Moabit, Saal 700

Inhaltsverzeichnis

Eine Funkdokumentation von Peter Neuhof und Peter Burau 1969


Kurze Einleitung

In dieser Funkdokumentation wird aufgezeigt, wie die Bundesdeutsche Justiz, insbesondere hier die Westberliner es nicht so ernst meinten mit der Verfolgung und Bestrafung von NAZI-Kriegsverbrecher und berichten über die Greultaten der Angeklagten,

Peter Neuhof und Peter Burau

Angeklagte:

  • Dr. Kurt Venter – frühere SS-Stumbandführer und Regierungsrat –
  • Venters Vorgesetzter – SS-Obersturmbannführer Otto Bovensiepen, Oberregierungsrat1
  • Kriminalbeamte und SS-Untersturmbannführer Max Grautstück

Anklage:

in der Zeit vom Oktober 1941 bis April 1945 aus niedrigen Beweggründen gemeinschaftlich begangener Tötung von mindestens 30.000 jüdischen Menschen aus Berlin durch Rat oder Tat wissentlich Hilfe geleistet zu haben.


Umgang mit dem Angeklagten:

Auszug aus der Doku:

„Ein Mann betritt das Gerichtsgebäude in Moabit. Er geht auf die große Freitrappe zu, steigt sie langsam hinauf.
Einer Etage, zwei Etagen. Dann geht er die Empore entlang. Durch die offene Tür gelangt er in den Saal 700.
Jeden Mittwoch, jeden Freitag. Seit dem 9. Dezember 1969. Mittwochs mit einer Aktentasche, Freitags mit einem Koffer.“

Frage: Zwei der drei Angeklagten befinden sich auf freiem Fuß. Wie geht das zu?

Antwort:

„sie stehen für 10.000 Tote und wurden in den ersten Nachkriegsjahren nicht belangt, nicht gesucht, weil die Restauration wichtiger war als ein Prozess der Demokratisierung.
Restauration ohne die Stützen von einst?“

„Wenn nicht 1963 eine ausländische Kritik den Westberliner Generalstaatsanwalt beim Kammergericht Stutzig gemacht hätte, wäre überhaupt nichts geschehen.
Wird etwas geschehen.
Drei angeklagte, sechs Verteidiger.
Darunter ein ehemaliger SS Sonderrichter.
Sie kennen die Gesetzgebung.
Sie brauchen keine Lücken zu suchen.
Sie kennen die Neufassung des Paragrafen 50 Absatz 2 des westdeutschen Strafgesetzbuches.
Nur der Nachweis niedriger Beweggründe kann ihre Mandanten noch hinter Zuchthausmauern bringen.
Nicht Tat, sondern Täter bezogene Merkmale bilden das Kriterium.
Und die nach 25 Jahren beweisen.
30.000 Opfer klagen an. „


Dokumentation (Audio)

Den hier erwähnten Aufruf der VVN könnt unter „Dokumente aus unserem Archiv“ sehen.


Dokumente aus unserem Archiv

Aufruf der VVN, vom 01.02.1970 – Betrifft: Gestapo-Prozeß vor dem Schwurgericht im Kriminalgericht Turmstr.

Auszug:

„Wir appellieren erneut an alle Verfolgten und Hinterbliebenen,‘ die in
den Jahren 1941/1942 mit der Berliner Gestapo zu tun hatten, (bzw. . deren
ermordete Angehörige) die Anklagebehörde zu unterstützen, indem
sie sich als Zeugen melden bzw. . in ihren Händen befindliches Schriftmaterial
zur Verfügung stellen, das zur Beweiserhebung und Schuldüberführung
der Angeklagten beitragen kann.“

Aufruf-VVN-01.02.1970


Erklärung der VVN Westberlin zum Prozeß gegen Bovensiepen und andere

Auszug:

„Anlässlich des Prozeßbeginns gegen den vormaligen Berliner Gestapochef,
den ‚Volljuristen‘ Bovensiepen und zwei seiner Mordkumpane am 9. Dezember
berichtete die etablierte Presse in aller Breite über die ‚Mentalitäten‘ und jetzigen Äußerungen der drei Angeklagten, die in den nur zu oft gehörten Feststellungen gipfelten, „nichts gewusst zu haben“
und „nicht schuldig im Sinne der Anklage zu sein“.
Mit kaum einem Wort aber ging die gleiche Presse auf die lange Kette
und Vielzahl der brutalen Verbrechen dieser Massenmörder ein, obwohl
davon vieles vielen Stellen seit langem bekannt ist. Lediglich die
Ausführungen des Nebenklägers Dr. R. W. Kempner werden zitiert, die
in der Feststellung enden: “ ••• Er (Bovensiepen) war der Eichmann von
Berlin“.“

Erklaerung-zum-Prozess-1969


Massenmord, verwaltet – und nichts davon gewusst?

Zeitungsartikel: BZ-Redeaktion 1969 ((genaues Datum nicht mehr erkennbar)

Auszug:

„Totentanz“, Viele stunden lang hatte das Gericht an diesem Tage Aussageprotokolle verlesen. Aussagen von
Toten. Die meisten waren ehemalige Gestapo-Angehörige die in der Zeit in ihren Vernehmungen gestorben
sind. Ein Protokoll vom 24. September 1956 merkt an, der Vernommene, der einst im „Judendezernat“ der Gestapo
tätig war, sei am 27.September 1956 verstorben.
Drei Tage nach seiner Vernehmung. Er nahm sich das Leben. „Aus Angst“, sagt der Staatsanwalt.“

Zeitungsartikel-dez.-1969-BZ


Die Taktik der Gestapobeamten

Auszug aus dem Artikel:

Die drei Herren werden mit ‚Herr Bovensiepen!, ‚Herr Dr. Venter‘! und -‚Herr Grautstück‘! angeredet.
Nur der letztere erhebt sich, sofern ihn der Vorsitzende anspricht.
Die .zwei anderen, die. ‚Ranghöchsten‘- der Gestapoleitstelle -Berlin, antworten sitzend, jovial
‚und ausführlich – und sind stets wohlassistiert von. jeweils zwei .‚Verteidigern, die schon bei der
.. kleinsten vermeintlichen Klippe “für die Grauhaarigen- sofort einhaken. Es geht. eben sehr seriös und: korrekt rechtsstaatlich. zu.
Wie schön gegen damals, als Bovensiepen ohne Skrupel Menschen zu Tode foltern ließ.

Sammelmappe1

Quelle: Der Mahnruf – 94/ 1970


Verschiedene Briefe in Zusammenhang mit dem Prozeß zur Aufklärung


Gespräch mit Wille Weber, aufgenommen 19.02.2979 (Zeuge)

Gespraech-weber-alleinstein


März 1970 Information von der VVN-Westberlin über den Prozess und Ersuchen um Mithilfe für die Beweisführung

Information-ueber-den-Prozess-von-der-VVN-Maerz-1970

Weitere Materialien sind im Archiv einzusehen.

  1. Richard Otto Bovensiepen war ein deutscher Jurist in Magdeburg, Recklinghausen, Dortmund, Bielefeld, Köslin und Halle, Leiter der Staatspolizeistellen und der Staatspolizeileitstelle Berlin sowie bis Kriegsende 1945 Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes in Dänemark, SS-Standartenführer. []