Die Buchmacherei

Ein linker Verlag stellt sich vor

Text: Jochen Gester, 03.12.2020

Wir sind ein Kollektiv von gegenwärtig 12 Personen, die sich einmal im
Jahr – in der Regel zum Jahresbeginn – treffen und ansonsten per Mail-
austausch miteinander verbunden sind. Das ist der Verlagskreis. Er trifft
die grundlegenden politischen Entscheidungen, z.B. welche Bücher wir
herausgeben wollen. In der Regel gilt ein Buch als angenommen, wenn
niemand ein Veto dagegen einlegt.

Rein rechtlich betrachtet haftet in der Buchmacherei eine Person aus dem Kreis als Verleger. Dies war jedoch nie unsere Wunschkonstruktion. Sie folgte nur daraus, dass sich Amtsgericht und Finanzamt geweigert haben, uns jeder Art von Vereinsstatus zuzuerkennen. „Der Verleger“ verwaltet jedoch nur die vorhandenen Vermögenswerte. Faktisch bilden sie das Vermögen des Verlagskreises. Alle Mitglieder des Verlagskreises, der „Verleger“ inbegriffen, arbeiten unentgeltlich.

Im Verlagskreis haben sich über die Jahre vor allem ehemalige politische Aktivist*innen verschiedenster Strömungen des westdeutschen
kommunistischen und sozialistischen Spektrums gesammelt, deren heutige Gemeinsamkeit vielleicht am besten durch den Spruch:

„Verändernd bleiben wir uns treu“

zu charakterisieren wäre. Die meisten sind über 60, die ältesten 80.

Kaum eine Richtung des westdeutschen Antikapitalismus, die sich in
der Tradition der Arbeiterbewegung sah, fehlt hier. Wir
haben ehemalige Mitglieder der DKP, der KPD/ML, des KBW (Kommu-
nistischer Bund Westdeutschland), des SB (Sozialistisches Büro), der
Gruppe Arbeiterpolitik, der GIM (Gruppe Internationaler Marxisten), ja
auch einen Genossen, der der französischen Gauche Proletarienne nahestand.
Dazu bekamen wir aktuell die Unterstützung einer Genossin aus Wien, die mit ihrem marxistisch-libertären Selbstverständnis gut in die Runde passt.

Besonders freuen wir uns über den Einstieg zweier eher jüngerer Genossen des rebellischen Kreuzberg, die u.a. ein Arbeiter*Innenbildungskollektiv ins Leben gerufen haben.

Der Selbstfindungsprozess des Verlagskollektivs aus ehemaligen „Kadern“
der früher im ideologischen Clinch miteinander verkehrenden Organisationen verlief z.B. in kritischer Auseinandersetzung mit dem damals weit verbreiteten Avantgardismus und „Wahrheitsverständnis“, die zumeist leninistisch geprägt waren. Im Rahmen dieses Lernprozesses fanden wir auch zu einem neuen positiv besetzten Begriff von Freiheit und zur Würdigung der anarchistischen Strömungen der Arbeiterbewegung. Zur Frage des Anspruchs möchte ich in diesem Kontext nur herausstreichen, dass wir uns darum bemühen, durch unsere Publikationen ein Verständnis des gesamten sozialrevolutionären Geschichtsprozesses zu ermöglichen und uns nicht als Leuchtturm politischer Richtungen begreifen.

Mittlerweile blicken wir dabei auf 15 Jahre Verlagsarbeit zurück.

In den ersten 10 Jahren folgten die Titel den beiden Reihen „Konkrete
Utopien als Lernprozess“ und „Soziale Kämpfe – historisch und aktuell“.
Reflektiert werden Selbstverständnis, Zielsetzungen sowie das Schicksal
der Zukunftsentwürfe der Arbeiter*innenbewegung. Gefragt wird
nach den Ursachen für Niederlagen ihres Scheiterns. Natürlich ist es
kein Zufall, dass die Analyse der russischen Revolution, die einmal
weltweit Modell stand, hier einen besonders breiten Raum einnimmt. In
der zweiten Reihe pflegen wir einerseits Erinnerungen und Verständnis
von Arbeitskämpfen und sozialen Rebellionen. Zum anderen lenken wir
am Puls der Zeit den Blick auf neue emanzipatorische Kampfformen wie
z.B. der Bewegung der Gelbwesten in Frankreich oder publizieren aktuell
zur Lage in den deutschen Schlachthöfen oder im Gesundheitssystem.

Die beiden ersten Reihen haben wir dann ergänzt durch die Rubriken
„Die andere Literatur“ sowie „Lebenswege und Biografien“.
Wir würden unserem Programm gerne in der Zukunft auch eine Rubrik „Lebendiger Antifaschismus“ hinzufügen.

Es dürfte wenige linke Verlage geben, die so viele Neuherausgaben
bereits erschienener Titel im Programm haben – Bücher, die entweder
vergriffen oder nur zu Höchstpreisen antiquarisch zu haben sind. Zu-
meist wurden ehemalige „Klassiker“ von Mitgliedern des Verlagskreises
erstmals entdeckt und dann zur Neuherausgabe empfohlen. (z. B. bei
Volin, Richard Müller oder Ante Ciliga). In anderen Fällen traten linke
Historiker von außerhalb auf uns zu und regten das erneute
Verfügbarmachen von Büchern an. So ging das Erstellen einer neu gesetzten und nachkorrigierten Ausgabe von Erhard Lucas‘ Märzrevolution zurück auf eine Anregung von Lothar Wenzel, ehemals Sekretär der Bildungsabteilung der IG Metall.

Eine langjährige Zusammenarbeit verbindet uns auch mit Redakteuren von
„Arbeit. Bewegung. Geschichte“.

Ferner freuen wir uns über immer mehr Anfragen linker Autoren auf
Veröffentlichung ihrer Bachelor- oder Masterarbeiten zu Arbeitsweltfragen.

Wir haben leider keine Verlagsräume. Die Arbeit findet im Wesentlichen
in den privaten Wohnungen statt. Doch gerne vermitteln wir Kontakt zu
allen Mitgliedern des Verlagskreises.

Neuerscheinungen der Buchmacherei sind auf unserer Website

www.diebuchmacherei.de

zu finden.

Jochen Gester
Kontaktmöglichkeiten für alle Interessierten:
Mail: kontakt@diebuchmacherei.de
Postadresse: Die Buchmacherei , Postfach 61 30 46, 10964 Berlin
Telefon: 030 81 85 77 59; Fax 03212 103 29 81

Recht herzlichen Dank an Jochen Gester von der Basisgruppe Friedrichshain-Kreuzberg der VVN BdA, der uns den Text über „Die Buchmacherei“
Zur Verfügung gestellt hat.

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!