Seelenbinder-Gedenken 2025

Einleitungsbeitrag


Heute treffen wir uns hier wieder, um Werner Seelenbinder zu gedenken, dem Arbeitersportler und Widerstandskämpfer gegen die Faschisten, der vor 81 Jahren von diesen im Zuchthaus Brandenburg-Görden mit dem Fallbeil ermordet wurde.

Seit 1938 stand der Ringer in enger Verbindung zum (damaligen) Leiter der Berliner KPD, Robert Uhrig. Während des Krieges beteiligte sich Seelenbinder unter anderem auch an der Herstellung und Versendung illegalen Materials an Frontsoldaten.

Der Arbeitersportler wurde im Zusammenhang mit der Zerschlagung der Gruppe Uhrig im Februar 1942 festgenommen. Nach über zwei Jahre Folter und Haft wurde Werner Seelenbinder am 24. Oktober 44 hingerichtet, am gleichen Tag ermordeten die Faschisten ebenfalls Walter Eichberg, Erich Lodemann, Otto Schmirgal und Hans Zoschke. Weitere Morde fanden im August 1944 statt, etwa an Robert Uhrig und an Charlotte Eisenblätter.

Seelenbinder war nicht der einzige Arbeitersportler, der den Widerstand der KPD mittrug. Es sei stellvertretend an Cäsar Horn und Willi Sänger erinnert, die wie Seelenbinder ihren Widerstand mit dem Leben bezahlten.

Nach der Befreiung trug das Sportstadion Oderstraße, wohin Seelenbinders Urne im Juli 45 umgebettet worden war, den Namen Werner Seelenbinder-Kampfbahn – bis zur Spaltung Berlins 1948. Erst im Oktober 2004 erhielt das Stadion die Namensehrung zurück. Am 9. September 1945 fand hier im Sportpark, der erste Tag der Opfer des Faschismus statt. Organisiert vom Groß-Berliner Magistrat strömten an die 100.000 Menschen in 30 Demonstrationszügen aus ganz Groß-Berlin zusammen. Aber dazu werden wir nachher noch mehr hören. Auch der Kampf der Gefangenen im Zuchthaus Brandenburg-Görden wird Thema eines Beitrags sein.

Die Kundgebung im September 1945 war beseelt von dem Gedanken, dass es Krieg und Faschismus niemals wieder geben darf und sie war durchdrungen von dem Leitgedanken der Einheit aller Antifaschistinnen über Parteigrenzen und Religionszugehörigkeiten hinweg. Und gerade weil sich der Zeitgeist wieder gedreht hat und die Parole „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!”nicht mehr ernst genommen wird, ist der Kampf gegen Faschismus und Krieg heute so aktuell wie lange nicht mehr, europaweit, weltweit. Und das Gleiche gilt für die Einheit aller Antifaschistinnen.

Das Erstarken von faschistischen Parteien und Politikern ist aktuell eine große Gefahr. In den ostdeutschen Bundesländern hat die AfD Wahlerfolge, die sie an die Regierung, an die Macht bringen könnten.

Dagegen richtet sich einerseits die Kampagne „AfD-Verbot jetzt“, aber uns ist wichtig, dass auch immer wieder darauf hingewiesen wird, was der AfD tatsächlich den Boden entziehen kann: Es braucht eine gerechte Sozialpolitik! Es braucht eine gute Wohnungspolitik! Es braucht eine gute Gesundheitsversorgung und ein ebensolches gutes Bildungswesen! Statt Aufrüstung und Kriegsvorbereitungen. Da ist in den letzten 20 bis 25 Jahren so viel kaputtgespart worden, das schaffte den Nährboden für den rechten Aufstieg. Die Bundesrepublik hat über 9 Billionen Privatvermögen, da
gibt es die starken Schultern, die die Politik gegen die AfD engagieren sollte, statt über angebliche Arbeitsverweigerer und zweistellige Milliardenbeträge, die man bei ihnen einsparen könne, zu fabulieren.

Die herrschenden Parteien aber haben nichts Besseres zu tun, als Forderungen und Parolen der Faschisten zu übernehmen, statt eine soziale Politik zu machen, und werden damit zu ihren Steigbügelhaltern. Die rassistische Stadtbild-Äußerung von Bundeskanzler Merz ist da das neueste Beispiel. Antifaschistische Bündnisarbeit muss diesen Politikern auf die Füße treten.

Und gerade angesichts der laufenden Kriege und der damit verbundenen Kriegstreiberei fragen wir uns, was kommt noch? US-Erstschlagswaffen sollen in Deutschland stationiert werden. Deutschland soll die stärkste Armee Europas bekommen, mittels eines gigantischen Aufrüstungsprogramms zulasten aller Bürgerinnen. Aber auch darüber werden wir später noch mehr hören.

Kämpfen wir im Sinne der antifaschistischen Widerstandskämpferinnen von damals und in ihrem Andenken für eine bessere Welt, gegen Kriegsvorbereitungen und Faschismus!

Am Schluß möchte ich noch unsere Freude darüber ausdrücken, daß sich wieder weitere Gruppen mit ihren Infoständen am Gedenken beteiligen. Ein Danke-schön ebenso für die musikalische Unterstützung durch den Hans Beimler-Chor, den Rapper Refpolk und die Punkrock-Band BetterGutIndustries. Wir danken dem SV Tasmania für seine Mithilfe – inbesondere, da sie heute noch ein Jugendturnier haben – und dem Sportamt Neukölln danken wir für seine technische Unterstützung. Die geplante Ringer-Showkampf-Einlage von Jugendlichen des SV Preussen muss leider entfallen, da sind die Herbstferien vor.

Nun genug meiner Worte und ich übergebe das Mikrofon unserer Stadträtin für Kultur, Bildung und Sport, Frau Wolter.

Stadträtin für Kultur, Bildung und Sport, Frau Wolter

Freundeskreis „Ernst Thälmann“ e. V. Ziegenhals-Berlin


Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen, liebe Kameradinnen und Kameraden,

ich danke für die Gelegenheit hier zu sprechen , ich bin Max Renkl Vorsitzender des Freundeskreises Ernst Thälmann, Ziegenhals-Berlin.

Kurz ein paar Worte zu unserer Organisation. Wir sind das Ergebnis einer Vereinigung zweier Organisationen im Jahr 2018: Dem Freundeskreis Ernst Thälmann Gedenkstätte e. V. Ziegenhals und dem Aktionsbündnis Thälmann-Denkmal, Berlin. Der Freundeskreis hat sich 1990 gegründet und übernahm die Pflege und Instandhaltung der Erst Thälmann Gedenkstätte in Ziegenhals bei Königs Wusterhausen. Der Freundeskreis bot Öffnungszeiten und Führungen an und organisierte zahlreiche Veranstaltungen und später Kundgebungen. Gewidmet war die Gedenkstätte dem 7. 2. 1933 als sich in Ziegenhals rund 40 Funktionäre der KPD trafen, um, eine Woche nach der Machtübertragung an Hitler, die Ausrichtung der KPD zu bestimmen, die Partei organisiert in die Illegalität zu führen, bei gleichzeitiger maximaler Anstrengung um jeden Fußbreit, den die Faschisten einzunehmen versuchten mit Massenkampf, Massenstreik, Demonstrationen usw. gegen das Hitlerregime zu beantworten. Die Gedenkstätte mit Wassergrundstück und einer Größe von ca. 4500 qm wurde später übrigens mittels Insiderwissen günstig von dem Ministerialbeamten Gröger erworben und später, dank der aktiven Passivität einer rot-roten Landesregierung abgerissen. Doch die drei Veranstaltungen in Ziegenhals (Tagung, Geburtstag, Jahrestag der Ermordung) finden, Abriss hin oder her, weiterhin statt. Hier in Neukölln konnten wir immerhin das gesamte Inventar der Ausstellung der ETG zeigen.

Das Aktionsbündnis Thälmann Denkmal hat sich im Jahr 2000 gegründet und war von Beginn eine Bündnisorganisation verschiedener Gruppen und Parteien darunter die VVN, Gruppe KAZ, SDAJ, FDJ, DKP, KPD, Linkspartei, bis hin zu Einzelpersonen, die sich um das Thälmann-Denkmal im Prenzlauer Berg kümmerten. Wir haben das Denkmal mehrere Jahre lang selbst gereinigt und in einen würdigen Zustand versetzt. Wir haben dabei Graffiti entfernt, ohne uns gegen die Graffitisprayer zu stellen, sondern gegen ein Geschichtsbild auch und vor allem in dieser Stadt, die die Denkmäler von Kaiser, Königen, Generälen und sonstigen Schlächtern hegt und pflegt, während Arbeiterdenkmäler und antifaschistische Gedenkstätten, Denkmäler oder Grabstätten ungeschützt dem Verfall und Vandalismus ausgesetzt werden. Ein Erfolg war es, dass einige Jahre lang der Bezirk Pankow für die Reinigung des Denkmals aufkam, immerhin an den Geburtstagen und Jahrestagen der Ermordung Thälmanns. 2018 haben wir uns dann, um die Kräfte zu bündeln, zu einer Organisation zusammengeschlossen, die sich in Berlin und Ziegenhals um das Gedenken an den Vorsitzenden der KPD, Ernst Thälmann, und seiner Genossinnen und Genossen kümmert.

Wir freuen uns daher über diese Ehrung für Werner Seelenbinder, die genau das gleiche Anliegen hat wie unseres: Heute wo wir gegen eine Welle des Rassismus, der faschistischen Hetze, der Kriegstreiberei ankämpfen ist es wichtig zu betonen, woher wir kommen, wo unsere Traditionslinien sind im Kampf für eine Welt ohne Ausbeutung, Krieg und Faschismus. Damit verbinden wir unsere Geschichte mit den aktuellen Fragen und Auseinandersetzungen.

Vor 80 Jahren wurde mit dieser Tradition begonnen. Hier versammelten sich Hundertausende, damit es nie wieder zu einer Nazi-Barbarei und einem neuen Völkerschlachten kommen darf. Hier war auch die Frau Thälmanns, Rosa Thälmann, sowie ihre Tochter Irma anwesend. Rosa und Irma, die beide anfangs als Kuriere zwischen dem eingekerkerten Ernst Thälmann und der KPD fungierten und später von den Nazis in das KZ Ravensbrück verschleppt wurden. Vor 80 Jahren war hier auch Wilhelm Pieck anwesend,späterer erster Präsident der DDR, Teilnehmer der oben erwähnten „illegale ZK-Tagung der KPD“ bzw. „Ziegenhalser Tagung“, der einige Tage vor dieser antifaschistischen Manifestation seine berühmte Rede zur Bodenreform hielt, mit dem Titel: „Junkerland in Bauernhand“.

Diese 100000 Menschen vor 80 Jahren, unterschiedlicher Partei- und Religionszugehörigkeit, Werner Seelenbinder, Ernst Thälmann, Rudolf Breitscheid, sie alle und wir, die wir uns hier heute versammeln eint der Gedanke, dass nur der Zusammenschluss aller Antifaschistinnen und Antifaschisten, nur die Einheit der Arbeiterklasse und ihrer Gewerkschaften den Wahnsinn auf den wir gerade zurasen, stoppen können. Einig sein gegen die, die uns spalten wollen, damit sie uns besser beherrschen können. Einig sein gegen die, die uns wieder gegen andere Völker in den Krieg ziehen lassen wollen.

Das sei unsere Losung, so wie Teddy es ausdrückte: Einen Finger kann man brechen, aber fünf Finger sind eine Faust!

Hans-Beimler-Chor

Brandenburg-Görden – Gesprengte Fesseln


Ermordet wurde Werner Seelenbinder mit dem Fallbeil im Zuchthaus Brandenburg-Görden. Das ist bekannt. Das Mordinstrument kann man heute noch besichtigen, auch ein kleines Museum – natürlich durch Westzensur bereinigt. Auch ein Werner-Seelenbinder Stadion gibt es noch in Brandenburg an der Havel.

Aber fast gänzlich unbekannt ist, dass es auch in diesem Zuchthaus, an dieser Stätte des Grauens Überleben, Widerstand und Solidarität gab – nachzulesen in dem Buch „Gesprengte Fesseln“, 1975 in der DDR erschienen. (M. Frenzel, W. Thiele, A. Mannbar, Gesprengte Fesseln, Berlin 1975)

Das Erstaunen war groß, über das, was dort zu lesen ist. Die inhaftierten Kommunisten hatten in jahrelanger geduldiger Arbeit nicht nur eine „arbeitsfähige, kampfkräftige Parteiorganisation“ aufgebaut, sondern auch zusammen mit sozialdemokratischen, parteilosen Mithäftlingen, darunter viele Gefangene aus der Sowjetunion, Frankreich, Italien, Griechenland, Jugoslawien u.a. gegenseitige Hilfe und Widerstand organisiert. Als schließlich die Rote Armee vor den Toren des Zuchthauses stand, konnten sie die Wärter entwaffnen und dafür sorgen, dass alle Inhaftierten befreit wurden!

Man weiß von der Selbstbefreiung des KZs Buchenwald, von Brandenburg-Görden schweigt die offizielle Historie. Das ist wirklich unverständlich. Denn auch dort wurden die Besten des Landes eingekerkert, saßen in manchmal jahrelanger Einzelhaft, in Todeszellen und wurden geköpft. Um nur einige Namen zu nennen: Anton Saefkow, Bernhard Bästlein, Robert Uhrig, Theodor Neubauer, Willi Sänger und unser Werner Seelenbinder.

Es sei das „Festeste Zuchthaus der Welt“, so prahlten die Nazis. Doch die Insassen brachten es auf den Punkt: Menschenschlachthaus und – auch dies kaum bekannt – Kriegsindustriebetrieb. Die Profiteure – groß und klein – blieben nach der Befreiung meist unbehelligt.

Ab dem 1. August 1940 wurde Brandenburg-Görden Hinrichtungsstätte, mit am Schluss 43 Ermordeten täglich, insgesamt fast 2800 Hinrichtungen.

Und ab dem Kriegsbeginn bekam die Rüstungsindustrie Räume und Sklaven direkt im Zuchthaus. Die Häftlinge mussten 12 Stunden arbeiten, schwerste körperliche Arbeit, ungenügendes Essen, als Folge davon Krankheiten, die nicht behandelt wurden.

Die Widerstandskämpfer sollten planmäßig körperlich und geistig zerstört werden, physisch vernichtet auch ohne Todesurteil.

Um zum einen zu bewerkstelligen, dass Genossen von den Transportlisten gestrichen wurden, die in die KZs und den sicheren Tod führten, musste eine starke Organisation aufgebaut und wichtige Posten als sog. Funktionshäftlinge besetzt werden. Wichtige Aufgabe sahen die Genossen auch darin, an die Neuankömmlinge heranzukommen um zu signalisieren, ihr seid nicht allein, ihnen Mut zu geben, denn sie kamen aus den Kriegsgefangenenlagern, aus den KZs, aus den Foltergefängnissen oder direkt von ihren Gerichtsprozessen.

Anfangs war es sehr schwierig, den Kontakt unter den Genossen herzustellen. Man war gezwungen mit Blicken, einem geflüsterten Wort, einem Zettel sich zu verständigen. Als nächsten Schritt versuchte man, die Kalfaktorstellen den Kriminellen streitig zu machen, da man dadurch größere Bewegungsmöglichkeiten hatte. Schließlich ging es um Bereiche wie Küche, Brotschneider, Bibliothek und Verwaltung, wo Genossen eingeschleust wurden, um zwischen den Abteilungen und Häusern Verbindungen aufzubauen. Die einzelnen Betriebszweige, wie Tischlerei oder Weberei wurden von Genossen und verlässlichen Antifaschisten besetzt. Mit den Rüstungsbetrieben im Gefängnis kamen auch zivile Personen, wie Meister oder Vorarbeiter, die zwangsverpflichtet und meist keine Nazis waren, was die Organisierung der illegalen Parteigruppen erleichterte. Sie brachten Informationen von draußen und waren zur Arbeitseinteilung und – vergabe autorisiert. Ein Sozialdemokrat unter ihnen bewirkte, dass Werner Seelenbinder vor seiner Hinrichtung von einem Genossen besucht werden konnte. – Die Todeskandidaten waren in einem eigenen Trakt in Einzelzellen.

Die letzte Stufe des Widerstands war die Vorbereitung des Tages x, wenn die Rote Armee vor den Toren stand.

Zweitschlüsselanfertigung, Bewaffnung und mehr und mehr Stärke zeigen gegenüber den Nazibeamten, dem Zuchthausdirektor. Letzteres ergab sich von selbst, denn je weiter die Rote Armee vorrückte, um so ängstlicher wurden die Beamten. Im letzten Moment konnten die Genossen verhindern, dass die Nazis bei Ihrer Flucht sämtliche Vorräte mitgehen ließen. Die restliche Wärter-Belegschaft ließ sich entwaffnen.

Damals: Widerstand war nötig, Widerstand war möglich – selbst unter schlimmsten Bedingungen.

Heute: das Faschistenpack und seine Förderer in Wirtschaft, Medien und Politik werden wieder frech und dreist. Also: Widerstand jetzt! Die Toten mahnen!

Am Grab

Ein Video-Mitschnitt der Gedenkveranstaltung erscheint demnächst auf unserem youtube-Kanal https://www.youtube.com/@vvn-vda .