Formen und Wesen des Faschismus

Der nachfolgende Text unseres Kameraden Conny Renkl wurde im Verbandsorgan des Deutschen Freidenkerverbands „Freidenker“ (Heft 2-2025) veröffentlicht. Er ist dort Teil der Debatte um „Formen, Wesen, aktuelle Gefahren Faschismus mit Beiträgen von Helmut Selinger, Patrik Baab, Diether Dehm und Christel Buchinger.


Bisher machen die im deutschen Bundestag vertretenen Parteien ihre Arbeit doch wirklich ordentlich – jedenfalls fürs Kapital, genauer fürs große Finanzkapital. Man lässt stöhnen und ächzen im Berliner Politporno: Kein Wachstum, die Krise, die Kriege, die Bürokratie, Trump und die Zölle, und China … Aber ein Blick auf den Dax – immer neue Rekordmeldungen. Ein Blick auf die Bilanzmitteilungen: Profite, dass es kracht – auch wenn natürlich etwa ein Rückgang des Profits z.B. bei Volkswagen auf „nur noch“ 12,4 Milliarden Euro für 2024 von der Wirtschaftspresse bejault wird: „Gewinneinbruch von 31%!“. Da scheint in Wirklichkeit doch die Sonne bei den Eigentümerfamilien von VW, bei den Porsches und Piëchs, die gar nicht mehr wissen, wohin mit dem vielen Geld. Selbst die Betriebsschließer von ThyssenKrupp oder von Schaeffler-Conti schütten Dividenden aus, von Rheinmetall und Airbus ganz zu schweigen. Die brauchen doch keinen Faschismus, sollte man meinen.

Die brauchen doch keinen Faschismus

Kohl, Schröder, Merkel, Scholz und Merz als Kanzler, parlamentarisches Geplänkel, Selbstbedienung an den Futtertrögen, Lügen, Betrügen und warme Worte. SPD hält die Gewerkschaften und die Arbeiter zahm, die Linke soll den Osten besänftigen, die CSU/CDU hält das Kleinbürgertum bei gedämpftem Jammern, vom Weltuntergang gelegentlich Betroffene werden durch die Grünen aufgefangen, für den Glauben an den Wiederaufstieg durch Leistung nach dem Ende der Geschichte gibt es immer mal wieder FDP und um die ewig Unzufriedenen einzubinden, hat man schließlich die AfD aufgepäppelt. Die darf dann die alten und neuen Nazis mit dem Kofferträger von CDU-Wallmann (Gauland), dem früheren BDI-Präsidenten Olaf Henkel (ausgetreten), den alt-junkerlichen Relikten (Beatrix von Storch), den Aufguss von Offizieren, Schulmeistern und Bürokraten aus allen Alt-Parteien zusammenpacken, um Hetze auf Flüchtlinge zu treiben. Irgendwer muss dem deutschen Michel ja zeigen, dass er nach unten treten muss, um fürs Buckeln nach oben gelobt und belohnt zu werden. Und um das Bild der Republik abzurunden: 20 bis über 50 Prozent Nichtwähler – prima, solange sie indifferent bleiben: „… etwas Zähes, trieft aus den Verstärkerämtern …“ meinte einmal Enzensberger zu diesem in 75 Jahren gedunsenen Gebilde namens BRD.

Da braucht es doch keinen Faschismus. Da ist die Bundeswelt in Ordnung. Und jetzt auch noch über eine Billion für die Aufrüstung. Die Mittel für die „Infrastruktur“ kann man getrost bei den Kriegskrediten dazuzählen: Lazarette statt Krankenhäuser, Bunker statt Wohnungen und schließlich zur Beruhigung der Grünen vielleicht der Leopard in der Elektroversion (?). Alles durchgesetzt, von allen abgenickt, nicht einmal bescheidene Oppositionsmöglichkeiten genutzt. Kein Aufschrei, keine Massenmobilisierung.

Wofür brauchen sie denn dann den Faschismus? Aus berufenem Mund war da früher mal zu hören: „Die primitiven Instinkte des Menschen gehen dahin, dass er von Natur faul ist. Wenn er viele Jahre nichts getan hat, ist er der Arbeit entfremdet und will nicht mehr arbeiten. Infolgedessen muss die Masse so schnell wie möglich wieder zur Arbeit erzogen werden. Abgesehen davon gehen den Menschen auch die idealen Begriffe verloren. 50% wollen nichts mehr vom Staat wissen und empfinden ihn als Zwangsjacke, 50% bezeichnen jedes Privateigentum als Diebstahl. Dies bedingt einen inneren unüberbrückbaren Zerfall, der eine Kraftprobe nie bestehen kann. Für jeden Staat ist Vorrausetzung die Einigkeit im Innern.1

Dafür brauchen sie den Faschismus

Das ist des Pudels Kern. Weit mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung ist auch heute trotz massiver Gehirnwäsche noch immer nicht für Krieg, Wehrpflicht, Aufrüstung. Die sind immer noch skeptisch mit Privateigentum und Kapitalismus und sehen diesen Staat nicht als Vertreter ihrer Interessen. Wenn man Krieg führen will, dann muss denen Mores gelehrt werden. Dann muss nicht nur der „Marxismus mit Stumpf und Stil ausgerottet“ werden, wie Hitler in der gleichen Rede verlangt; dann müssen auch Pazifisten, sonstige Weicheier, Warmduscher dran glauben. Wehrdienstverweigerung – in den „Bau“, Putinversteher – an die Wand.

Man muss kein Hellseher sein: Kriegstüchtig bis 2029 wird man mit Loveparade-Mentalität nicht, und mit sozialdemokratischen Bedenkenträgern auch nicht. Für ihre Weltmachtambitionen müssen die deutschen Imperialisten nicht nur drohen, sondern auch glaubwürdig angreifen können. Um den dafür notwendigen bedingungslosen Gehorsam, die Killermentalität und Todessehnsucht durchzusetzen, dafür werden vermutlich parlamentarische Formen der Diktatur des Finanzkapitals nicht reichen, dafür braucht es vermutlich offene terroristische Formen der Kapitalherrschaft. Es braucht den brutal zur Schau gestellten Zwang einer geballten Macht – nicht durch Gewerkschaften, NGOs, u.a. eingeschränkt -, um das eigene Volk an die Schlachtbank zu treiben. Kommt dann noch die wirkliche Krise mit weiteren Millionen Erwerbslosen, mit Unruhen aus den Betrieben und auf den Straßen, wenn gar der Kapitalismus in Frage gestellt wird, dann kommt eine weitere Ursache für den Griff nach offen terroristischen Formen zum Vorschein. Das nennt man gelegentlich „präventive Aufstandsbekämpfung“. Wir nennen es Faschismus.

Kurt Gossweiler: Aktiven und passiven Widerstand gegen Krieg brechen

Kurt Gossweiler formulierte das – in einer Auseinandersetzung mit Corell so: „Wir deutschen Kommunisten waren damals, 1932/33, überzeugt davon, es sei die Furcht der herrschenden Klasse vor der sonst unausweichlichen proletarischen Revolution, die sie zum Faschismus als letzte Rettung vor Sowjetdeutschland greifen ließ.

Diese Ansicht herrschte auch in der Kommunistischen Internationale vor und fand ihren Niederschlag gleich am Anfang des Referats von Georgi Dimitroff auf dem VII. Weltkongress mit der Feststellung, die Bourgeoisie greife zum Faschismus, weil sie ‚nicht mehr im Stande ist, die Diktatur über die Massen mit den alten Methoden der bürgerlichen Demokratie und des Parlamentarismus aufrechtzuerhalten.‘ Meine späteren Forschungen haben mir aber gezeigt, dass diese Einschätzung auf einer Überschätzung der eigenen, der revolutionären Kräfte, und einer Unterschätzung der Möglichkeiten der herrschenden Klasse zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft auch ohne Errichtung der faschistischen Diktatur beruhte. Wenn ihre entscheidenden Kräfte dennoch zielstrebig auf eben dieses Ziel hinarbeiteten, dann nicht, weil dies die einzige Alternative zur Erhaltung ihrer Herrschaft gewesen wäre, sondern weil ihr Ziel, das sie seit 1918 nie aus dem Auge gelassen hatte – eine zweite, besser vorbereitete Runde im Kampf um die Weltherrschaft – nur durch radikale Ausschaltung jeglichen Widerstandes im Innern, also vor allem durch die Vernichtung der legalen Organisationen der Arbeiterbewegung, zu erreichen war. … die aggressivsten Kreise der deutschen Monopolbourgeoisie übergaben die Macht an die deutschen Faschisten, weil sie alleine in ihr die Kraft sahen, die entschlossen und fähig war, radikal und ohne jegliche Hemmungen alle Hindernisse aus dem Wege zu räumen, die Widerstand leisten könnten gegen die forcierte Vorbereitung und die Auslösung des nächsten Krieges um die Eroberung der Weltherrschaft.“

Und Kurt Gossweiler fasst zusammen: „Die geschichtlichen Erfahrungen haben gezeigt: Die imperialistische Bourgeoisie wählt den Weg des Überganges von der bürgerlichen Demokratie zu einem Staat faschistischen Typs nicht nur dann, wenn es gilt, ihre Herrschaft gegen eine drohende proletarische Revolution zu verteidigen, sondern auch dann, wenn es ihr darum geht, jeden inneren und äußeren Widerstand gegen einen von ihr geplanten oder bereits entfesselten exzessiven Expansionskrieg oder gar einen Krieg um die Weltherrschaft unmöglich zu machen oder niederzuhalten.“2

Zum Wesen des Faschismus an der Macht

Als Wesen des Faschismus an der Macht haben wir also im Gegensatz zu bürgerlichen Ansätzen, die den Faschismus einem durchgeknallten Führer, oder dem Kleinbürgertum oder dem Deutschen oder dem Bösen an sich anlasten, festzuhalten: Offen-terroristische Herrschaftsform des Finanzkapitals – und hierbei seiner reaktionärsten, am meisten chauvinistischen und imperialistischen Elemente. Letztere Charakterisierungen weisen darauf hin, dass im Finanzkapital selbst scharfe Auseinandersetzungen stattfinden, ob der Weg von Reform und Betrug gegenüber der Arbeiterklasse (als der für die Herrschaft des Finanzkapitals einzig wirklich gefährliche Klasse) verlassen werden soll, ob die zuverlässige Stütze durch sozialdemokratisch geführte Arbeiteraristokratie und Arbeiterbürokratie in Gewerkschaften, Betriebsräten, Sozialverbänden usw. davongejagt werden soll. Und stattdessen eine buntscheckige, unberechenbare und abenteuerliche Massenbasis aus dem Kleinbürgertum mit terroristischen Willkürbefugnissen an die Macht gehievt werden soll.

Denn das ist der klassenbezogene Inhalt beim Umschlag von Quantität in Qualität, beim Umschlag von der Staatsform der bürgerlichen Demokratie zur Staatsform des Faschismus.3 Und das wird aus Erfahrung kein schleichender Übergang sein, sondern eine Konterrevolution, die sich zuspitzt und über Monate und sogar Jahre blutig hinziehen kann. Italien 1922 bis 1926, Deutschland 1933/34, Chile 1973 als historische Beispiele. Die konterrevolutionären „bunten Revolutionen“ in osteuropäischen Ländern 1989 ff., die die Niederlagen des Sozialismus in Europa besiegelten, sollte man damit nicht vergleichen, da sie von der Klassenherrschaft der Arbeiter und Bauern zurück zur Klassenherrschaft einer vom Imperialismus gestützten heimischen Bourgeoisie geführt haben, die mit den Segnungen der bürgerlichen Demokratie locken musste, Der Maidan Putsch 2014 dagegen gibt schon viel mehr Hinweise, wie der gewaltsame Übergang, dieser qualitative Sprung, zu einem neuerlichen Faschismus aussehen könnte.

Die Vorbereitung des Faschismus heute

Der Umsturz kommt aber nicht aus dem Nichts, er hat Schritte, Vorbereitungsetappen, ihm geht ein reaktionär-militaristischer Staatsumbau voraus, wie es die DKP richtig charakterisiert.4

Ein Szenario für die Entwicklung zum Faschismus in der BRD habe ich in KAZ 390 skizziert:

Dabei wird – so das Kalkül der aggressivsten Kräfte im deutschen Finanzkapital – die SPD-Führung den Niedergang ihrer eigenen Partei forcieren und die Entwaffnung der Arbeiter und aller Werktätigen als handlungsfähiger Teil der Gesellschaft, als Klasse vorantreiben. Sie soll die Militarisierung vorantreiben, die Gesetze machen, die dann von den Ultrarechten und Faschisten und ihrem Mob genutzt werden können, um den Übergang zu einer offen terroristischen Diktatur als ,Notstand’ und seine Überwindung zu tarnen. Denn: Zunehmende Krise und Erwerbslosigkeit, Lähmung von Parlament und Regierung – ,Unregierbarkeit’, Schüren von Hoffnungslosigkeit und Wurstigkeit – das soll dann der von der SPD-Führung vorbereitete Boden sein, auf dem nach der ,Starken Hand’, dem ,Aufräumen’, den ,Notverordnungen’ und wenn nötig dem Faschismus gerufen werden kann. Und dann braucht es nur noch einen neuen Kriegsherd, ein großes Attentat …. Das ,Kochen der Volksseele’ besorgen dann schon CSU und AfD und die Döpfners von Springer, die Mohns von Bertelsmann … Und im Untergrund sammeln sich die bewaffneten Schergen des Faschismus, die seit langem schon herangezogen werden bei KSK, Uniter, Nordkreuz … Noch ist der Faschismus nicht ums Eck. Aber wie sehr die Bande und ihr dreistes Auftreten schon zur Normalität wird, dafür haben wir doch die Zeichen: Die Meloni, die Le Pen – wie sie inzwischen auch von relevanten Großkapitalisten hofiert werden – und bei uns in Landtagswahlen schon bald 30% für die AfD, ohne dass die Gewerkschaften ernsthaft die Gegenwehr vorbereiten. Wir wären schlecht beraten, wenn wir im Kampf um den Frieden und gegen die schändliche Rolle der SPD-Führung die faschistische Gefahr unterschätzten. Das ist der Hintergrund der Kampagne für Pistorius. Ob und wann sich die entscheidenden Kräfte im deutschen Monopol- und Finanzkapital von der Sozialdemokratie, vom Kurs der ,Sozialpartnerschaft’ verabschieden, ist in diesen Kreisen selbst umstritten. Das zeigt sich derzeit bei den Auseinandersetzungen zwischen VW-Vorstand und Gewerkschaftsführung. Der Tarifabschluss mit fünf Jahren Stillhalten bei den Löhnen zeigt: Der Preis für das Erhalten der ,Arbeitsgemeinschaft’ wird vom Kapital ständig erhöht. Der ,Standort Deutschland’ und die ,internationale Konkurrenzfähigkeit’ werden mit der Sozialdemokratie nur noch ,gemeinsam’ dadurch gesichert, dass den Arbeitern das Messer an die Kehle gesetzt wird.“

SPD-Führung: Haltet den Dieb!

Was die bürgerlichen Parteiführungen, vorneweg die SPD-Führung in unverantwortlicher Weise betreiben: Sie lenken ab, vom reaktionär-militaristischen Staatsumbau, von ihren Maßnahmen, die dem Faschismus den Weg bereiten, indem sie auf die Faschisten in der AfD deuten. Sie rufen faktisch zur Aktionseinheit gegen die offenen Faschisten auf, um gleichzeitig Maßnahmen, die den Faschismus begünstigen, durchzusetzen.

Das ist eine üble Masche, die auch an anderen Stellen zu beobachten ist: Scholz u.a. sprechen inzwischen sogar von „Imperialismus“ – natürlich bei anderen (beliebt z.B. Russland oder China), um die eigenen Ambitionen zu verschleiern.

Wenn sie von Verteidigung der Demokratie, die sie in ihrer parlamentarischen Form gerade zuschanden reiten durch Grundgesetzänderungen, wofür die Mehrheiten in letzter Minute zusammengezimmert werden, durch schuldenversteckende Sondervermögen/Schattenhaushalte, die alle Dimensionen und alle vorherigen Schwüre brechen, die das Budgetrecht des Parlaments in Frage stellen ….

Es ist die Methode „Haltet den Dieb!“ Sie hat aber darüberhinaus noch etwas Unverantwortliches und Infames. Sie appelliert an die besten antifaschistischen und antimilitaristischen und antiimperialistischen Gefühle im Volk – nur um auch der Bourgeoisie zu demonstrieren, dass man doch noch alles im Griff hat, dass die Herrn vom Finanzkapital nicht umschwenken brauchen auf die unsicheren, faschistischen Kumpane von der AfD. Es sieht aus wie ein Betteln beim Kapital, nicht noch einmal den verhängnisvollen Weg zu gehen. Dabei ist das Verhängnis in den Augen von Klingbeil oder Noskorius nicht der Weg in den Krieg, sondern der Weg in den Krieg ohne die SPD. Um die SPD-Führung von dem verhängnisvollen Kurs der immer weitergehenden Zugeständnisse an Kapital und Reaktion abzubringen, braucht es gewaltige Anstrengungen aus den Gewerkschaften und den anderen in ihren Interessen durch das Finanzkapital geschädigten Klassen.

Das sehen wir doch heute vor unseren Augen, wie diese Angriffe auf die Gewerkschaften, auf die Arbeiterrechte (jetzt z.B. die Arbeitszeit, die Kündigungen von Beschäftigungssicherungsverträgen, die Debatte ums Bürgergeld, die generelle Infragestellung der sozialen Sicherungen im Zuge der Militarisierung, im Zuge der Politik von „Kanonen statt Butter usw.) von der SPD-Führung geduldet werden, wie sie dazu die Hand reicht. Hinzu kommen die Angriffe auf die demokratischen Rechte und Freiheiten: auf die freie Meinungsäußerung, auf das Versammlungsrecht.

Faschismus, Israel und „deutsche Staatsräson“

Nicht zu übersehen sind die Negierungen der im Völkerrecht zentralen Gleichberechtigung der Nationen, nicht zuletzt durch den Missbrauch des Staates Israel, der unantastbar über dem Völkerrecht stehen soll. Das ist zur deutschen „Staatsräson“ erhoben worden und soll in der Perspektive nicht mehr und nicht weniger suggerieren: Was für Israel möglich sein soll, darf doch Deutschland nicht verwehrt werden. Wenn Israel eine Regierung hat, die mit Faschisten durchsetzt ist, wer sollte das Deutschland verwehren. Wenn eine Gesellschaft sich bis an die Zähne bewaffnet und im dauernden Ausnahmezustand leben kann wie Israel, wie sollte das für Deutschland nicht möglich sein. Und wer das in Frage stellt, wird heute als Antisemit gebrandmarkt und wird morgen als Landesverräter den dann dazu errichteten Sondergerichtshöfen übergeben … Schließlich – ist damit impliziert – hat Deutschland sich durch die Ermordung von Millionen Juden das Recht gesichert, darüber zu entscheiden, was für Israel gut ist, was über Israel gesagt werden darf, wer etwas über Israel sagen darf und schließlich – höre Jüdische Stimme!! – wer Jude ist und wer nicht. Nur Deutsche wissen schließlich, was Antisemitismus ist!

In welch angenehmer Gesellschaft sich dabei unsere „antideutschen“ Regierungsflüsterer befinden? Die angebräunte Herzogin v. Storch, Spitzenkandidatin der AfD in Berlin, prahlt in der Bundestagsdebatte vom 7. November 2024 („Jüdisches Leben in Deutschland schützen …“): „Die Freunde des jüdischen Staates finden sich heute nicht auf der Linken, sondern auf der demokratischen Rechten, bei der AfD, bei Geert Wilders, Victor Orban und bei Donald Trump, über dessen Wahl sich alle Demokraten in diesem Haus sehr herzlich freuen.“

Sie lieben Israel, solange sie es verwenden können, insbesondere gegen MigrantInnen und für ihre antiislamische und rassistische Hetze.

Zusammenfassend: Faschismus ist in seinem Wesen keine Ablösung oder Überwindung des Kapitalismus, sondern Herrschaft des Kapitals selbst. Was an ihm „sozialistisch“ sein soll, hat Hitler selbst in der bereits genannten Rede vor Reichswehrkommandeuren erläutert: „Die Wehrmacht ist die grandioseste sozialistische Einrichtung.5

Und die Rolle der AfD

Solange die Regierung – in welcher Zusammensetzung auch immer – Militarisierung und Kriegspolitik betreibt, müssen wir sie bekämpfen. Aber wir sollten uns nicht davon irre machen lassen, dass die AfD-Führung zum Schein in der Frage des Ukraine-Kriegs nicht einstimmt in die Verurteilungsorgie gegen Russland. Es ist aber eine alte deutsch-preußische Karte, die hier ins Spiel gebracht wird: Russland nutzen für deutsche Großmachtambitionen im Kräfteverhältnis zu den europäischen Imperialisten in Frankreich und England. Und gegenüber den US-Imperialisten. Mit dem von der AfD verehrten Dealer in Washington hoffen sie Russland aus der Verbindung mit der VR China herauszulösen. Wenn man wirklich wissen will, was die AfD zu Freundschaft mit dem russischen Volk meint, sollte sich mal ein paar Stellungnahme aus der AfD zum 80. Jahrestag der Befreiung ansehen. Hier nur exemplarisch der Redebeitrag im Landtag vom Westimport aus der oberbayrischen Holledau, Dominik Kaufner, für die AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag (27.3.25):

Tatsächlich ist die Darstellung, die wir von den Partnern Ihres Entschließungsantrages – also jetzt nur noch von der SPD – immer wieder hören, nämlich dass Putins Russland jeden Moment über unser Land herfallen könnte, hysterisch und unrealistisch. (Beifall AfD)

Das gilt allerdings nicht für das Sowjetrussland Stalins, das Sie in Ihrer Aktuellen Stunde glorifizieren wollen, denn das marxistische Russland hat seine Nachbarn Finnland und Polen tatsächlich überfallen, ist tatsächlich einer weltrevolutionären Eroberungsideologie gefolgt, hat tatsächlich unfassbare Kriegsverbrechen und Massenmorde zu verantworten und hat tatsächlich halb Europa für ein halbes Jahrhundert unterjocht und demokratische Aufstände brutal niedergeschlagen. (Beifall AfD) …“

Der Feind unseres Feindes ist nicht unser Freund. Er ist auch nicht vorübergehender Bündnispartner. Wir sollten nicht vergessen, wozu an Demagogie und Lügenorgien die Faschisten schon immer fähig waren. (s. Hitlers „Friedensrede“ im Reichstag vom 17. Mai 1933).

Und wenn auch heute im Zentrum der Kampf gegen die Vorbereitung des Kriegs stehen muss, für Freundschaft mit Russland und China, dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren, wie dafür die demokratischen Rechte durch die bürgerlichen Parteien und die SPD-Führung geschleift und damit Schritte auf dem verderblichen Weg in den Faschismus gegangen werden. Und dafür haben die Herrschaften von Regierung und Kapital als einen Baustein die AfD geschaffen, um eine Massenbasis zu schaffen, die den Kurs nach Rechts forciert und die Verseuchung mit reaktionärer, faschistischer, imperialistischer und chauvinistischer Ideologie vorantreibt. Diesem in nationale und soziale Demagogie verkleideten Gedankengut entgegenzutreten ist Aufgabe aller Antifaschisten und Antimilitaristen.


Kurt Gossweiler (1917 bis 2017, Bild: am Grab von Erich Mühsam), einer der bedeutendsten DDR-Faschismusforscher:
„Die imperialistische Bourgeoisie wählt den Weg des Überganges von der bürgerlichen Demokratie zu einem Staat faschistischen Typs nicht nur dann, wenn es gilt, ihre Herrschaft gegen eine drohende proletarische Revolution zu verteidigen, sondern auch dann, wenn es ihr darum geht, jeden inneren und äußeren Widerstand gegen einen von ihr geplanten oder bereits entfesselten exzessiven Expansionskrieg oder gar einen Krieg um die Weltherrschaft unmöglich zu machen oder niederzuhalten.“


„Wir wären schlecht beraten, wenn wir im Kampf um den Frieden und gegen die schändliche Rolle der SPD-Führung die faschistische Gefahr unterschätzten.“ Bereits einen Tag nach dem unrühmlichen Abgang von Kaiser Wilhelm II. schloss der damalige Vorsitzende des Rats der Volksbeauftragten und spätere Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD, Bild oben) mit General Wilhelm Groener (im Auftrag der Obersten Heeresleitung, Bild unten) ein Abkommen, das den konterrevolutionären Pakt der sozialdemokratischen Führung mit dem Militär besiegelte. Es wurde 1933 von den deutschen Faschisten im Auftrag des Finanzkapitals und im Zusammenspiel mit führenden Militärs gebrochen. Auch den SPD-Führern standen nun die Tore in Zuchthaus und KZ weit offen.


Der Industriemagnat als Vertreter vor allem der Schwerindustriellen von Rhein und Ruhr, Hugo Stinnes, (Bild oben) schloss (zusammen mit anderen Kapitalvertretern darunter Siemens, Borsig und Krupp-Direktor Hugenberg) am 15. November 1918 u.a. mit dem führenden Gewerkschafter Carl Legien (Bild unten) das sog. Stinnes-Legien-Abkommen, die „Satzung für die Arbeitsgemeinschaft der industriellen und gewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Deutschlands). Der Zweck: die Ruhigstellung der Arbeiterklasse und die Niederschlagung der revolutionären Arbeiterbewegung. Es gilt als Ausgangspunkt für die deutsch-förmliche Begründung der ,Sozialpartnerschaft’. Es führte vom Frieden zwischen den Klassen (bei Anerkennung der Klassen) zur Unterdrückung der gesamten Arbeiterbewegung und zur Errichtung der unverhüllten terroristischen Klassenherrschaft der Bourgeoisie und von den Nazis zynisch ,Volksgemeinschaft’“ (Leugnung der Existenz von Klassen) genannt.


  1. Hitler in seiner Rede vor Kommandeuren der Reichswehr bereits am 3. Februar 1933 –
    www.1000dokumente.de/Dokumente/Rede_Adolf_Hitlers_vor_den_Spitzen_der_Reichswehr – 17.05.2025 ↩︎
  2. s. KAZ 308 vom Juli 2004. Hier enthalten ist die Antwort von Kurt auf die Kritik von Corell (meinem damaligen Pseudonym) an seinen Ausführungen zu USA und Faschismus in KAZ 306. ↩︎
  3. „Der Machtantritt des Faschismus ist keine einfache Ersetzung der einen bürgerlichen Regierung durch eine andere, sondern eine Ablösung der einen Staatsform der Klassenherrschaft der Bourgeoisie – der bürgerlichen Demokratie – durch eine andere Form – durch die offene terroristische Diktatur. Die Ignorierung dieses Unterschiedes wäre ein ernster Fehler, der das revolutionäre Proletariat daran hindern würde, die breitesten Schichten der Werktätigen in Stadt und Land zum Kampf gegen die Gefahr einer Ergreifung der Macht durch die Faschisten zu mobilisieren sowie die Gegensätze auszunutzen, die im Lager der Bourgeoisie selbst vorhanden sind.“ Georgi Dimitroff, Arbeiterklasse gegen Faschismus, www.marxists.org/deutsch/referenz/dimitroff/1935/bericht/ch1.htm – 17.05.2025 ↩︎
  4. „Doch ein nicht minder ernster und gefährlicher Fehler ist die Unterschätzung der Bedeutung, die die gegenwärtig in den Ländern der bürgerlichen Demokratie sich verschärfenden reaktionären Maßnahmen für die Aufrichtung der faschistischen Diktatur haben, jene Maßnahmen, die die demokratischen Freiheiten der Werktätigen unterdrücken, die Rechte des Parlaments fälschen und beschneiden, die Unterdrückungsmaßnahmen gegen die revolutionäre Bewegung verschärfen.“ (a.a.O.) ↩︎
  5. Hitler in seiner Rede vor Kommandeuren der Reichswehr am 3. Februar 1933, a.a.O. ↩︎