruppe C von der Notwendigkeit einer besseren Abgrenzung zu überzeugen.

Teidelbaum zählt zahlreiche Mobilisierungen auf, die entweder irrationalistisch oder tatsächlich rechtsradikal geprägt waren. Er erwähnt Akteure, deren Reichweite der Einflussnahme auf die traditionellen Friedensbewegungen unklar bleibt, wie das inzwischen verbotene Compact-Magazin.

Seine antifaschistisch informierte Skizze, die zuweilen zutreffend ist, könnte ebenso im Aufruf enden, diese Mobilisierungen mit klaren linken, internationalistischen und materialistischen Positionen zu fluten, um ihrem rechten Irrationalismus etwas entgegenzusetzen.

So könnten Teidelbaum oder die drei Großorganisationen eine verstärkte Präsenz mit Flugblättern oder erstrittenen Redebeiträgen auf von ihnen skeptisch beäugten Friedensmobilisierungen wie der „Stop Ramstein Kampagne“ anstreben. Doch auf dieser Ebene bewegen sich die Kritiker der Friedensbewegung gar nicht. Sie wollen nicht mobilisieren, sondern demobilisieren.

Der Autor und die ihn als Publizisten unterstützenden Funktionäre der drei Großorganisationen befürchten, dass die Gruppen B und ein größerer Teil der Gruppe C zu einer „neuen“ Friedensbewegung verschmelzen könnten.

Basis für diesen schändlichen Versuch wären gemeinsame Analysen, Inhalte und Ziele, die Teidelbaum konform zu bundesdeutschen Medienberichterstattung und geheimdienstlicher Verfassungsschutzorgane folgendermaßen zusammenfasst: Antiamerikanismus und Feindbild Westen, Apologie von Putin-Russland, gemeinsame Verschwörungserzählungen, gemeinsame Systemfeindschaft, Nationalismus, Medienfeindlichkeit, geopolitische Verkürzungen, taktische Mobilisierung.

Auch hier könnte eine solche Analyse – deren Tragfähigkeit mal beiseitegelassen – ja „Kritik im Handgemenge“ herausfordern gegen tatsächliche oder vermeintliche Putin-Apologie, gegen vermeintlichen oder tatsächlichen „Antiamerikanismus“.

Doch „Kritik im Handgemenge“ müsste dann ja rechtsoffen sein, sich also mit einem Gegenüber im gleichen Raum – der Straßen, der Demonstration, der Kundgebung – kontaminieren.

Demobilisierung statt Mobilisierung:

Insgesamt zeigt Teidelbaums Analyse eine Tendenz zur Demobilisierung, anstatt durch aktive Beteiligung und Überzeugungsarbeit Einfluss auf die Bewegungen zu nehmen. Die Diskussion um seine Thesen verdeutlicht bestehende Spannungen innerhalb der Friedensbewegung und die Herausforderungen, vor denen linke Organisationen in der aktuellen politischen Landschaft stehen.

Die Notwendigkeit einer differenzierten Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Strömungen innerhalb der Friedensbewegung und der politischen Landschaft bleibt eine zentrale Aufgabe für alle Beteiligten.


Neue Akteure, alte Probleme: Die Zukunft der Friedensbewegung

Friedensbewegung im Wandel: Neue Akteure treten auf. Rechte mischen mit. Wohin steuert der Protest gegen Krieg und Aufrüstung? (Teil 2 und Schluss)

Man kann sich über die Friedensaktivitäten im Deutschland des Jahres 2024 kaum Illusionen machen. Es wäre wünschenswert, dass Teidelbaums Darstellung rechter Akteure, die sich als „Friedensaktivisten“ ausgeben, präziser ausgearbeitet wird. So sind etwa die „Mahnwache Potsdam“ und die „Handwerker für den Frieden“ stark von rechten Akteuren dominiert.

Skurriles wie Kim-Il-Sung-Begeisterung ist so mancher lokalen Initiative nicht fremd. In meinem Buch „Die andere Querfront“ schreibe ich im Vorwort, dass solche „autoritären Subjektformen vom Aluhutträger bis zum Putin-Fan“ im Geiste der Kritischen Theorie „auf die Verheerungen der kapitalistischen Verhältnisse selbst“ zurückzuführen sind:

Tatsächlich hat der unter Rot-Grün restrukturierte und barbarisierte Kapitalismus in Deutschland Menschen ‚freigesetzt‘, ihrer bisherigen Ordnung beraubt und der Kälte und Unwägbarkeit des Marktes unterworfen. Wenig erstaunlich, dass diese Freigesetzten zuweilen zu Obskurantismus und Verschwörungsdenken neigen und gerne bereit sind, allerhand barfüßigen oder falschen Propheten, Heilsbringern und reaktionären Manipulatoren zu folgen.

Ob sie freilich zu mehr in der Lage sind, als sich auf der ein oder anderen Demonstration einzufinden und auf Internetforen auszutoben, gar dazu fähig, ein einflussreiches politisches Projekt zu schmieden, mag dahingestellt sein. Im schlimmsten Fall geben sie einem neuen rechten Parteiprojekt ihre Stimme wie der AfD…

Es sollte lokalen linken Kräften überlassen sein, wie sie in ihrer Region mit diesen Akteuren umgehen. Sie mit eigener Präsenz und den richtigen Inhalten zu überstimmen und zu dominieren, eine attraktivere linke Lebenswelt zu verkörpern, ist immer besser, als sie im Gleichschritt mit den Kräften der Ordnung – weitgehend wirkungslos – als „Nazis“ zu markieren.

Als Befürworter einer gruppenübergreifenden und damit „rechtsoffenen“ Zusammenarbeit wird in der Broschüre von Teidelbaum Reiner Braun herausgepickt. Reiner Braun ist aktiv im „International Peace Bureau“. In den 1980er-Jahren war Reiner Braun am Krefelder Appell beteiligt.

Vor dem Einstein-Jubiläum im Jahr 2005 war er Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte. Von 2006 bis etwa 2014 war er Geschäftsführer der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler und war bis 2017 Geschäftsführer der Ialana (International Association of Lawyers against Nuclear Arms). Außerdem war er Sprecher der „Kooperation für den Frieden“.

Braun ist außerdem stellvertretender Vorsitzender der Naturwissenschaftler:innen-Initiative Verantwortung für Friedens- und Zukunftsfähigkeit e.V. und hat im November 2022 einen interessanten Bericht über Friedensaktivitäten und Stimmungen in Russland auf den Nachdenkseiten verfasst, der offenbart, dass er alles andere als ein „Putin-Apologet“ ist.

Brauns Lebenswerk und seine politische Erfahrung werden durch Teidelbaum heruntergebrochen auf die Bemerkung, Braun habe „bereits 2015 für eine Kooperation mit den rechts-offenen ‚Mahnwachen für den Frieden‘ im Rahmen des ‚Friedenswinters'“ plädiert. Der Umgang mit dem Friedensfunktionär Braun, der in dem Text gepflegt wird, ist vielsagend.

Braun befürworte, schreibt Teidelbaum skandalisierend, auch „eine Zusammenarbeit mit den Pandemie-Leugner:innen“. Wenn Teidelbaum Reiner Braun selbst zitiert, hört es sich jedoch etwas anders an:

Es geht auch um mögliche neue Partner, die im weitesten Sinne in sozialen Bereichen (Wohnen, Gesundheitswesen, etc.), im Handwerk und Mittelstand, aber auch in der Corona-kritischen Grundrechtebewegung zu finden sind.

Reiner Braun

Teidelbaum muss nachschieben, dass Braun diesen Vorschlag konkretisiert, und zitiert:

Solange es eine klare Positionierung gegen rechtsradikales und faschistisches Gedankengut gibt, ist eine pauschale Ausgrenzung nicht zielführend.

Reiner Braun

Braun hat hier also die verlangte Abgrenzung von der extremen Rechten vorgenommen. Teidelbaums Vorhaltungen lösen sich hier in Luft auf. Es scheint ihn also etwas anderes zu stören. So empört er sich, dass besonders in Gruppe B und C „in gewagten Assoziationsketten (…) die Grünen als militaristisch kritisiert und deswegen als ‚rechts‘ markiert“ werden.

Nun braucht es nicht viele Assoziationsketten, sondern nur das Zur-Kenntnis-Nehmen eines Interviews mit Toni Hofreiter, um Beispiele für den Militarismus der Grünen zu finden. Doch Teidelbaum geht sogar so weit zu skandalisieren, dass durch Vertreter der Gruppen B und C „die Nato (…) als rechte Organisation markiert“ wird. Er bemerkt in aller Naivität:

Eine differenzierte Kritik würde darauf hinweisen, dass autoritäre Regime wie die Türkei in der Nato Mitglied sind, und diesen Umstand kritisieren. Die Nato ist zuallererst ein Militärbündnis, dem sowohl demokratische als auch autoritäre Staaten angehören. Den „Vereinten Nationen“ (UN) könnte man ebenso vorwerfen, dass ihnen autoritäre Staaten angehören, allerdings scheint das bei der Bestimmung des Charakters der UN keine Rolle zu spielen.

Freilich offenbart diese Passage, dass Teidelbaum nicht in der Lage ist, Rolle und Funktion der Nato und ihren expansiven Charakter zur globalen Macht- und Herrschaftssicherung der führenden kapitalistischen Staaten, allen voran der USA, zu erkennen.

Ihm scheint auch der Begriff des Imperialismus, bzw. imperialistischer Strukturen unbekannt zu sein, dessen Inhalt er bei historisch und politisch-materialistisch bewanderten Autoren wie Noam Chomsky nachlesen könnte, wenn er zu Daniele Ganser nicht greifen mag.

Teidelbaum kritisiert also Stimmen der Friedensbewegung vor dem Hintergrund einer eigenen affirmativen Einschätzung der Grünen, der Nato und der bundesrepublikanischen Medienlandschaft.

Dass er selbst den Begriffsjoker „Antiamerikanismus“ benutzt, ohne darauf zu reflektieren, dass dieser bereits der 80er-Jahre-Friedensbewegung im Interesse ihrer Delegitimation von rechts entgegenschallte, zeigt, wie weitgehend unkritisch und unhistorisch der Autor an sein Thema herangeht.

Einer Strategie „taktischer Mobilisierung“, die er nur bei Gruppe C der Friedensbewegung ausmacht, verfolgt er wie die mit ihm kooperierenden Großorganisationen dabei selbst. Im Medium der Verharmlosung herrschender Politik und ihrer medialen und politischen Agenturen strebt er das Reinhalten linker Großorganisationen und ihrer Bündnispolitik an, um Respektabilität im bürgerlichen Milieu zu erheischen.

Wenn sich Teidelbaum auf eine „ausdifferenzierte (…) Kapitalismus-Kritik, die Klassen-Gegensätze fokussiert“ positiv bezieht, so ist dies reine Rhetorik und dient nur als Ticket-Begriff, um weitgehend argumentfrei den angegriffenen Akteuren eine Verkürzung in ihrer Gesellschaftskritik oder eine Ideologisierung vorhalten zu können.

Ein solches Manöver könnte die globalisierungskritische Bewegung Attac kennen. So haben ihr in ähnlicher Manier antideutsche Publizisten in der Vergangenheit vorgehalten, ihre Kampagne für eine Finanztransaktionssteuer folge keiner ausdifferenzierten Kapitalismus-, sondern einer nur verkürzten, ja sogar „strukturell antisemitischen“ Kapitalismuskritik.

Dass sich die Funktionäre dreier linker Großorganisationen hinter einer wissenschaftlich dürftigen und politisch biederen bis angepassten Kurzstudie zur Friedensbewegung versammeln, zeigt die tiefe Krise linker Kräfte in der Bundesrepublik an. Die Furcht vor „Rechtsoffenheit“ und die demobilisierende Abgrenzerei bleiben weit hinter den Erkenntnissen der Gruppen selbst zurück.

In einer Erklärung des Bundessprecher:innenkreises der VVN-BdA wird berechtigterweise kritisch auf das 100-Milliarden-Paket für die Aufrüstung der Bundeswehr verwiesen und zum neuen deutschen Militarismus, der bei Bildung, Gesundheit und Sozialem spart, „Nein“ gesagt. Die linken Kräfte haben tatsächlich viel zu diskutieren. So zeigte die Friedensmobilisierung des 3. Oktobers, dass hier neue Akteure auf der Straße zusammenfinden, immerhin in einer großen Zahl von 30.000.

Jenseits des Prominentenspektakels auf der Bühne bei der Goldelse konnte beobachtet werden, dass es eine neue antimilitaristische Jugend gibt, die nicht nur der „Zeitenwende“, sondern auch dem vorherrschenden Konformismus und Opportunismus die kalte Schulter zeigen. Dafür schlüpft sie zuweilen in die alten Kostüme eines anachronistischen Leninismus.

Ferner war die Demonstration dank der Mobilisierung palästinasolidarischer Kreise migrantischer und weniger „biodeutsch“ geprägt als die klassischen Veranstaltungen der alten Friedensbewegung. Durch diese Teilnehmer artikuliert sich ein radikaler und umfassender Begriff von Menschenrechten. Diese Entwicklung ist für Antikriegsbewegungen in globalisierten Migrationsgesellschaften von höchster Bedeutung.

Insgesamt zeigt Teidelbaums Analyse eine Tendenz zur Demobilisierung, anstatt durch aktive Beteiligung und Überzeugungsarbeit Einfluss auf die Bewegungen zu nehmen.

Die Diskussion um seine Thesen verdeutlicht bestehende Spannungen innerhalb der Friedensbewegung und die Herausforderungen, vor denen linke Organisationen in der aktuellen politischen Landschaft stehen. Die Notwendigkeit einer differenzierten Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Strömungen innerhalb der Friedensbewegung und der politischen Landschaft bleibt eine zentrale Aufgabe für alle Beteiligten.

Es zeigt sich, dass eine stärkere Präsenz und inhaltliche Auseinandersetzung in den von Teidelbaum kritisierten Friedensmobilisierungen ein Weg sein könnte, um die Vielfalt und die Ziele der Bewegung zu stärken.


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Berliner Appell: Gegen neue Mittelstreckenwaffen und für eine friedliche Welt

Der folgende Berliner Appell wurde bei der Demonstration am 3. Oktober 2024 verlesen. Wir werben nun dafür, dass er von möglichst vielen Menschen unterschrieben wird.



Zur Online-Unterzeichung: https://nie-wieder-krieg.org

Der Appell kann auch als PDF-Datei für Unterschriftensammlungen an Info-Tischen oder im eigenen Bekanntenkreis heruntergeladen werden: https://nie-wieder-krieg.org/wp-content/uploads/2024/10/Berliner-Appell-Unterschriftenblatt.pdf . Bitte sendet auf Papier gesammelte Unterschriften an die Initiative „Nie wieder Krieg – die Waffen nieder“, Postanschrift: c/o IPB, Marienstraße 19/20, 10117 Berlin.

Werner-Seelenbinder-Jahr 2024

In diesem Jahr haben wir in Neukölln ein besonderes Gedenken.

Am 2. August vor 120 Jahren wurde der Ringer, Kommunist und Widerstandskämpfer Werner Seelenbinder geboren und am 24. Oktober vor 80 Jahren von den Faschisten ermordet. Traditionell organisiert die VVN-VdA-Neukölln jedes Jahr an einem Sonntag um den 24. Oktober herum eine Gedenkfeier am Grab von Werner Seelenbinder mit Reden, Musik, Ringer-Vorführungen und dem Niederlegen von Blumen.

In diesem Jahr haben wir einige Veranstaltungen geplant, um diesen mutigen Antifaschisten in Neukölln bekannter zu machen.

Ausstellung und Lesungen

Am 6. Juni hatten wir eine Ausstellungseröffnung zu Werner Seelenbinder in der Helene-Nathan-Bibliothek organisiert. Die Ausstellung wurde von Prof. Dr. phil. Oliver Rump mit seinen Studenten der HTW erstellt. Die Ausstellung war dort einen Monat lang zu sehen sein und von 3 Buchlesungen begleitet. Am 13.06. las Martin Krauß aus seinem neuen Buch, besonders aus dem Kapitel zum Arbeitersport. Am 19.06. wurde das Buch von Friedel Schirm, einer Weggefährtin Werner Seelenbinders, von uns vorgestellt. Und zum Schluss las am 27.06. Matthias Heisig über das schwierige Gedenken, aus dem Buch über Werner Gutsche, der einen großen Anteil daran hatte, dass das Sportstadion 2004 seinen Namen „Werner Seelenbinder“ zurückbekommen hat. In der Zeit 5.9. bis 18.10. ist die Ausstellung in Potsdam zu sehen.

Einladungsflyer Ausstellungen: Neukölln * Potsdam

Radtour

Am 07.07. gab es eine Fahrradtour durch Neukölln und Kreuzberg zu einigen Punkten, die mit dem Leben Werner Seelenbinders und seiner Zeit zu tun haben.

Info-Tafel

[Informationstafel, Sep 2024]

Seit dem 30.9. ist auch die Gedenk- und Informationstafel am Eingang des Werner-Seelenbinder-Sportparks zu besichtigen. Sie war im Juli 2017 von der Bezirksverordnetenversammlung beschlossen worden (BVV-Drucksache 0140/XX) und entstand als Zusammenarbeit zwischen Karin Korte (Bezirksstadträtin für Bildung, Kultur und Sport), Prof. Dr. Oliver Rump (Museologe, HTW Berlin), Matthias Heisig (Historiker) und der VVN-VdA.

Ringerturnier

Foto: Eoghan Sweeny

Am 05.10. gab es ab 9:30 Uhr in der Werner-Seelenbinder-Halle in der Oderstraße das erste große Ringer-Gedenkturnier der Kinder und Jugendlichen (12-17 Jahre). [mehr]

Ehrung zum Todestag

Infostände 2024, Foto: Ingo Müller

Als Höhepunkt dieses Werner-Seelenbinder-Jahres fand am 20.10. die Gedenkveranstaltung anlässlich seines Todestages statt. Erstmals gab es nicht nur Reden und Musik, sondern auch Infostände vieler antifaschistisch bewegter Menschen und Gruppen. Sie boten Gelegenheit, bei einem Kaffee und einem Stück Kuchen miteinander ins Gespräch zu kommen. An vielen Ständen wurden außerdem Aktivitäten wie Spielen, Basteln, Quiz, Sport, usw. angeboten, damit Kinder und Jugendliche auch auf einer anderen Ebene etwas zu dem Thema erfahren können. [mehr]

Einladungsflyer Turnier und Ehrung


  • Martin Krauß; Dabei sein wäre alles – Wie Athletinnen und Athleten bis heute gegen Ausgrenzung kämpfen – Eine neue Geschichte des Sports; C. Bertelsmann; München 2024; ISBN 978-3-570-10547-4
  • Friedel Schirm; 33 Monate – Erinnerungen an Werner Seelenbinder; Militärverlag der DDR; Berlin 1984
  • Frieder Böhne, Matthias Heisig; „Da müsst ihr euch mal drum kümmern“ – Werner Gutsche (1923-2012) und Neukölln – Spuren, Erinnerungen, Anregungen; Metropol Verlag; Berlin 2016; ISBN 978-3-86331-322-7

Ehrenamt – gelebte Demokratie

Anlässlich der Berliner Freiwilligentage und in Kooperation mit dem Spandauer Bündnis gegen Rechts organisierte das Freiwilligenmanagement der Lebenshilfe Berlin, am 21. September 2024 eine besondere inklusive Aktion.

Die Innenschrift lautet:
„Sklaven- und Zwangsarbeit bedeutete nicht nur Vorenthalt des gerechten Lohns, sie bedeutete Verschleppung, Heimatlosigkeit, Entrechtung, die brutale Missachtung der Menschenwürde, oft war sie planvoll darauf angelegt, die Menschen durch Arbeit zu vernichten.“


Auf dem Gelände des Evangelischen Waldkrankenhauses Spandau steht ein Mahnmal zur Erinnerung an Zwangsarbeit im zweiten Weltkrieg. Geschaffen vom Künstler Ingo Wellmann entstand es vor einigen Jahren durch die Initiative des Spandauer Bündnis gegen Rechts.


In einer gemeinsamen Putzaktion wurde es von einem inklusiven ehrenamtlichen Helferteam der Lebenshilfe Berlin gereinigt, Unkraut und aller unliebsamer Staub und Schmutz wurden beseitigt. Auch der Künstler ergriff die Gelegenheit und restaurierte einige schadhafte Stellen.


Besonders beeindruckend waren die Gespräche, die entstanden. Denn wir stellten uns die Fragen: Warum steht ein solches Mahnmal an dieser Stelle? Welche Denkanstöße gibt uns der Künstler mit seinem Werk? Antworten erhielten wir von Herrn Rüdiger Lotze und Uwe Bröckl vom Bündnis gegen Rechts und vom Künstler persönlich!


Auf diesem Gelände waren im zweiten Weltkrieg Zwangsarbeiter untergebracht. Ihnen war die Aufgabe zu gedacht, Fundamente in den märkischen Sandboden zu gießen. Diese dienten Tests für die wahnwitzige Idee Hitlers, eine Welthauptstadt mit pompösen Bauwerken in Berlin errichten zu wollen. Hier waren viele Menschen verschiedener Nationen untergebracht. Ingo Wellmann berichtet, wie er in den letzten Jahren mit Überlebenden oder ihren Nachfahren den Ort besuchte. Er erzählt von vielen guten Gesprächen im Andenken an das Geschehene. In seinem Kunstwerk bildet sich seine tiefe Auseinandersetzung mit dem Thema ab und berührt auch uns. Wir betrachten gemeinsam das Mahnmal und sehen Menschen die eng aneinander gedrängt eine schwere Last tragen – oder Menschen die eine Krone tragen. Eine Krone mit der wir, die wir ihnen Gedenken, sie krönen.

Kleine Fotogalerie:

Ein ehrenamtlich Mitwirkender stellt für sich fest:

Mich interessiert das. Es ist interessant das alles zu erfahren, damit man es nicht vergisst.“


Wieder ein anderer der Mitwirkenden schlussfolgert:

nur in einer freiheitlich demokratisch entwickelten Gesellschaft können Initiativen, wie diese möglich sein, Menschen mit und ohne Einschränkung engagieren sich für eine gemeinsame Sache.


Kornelia Goldbach

Fotorechte: Lebenshilfe gGmbH

Stellungnahme: Tag der Erinnerung und Mahnung ohne „Junge Welt“

Inhaltsverzeichnis

Verwunderung und Empörung über Ausladung der jungen Welt

Auszug der der Stellungnahme der VVN-VdA, 12.09.2024:

„Wir finden es beschämend und verurteilen das Vorgehen des Berliner
Landesvorstandes der VVN/BdA einer in der antifaschistischen Bewegung
verankerten Zeitung am Tag der Erinnerung und Mahnung die Teilnahme zu
verweigern. Damit entzieht die VVN/BdA der Jungen Welt, die im Visier des
Verfassungsschutzes steht, ihre Solidarität. Sie beteiligt sich somit indirekt an den
Versuchen, die Pressefreiheit und damit die demokratischen Rechte,
einzuschränken.“

weiterlesen hier:


Gegendarstellung der Junge Welt

Tag der Erinnerung und Mahnung Gegendarstellung: Berliner VVN-BdA
Von Verlag und Redaktion, 07.09.2024

Am 9. September 1945 gedachten Zehntausende in Berlin der »toten Helden des antifaschistischen Kampfes«. Aus dem alljährlich am zweiten Sonntag im September in der SBZ und der DDR begangenen Gedenktag für die Opfer des Faschismus wurde 1990 der »Tag der Erinnerung und Mahnung«. Die Schirmherrschaft in Berlin liegt bei der dortigen Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), die für diesen Sonntag wieder »befreundete Initiativen und alle Antifaschist*innen« einlädt, »das Gedenken an die Opfer des Naziregimes mit der Auseinandersetzung um die zunehmend antidemokratischen und autoritären gesellschaftlichen Entwicklungen zu verbinden«.

Auszug aus der Gegendarstellung:

Weiterlesen hier:


ND solidarisch mit JW

Beim alljährlichen »Tag der Erinnerung und Mahnung« in Berlin ist am Franz-Mehring-Platz der Opfer des Nazifaschismus gedacht und gegen die erstarkte extreme Rechte protestiert worden. Junge Welt war von der Berliner VVN-BdA aufgrund von Differenzen in der Berichterstattung zum Ukraine-Krieg und Nahostkonflikt ein Standplatz verweigert worden. Die Kollegen vom ND zeigten sich empört und boten jW an, Zeitungen an ihrem Stand auszulegen. »Dieser wachsende Wunsch linker Gruppen, Polizei und Verfassungsschutz zu spielen, geht gar nicht«, kommentierte ND-Genossenschafter und Autor Raul Zelik auf X

Quelle:


Kurze Geschichte der „Junge Welt“

„Die junge Welt wurde 1947 im antifaschistischen Geist als Wochenzeitung in Berlin gegründet. Seit 1952 Tageszeitung, entwickelte sie sich bis 1989 zur auflagenstärksten der DDR. Kritischer und informativer als andere Medien erreichte die junge Welt eine hohe Popularität. Bereits in dieser Zeit wurde die ursprünglich als Jugendzeitung konzipierte junge Welt („Zentralorgan der FDJ“) in allen Altersgruppen gelesen. Nach der Privatisierung der jungen Welt durch den Verkauf für eine Mark an eine Westberliner Mediengruppe sank die Auflage rasch, auch weil die Zeitung sich nicht ausreichend von anderen unterschied und keinen klaren linken Kurs fuhr. Ein Versuch im Jahre 1994, die Zeitung klar zu profilieren, wurde vorzeitig abgebrochen: Die damaligen Eigentümer stellten die Produktion der Tageszeitung junge Welt Anfang April 1995 ein. Mitarbeiter gründeten daraufhin den Verlag 8. Mai GmbH (und später die Genossenschaft LPG junge Welt eG) und konnten so das weitere Erscheinen der jungen Welt als marxistische Tageszeitung realisieren – bis heute. „

Quelle: https://www.jungewelt.de/ueber_uns/diese_zeitung.php

03.09.2024: Protest-Aktion gegen den Besuch des Kriegsministers Pistorius (SPD) beim Charlottenburger MdB Michael Müller (SPD) – Impressionen

Pistorius verlässt das Büro

Video: Ingo Müller


Inhaltsverzeichnis


Stolpersteine vor dem Gebäude

Fotos: Ingo Müller


Rüdiger Deissler

Protest-Aktion gegen den Besuch des Kriegsministers Pistorius (SPD) beim Charlottenburger MdB Michael Müller (SPD) in dessen Bürgerbüro Bleibtreustrasse 33/Ecke Kurfürstendamm am Dienstag, 3. September von 18.00 Uhr-20.00 Uhr. VVN/VdA hat die Kundgebung angemeldet. Kamera und Bearbeitung: Ingo Müller rec: 03.09.2024

Rüdiger Deissler, Mitglied im.Vorstand der VVN-VdA Berlin e.V. und Bezirksverordneter in Charlottenburg-Wilmersdorf

00:00 Begrüßung durch Rüdiger Deissler
02:08 Rüdiger verliesst ein Text von Lühr Henken, die er am 01.09.2024 beim Antikriegstags gehalten hat.

Offenes Mikrofon

1. Sprecher

Protest-Aktion gegen den Besuch des Kriegsministers Pistorius (SPD) beim Charlottenburger MdB Michael Müller (SPD) in dessen Bürgerbüro Bleibtreustrasse 33/Ecke Kurfürstendamm am Dienstag, 3. September von 18.00 Uhr-20.00 Uhr. VVN/VdA hat die Kundgebung angemeldet. Kamera und Bearbeitung: Ingo Müller rec: 03.09.2024 1. Sprecher

2. Sprecher

Protest-Aktion gegen den Besuch des Kriegsministers Pistorius (SPD) beim Charlottenburger MdB Michael Müller (SPD) in dessen Bürgerbüro Bleibtreustrasse 33/Ecke Kurfürstendamm am Dienstag, 3. September von 18.00 Uhr-20.00 Uhr. VVN/VdA hat die Kundgebung angemeldet. 2. Sprecher Kamera und Bearbeitung: Ingo Müller rec: 03.09.2024

Kleine Fotogalerie