Unvereinbar mit dem Grundgesetz

Der Bayrische Verfassungsschutz kann nicht über die Abgabenordnung der Berliner Finanzbehörde Vorgaben machen, über die Aberkennung einer der Gemeinnützigkeit einer Bundesorganisation

Ist die Regelung in der Abgabenordnung rechtmäßig, die die Berliner Finanzbehörde zwingt, davon auszugehen, dass ein Verein „extremistisch“ ist, wenn  der Verfassungsschutz auch nur eines Bundeslandes diesen Verein so einstuft, aber der Verfassungsschutz aller anderen Bundesländern und des Bundes genau das nicht tun?

Die Antwort: Diese Regelung ist verfassungswidrig. Dies ist so, weil die Bundesrepublik Deutschland ein „Bundesstaat“ ist: “Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt“ (Art. 30 GG). Die Tätigkeit des Verfassungsschutzes ist ohne Zweifel eine Ausübung staatlicher Befugnisse. Sie ist also „Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt“. Allerdings reichen diese  Befugnisse eines Landes nicht über seine Grenzen hinaus. Aber genau darum geht es im vorliegenden Fall. Dieses Grundgesetz lässt keine Regelung zu, die die Einstufung einer bundesweiten Organisation als extremistisch durch den Verfassungsschutz nur eines Landes (vorliegend Bayern) mit Wirkung über die Grenzen dieses Landes hinaus erlaubt. Das Grundgesetz erlaubt nur die Einrichtung des Bundesamtes für Verfassungsschutz[1], nicht aber eine Landesbehörde für Verfassungsschutz, an deren (widerlegbaren) Einstufung einer Organisation  als  „extremistisch“ alle Landesfinanzbehörden gebunden sein sollen. Es wäre geradezu absurd, wenn die Berliner Finanzbehörde in Berlin, wo die Bundesvereinigung ihren Sitz hat,  auf diesem Wege dazu verpflichtet werden könnte, davon auszugehen, dass die VVN-BdA „verfassungswidrige Bestrebungen fördert“ und ihr die Gemeinnützigkeit abzuerkennen. Aus dieser Absurdität entkommt die Abgabenordnung auch nicht dadurch, dass sie der VVN-BdA die Widerlegung dieser Einstufung erlaubt. Auch an die widerlegbare Einstufung als „linksextremistisch“ kann die Berliner Finanzbehörde nicht durch eine bayrische Verfassungsschutzbehörde gebunden werden. Die Bundesvereinigung VVN-BdA kann nicht durch den bayrischen Verfassungsschutz gezwungen werden, zu widerlegen, was weder der Bund noch der übrigen Länder  in ihren Verfassungsschutzberichten erwähnen. Die Abgabenordnung kann sich als einfaches Bundesgesetz nicht über das Grundgesetz hinwegsetzen. Die bayrische Verfassungsschutzbehörde kann über die Abgabenordnung nicht das Berliner Finanzamt dazu zwingen, der VVN-BdA die Gemeinnützigkeit abzuerkennen.   

Zunächst glaubten die Finanzbehörde in NRW sogar auch der VVN-BdA NRW die Gemeinnützigkeit aberkennen zu müssen, obwohl der Name schon zu erkennen gibt, dass die VVN-BdA Landesvereinigung NRW e.V.  als  eigenständiger Verein im Vereinsregister eingetragen ist und damit dessen Einstufung als Landesvereinigung NRW ganz offensichtlich nicht in die Zuständigkeit des bayrischen Verfassungsschutzes fällt. Nach einigen Protesten[2] scheint jedoch die Landesfinanzbehörde in NRW davon Abstand genommen zu haben, alles noch weiter in die Absurdität zu treiben. Die VVN-BdA NRW behält die Anerkennung der Gemeinnützigkeit. Die Finanzbehörden scheinen auch den Versuch aufgegeben zu haben, vier rechtlich selbstständigen Kreisvereinigungen in NRW die Gemeinnützigkeit abzuerkennen[3]. Der Thüringer VVN-BdA e.V. wurde die Gemeinnützigkeit rückwirkend wieder zuerkannt, allerdings mit der Auflage, fortan keine Mitgliedsbeiträge an den Bundesverband  überweisen zu dürfen. Sogar eine entsprechende Satzungsänderung wurde bei nächster Gelegenheit verlangt[4].

Wenn ein Verfassungsschutz einen Verein bzw. eine Körperschaft als extremistisch einstuft, darf es keinen Automatismus in der Abgabenordnung geben, über den die Gemeinnützigkeit entzogen wird, wenn der Verein bzw. die Körperschaft diese Einstufung nicht widerlegen kann. Vielleicht sollte § 51 Absatz 3 Satz 2 der Abgabenordnung („Bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisationen aufgeführt sind, ist widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Satz 1 nicht erfüllt sind“) in folgender Weise geändert werden: „Bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisationen aufgeführt sind, kann die Steuervergünstigung verweigert werden.“  Das würde auch den politischen Spielraum erweitern und eine politische Diskussion erleichtern.


1                                                                                                                                                                                          „Durch Bundesgesetz können … Zentralstellen … zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes … eingerichtet werden“                      (Art. 87 Abs.1 Satz 2 GG)                       

2                                                                                                                                            https://nrw.vvn-bda.de/2019/03/31/nrw-finanzaemter-drohen-der-vvn-bda-mit-entzug-der-gemeinnuetzigkeit-weitere-reaktionen/

3                                                                                                                                            Willms, Thomas (2020): Helden ja – Verbände nein. Der Kampf gegen die VVN-BdA,  vorgänge.Zeitschrift für Bürgerrechteund gesllschaftspolitik Nr. 229 /59(1)), S. 125-132, 127 f.   

4                                                                                                                                            Willms, Thomas (2020): Helden ja – Verbände nein. Der Kampf gegen die VVN-BdA,  vorgänge.Zeitschrift für Bürgerrechteund gesllschaftspolitik Nr. 229 /59(1)), S. 125-132, 128   KategorienAllgemeinBeitrags-NavigationVoll verantwortlichGeändert werden.

Schreiben Sie einen Kommentar