15.07.2021: Ehrung für Gerda und Wolfgang Szepansky

Mit der offiziellen Benennung eines Grünzugs am Teltowkanal am 15. Juli in Anwesenheit von Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) in „Ger-da-und-Wolfgang-Szepansky-Promenade“ ehrt der Bezirk Tempelhof-Schöneberg endlich auch im Straßenland sichtbar das Engagement des Ehepaars gegen den Nationalsozialismus und in der Erinnerungsarbeit.

Diesem Schritt vorausgegangen war eine mehrfache Zerstörung und Erneuerung der Gedenktafel für Wolfgang Szepansky in der Kreuzberger Methfesseltraße und die vor mehr als zwei Jahren begonnene Diskussion um eine mögliche Umbenennung dieser, von den Nationalsozialisten 1935 nach einem völkischen Dichter benannten Straße.

Bei der Einweihungsfeier der bisher letzten Gedenktafel im November 2019 erklärte der Tempelhof-Schöneberger Stadtrat Oliver Schworck (SPD): „Es ist an der Zeit Wolfgang nicht nur mit einer Tafel zu ehren, sondern auch mit der Benennung einer Straße, warum nicht dieser Straße hier im Zentrum Berlins oder sofern dies nicht möglich ist, eine Straße in seinem Heimatbezirk.“ Die Umbenennung in Kreuzberg war nicht möglich und auch in Tempel-hof-Schöneberg fand sich keine Straße. Stadtrat Schworck ist dennoch zufrieden: „Ich bin dankbar und glücklich, dass ich einen Teil zur Benennung beitragen konnte. Gerade in diesen Zeiten brauchen wir mehr Erinnerungskultur, nicht weniger. Dafür müssen wir auch den öffentlichen Raum nutzen, um an die zu erinnern, die für Freiheit und Menschen-rechte ihr Leben riskiert haben.“

Manuela Harling und Marijke Höppner von der SPD-Fraktion griffen in der BVV Tempelhof-Schöneberg Ende 2019 die Idee auf und beantragten, nicht nur die Arbeit von Wolfgang, sondern auch die seiner Ehefrau Gerda zu würdigen. In der Begründung heißt es: „Gerda und Wolfgang Szepansky lebten in Mariendorf. Das Ehepaar, das gemeinsam vier Kinder hatte, hatte sich nach dem II. Weltkrieg bei einer Sitzung antifaschistischer Lehrerinnen und Lehrer kennengelernt. Gerda (*06.09.1925, †03.08. 2004) war Lehrerin und Autorin. Wolfgang (*09.10.1910, †23.08.2008) war Lehrer, Maler und Autor. Beide wurden wegen ‚aktiver Betätigung im Sinne der SED‘ aus dem Schul-dienst entlassen. Wolfgang zugleich die Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus aberkannt. Die Aberkennung wurde erst nach einem fast 20jährigem Prozess gegen das Land Berlin wieder rückgängig gemacht.“ Quelle: BA TS

Antifaschismus war das Credo ihres Lebens. Gerda arbeitete als Autorin zum Thema Nationalsozialismus und Widerstand. Wolfgang Szepansky, der von 1940 bis 1945 im KZ Sachsenhausen eingesperrt und Mitglied des Sachsenhausenkomitees war, hat Tausenden Menschen als Zeitzeuge, unter anderem fast 30 Jahre bei den Antifaschistischen Stadtrundfahrten durch Tempelhof, zur Verfügung gestanden. 1996 wurden beide mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt.

In einer Rede anlässlich der Namensgebung der Promenade dankte Thomas Szepansky, der älteste der drei Söhne, den Initiatoren, dass es nun eine sichtbare Erinnerung an seine Eltern gäbe.

 In sehr persönlichen Worten erinnerte er an das Wirken seiner Eltern, ihren Kampf gegen ihr Berufsverbot in 1950er Jahren, die Möglichkeit der antifaschistischen Arbeit und der späten Anerkennung dieser durch die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes. Ihren Kindern waren Gerda und Wolfgang immer liebevolle und tolerante Eltern gewesen. Szepansky möchte die Ehrung auch verstanden sehen, als ein Zeichen gegen den heutigen Rassismus, Sexismus, Judenfeindlichkeit und faschistischem Gedankengut sowie als Ehrung der Werte des Humanismus, die seinen Eltern besonders am Herzen lagen.

Auch Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler würdigte die Arbeit von Gerda und Wolfgang und machte deutlich, dass es Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre keine Selbstverständlichkeit in der Bundesrepublik war, sich mit der Geschichte vor Ort auseinanderzusetzen und hierbei Zeitzeugen einzubinden. Dieser Pionierarbeit, die in Tempelhof und später im Bezirk Tempelhof-Schöneberg mit von Gerda und Wolfgang geprägt wurde, ist es zu verdanken, dass es viele Erinnerungsorte im Bezirk gibt. Die damaligen politischen Auseinandersetzungen wären so heute nicht mehr vorstellbar.

Schöttler nahm die heutige Ehrung auch zum Anlass, an Regina Szepansky, der Tochter von Gerda und Wolfgang, zu erinnern. Regina Szepansky war bis zu ihrem Tod mit 54 Jahren am 13. September 2019 eine feste Größe in der Berliner und Brandenburger Erinnerungs- und Gedenkstättenarbeit. Neben der Unterstützung der Arbeit ihres Vaters nach dem Tod ihrer Mutter engagierte sie sich seit 2013 unter anderem in Tempelhof-Schöneberg als Projektleiterin von „Wir waren Nachbarn − Biografien jüdischer Zeitzeugen“. Die Ausstellung erinnert an die Schicksale der von 1933 bis 1945 verfolgten und ermordeten jüdischen Nachbarn aus dem heutigen Tempelhof-Schöneberg. Mit Blick auf die viermal zerstörte Gedenktafel für Wolfgang in der Methfesselstraße in Kreuzberg sprach Schöttler die Hoffnung aus, dass dieses Benennungsschild unbeschädigt bleibt.

Die Forderung der SPD-Fraktion, wonach der Grünzug, der auch von Fahrradfahrenden genutzt werden darf, instand zu setzen sei, wurde von der für die Grünflächenpflege zuständigen Stadträtin, Christiane Heiß (Grüne) bislang nicht erfüllt. Neben kaputten Sitzgelegenheiten liegt massenhaft Unrat zum Ufer des Teltowkanals hin. Dies sollte sich schnellstens ändern. Es ist gut, dass Gerda und Wolfgang Szepansky endlich im Bezirk geehrt wer-den. Beide hätten jedoch einen würdigeren Ort als einen Grünstreifen am Kanal verdient.

geschrieben von: Redaktion paperpress591 

Hier der Wortlaut der Rede von Thomas Szepansky:

„Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Anwesende,

Zuerst und vor allem möchte ich mich herzlich bedanken bei allen die sich so kraftvoll für die Benennung dieses Weges in Gerda-und-Wolfgang-Szepansky-Promenade eingesetzt haben.

Ich freue mich, dass mit dieser Benennung nach meinen Eltern zwei in Tempelhof verwurzelte Menschen gewürdigt werden, die ihr Leben lang gegen Faschismus, Frauenfeindlichkeit Rassismus und Unterdrückung und für die Emanzipation der Frau und eine demokratische und humanistische Gesellschaft gekämpft haben.

Meine Mutter, die als junge Frau den Krieg beim Heulen der Sirenen im Luftschutzbunker erlebte und ausgebombt wurde, mein Vater der in den letzten Kriegstagen noch vom KZ Sachsenhausen auf den Todesmarsch gehetzt wurde und nur mit knapper Not überlebte, für sie war klar:
Nie wieder Krieg und nie wieder Faschismus und von deutschem Boden darf nie wieder ein Krieg ausgehen.
Obwohl als Kind einer Arbeiterfamilie aufgewachsen, entwickelte meine Mutter schon früh die Liebe zur Literatur und zum Schreiben. Von ihrer Lehrerin gefördert, bekam sie die seltene Möglichkeit zum Abitur und zum Hochschulstudium und so wurde sie zur Lehrerin und später Schriftstellerin.
Sie war Autorin und dabei auch eine frühe Vertreterin der „Oral History“, eines historischen Forschungsansatzes, der die mündliche Überlieferung von Zeitzeugen als historische Quellen nutzt und dadurch ein lebendiges und authentisches Geschichtsbild der Zeit erzeugt.

Meine Mutter, die mit der von ihr konzipierten Wanderausstellung „Lösch nie die Spuren“, auf Einladung, meist von Frauengruppen, durch ganz Deutschland reiste und aus ihren Büchern las in denen sie Frauen zu Wort kommen ließ, die über ihr Schicksal, ihr Leiden und ihren Widerstand in der Nazidiktatur berichteten, aber auch vom Lebenswillen, der Menschlichkeit und dem Friedenswillen der Frauen erzählen. In den Lebensgeschichten der Frauen wird geschildert, wie sie zum Widerstand kamen, welchen Grausamkeiten und Verfolgungen sie ausgeliefert waren, aber auch wie viel Anteilnahme und Solidarität sie erlebten. Ihre Schicksale erschüttern und machen zugleich Mut, der uns auch heute Kraft und Hoffnung gibt.

Mein Vater ging mit der Machtergreifung Hitlers in den Widerstand. Nach seiner Verhaftung durch die Nazis1933 emigrierte er 1934 nach Holland und wurde mit dem Einmarsch der Wehrmacht in Gefangenschaft und ins KZ Sachsenhausen verbracht, wo er schließlich Anfang Mai 1945 befreit wurde.

Beim Aufbau einer neuen demokratischen Gesellschaft nach 45 lernten sich meine Eltern kennen und lieben. Voller Zuversicht wurden sie engagierte Lehrer und blieben gleichzeitig ihren Überzeugungen als Sozialisten treu.

Anfang der fünfziger Jahre wurden meine Eltern deshalb mit Berufsverbot aus dem Schuldienst entlassen. Ich bin entsetzt, dass der CDU Spitzenkandidat in Südthüringen und ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans Georg Maaßen wieder eine Gesinnungsüberprüfung für Demokraten fordert und sich so bei der AfD und den Rechtsradikalen anbiedert.

Mein Vater machte es sich zur Aufgabe, den Jugendlichen in den Berliner Schulen von der schrecklichen Zeit der Nazidiktatur als Zeitzeuge zu berichten. Sei es mit dem Landesjugendring bei antifaschistischen Stadtrundfahrten zu Stellen des Widerstands oder bei den über 1000 Führungen von Gruppen durch die Mahn- und Gedenkstätte des ehemaligen KZ Sachsenhausens.

Beide, meine Mutter und mein Vater erhielten für ihr Engagement 1996 das Bundesverdienstkreuz am Bande.

Meine Eltern, die Kabarett und Theater spielten, die malten und dichteten, kümmerten sich liebevoll um uns Geschwister. Ich habe meine Eltern immer als sehr verständnisvoll und tolerant erlebt. Voller Stolz kann ich heute sagen, dass sie mir stets Vorbild waren.

Meine Eltern waren trotz der schrecklichen Erlebnisse nie verbittert und voller Optimismus. Und so ist die Benennung dieses Weges in Gerda-und-Wolfgang- Szepansky-Promenade auch ein Zeichen gegen die zunehmende rechte Gewalt
gegen Demokraten, Antifaschisten und Juden, gegen rassistische und
sexistische Gewalttaten.
Lassen wir nicht zu, dass der Hass unser Leben bestimmt, kämpfen wir weiter für eine friedliche und lebenswerte Gesellschaft.
Danke“

15.07.2021

Quellen: Text paperpress591
Wortlaut: Thomas Szepansky
Foto Gedenktafel: https://vvn-vda.de/ehrung-fuer-gerda-und-wolfgang-szepansky/
Fotos: mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt Thomas Szepansky

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