9. November 2024 in Reinickendorf

Gestartet hatte zumindest für mich der Tag mit dem Putzen von Stolpersteinen, in meiner Umgebung und vor dem Rathaus Reinickendorf. Um 11:00 Uhr begann vor ca. 80 Teilnehmer*innen die Gedenkveranstaltung des Bezirksamtes Reinickendorfs.

Begrüßt wurden von der Bezirksbürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner die Vertreter*innen der Parteien der BVV, Botschaftsvertretung aus Tschechien, der Arbeitskreis politischer Bildung, Vergangenheit – Zukunft e.V. der die Reisen der Schüler*innen vom Europäischen Gymnasium Bertha von Suttner nach Lidice betreut und für das Abgeordnetenhaus von Berlin Rolf Wiedenhaupt AFD! „Was die AFD vertritt die AFD von Berlin“ hatte ich mir gedacht.

Nach der Ansprache von der Bezirksbürgermeisterin hatte die Schülerin Neva Friesch Bertha von Suttner Gymnasium mit folgenden Worten in ihrer Rede die Situation gerettet: „Diese dunkle Zeit liegt nicht einmal 100 Jahre zurück. Umso erschreckender ist es zu sehen, dass die Anzahl antisemitischer Übergriffe jährlich zunimmt und 2023 ein neues Hoch erreichte. Nichtsdestotrotz hat ein wachsender Anteil der deutschen Bevölkerung kein Problem, eine in großen Teilen als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei zu wählen. Eine Partei, deren Mitglieder das dritte Reich als einen „Vogelschiss in der deutschen Geschichte“ und das Holocaust Denkmal in Berlin als ein „Denkmal der Schande“ bezeichnen und nicht davor zurückschrecken in öffentlichen Reden von SA-Parolen Gebrauch zu machen. Zum großen Entsetzen der Mehrheit der deutschen Bevölkerung wird dieses Verhalten von den Wähler*innen nicht geächtet, sondern unterstützt.“

Wir, als VVN-VdA Mitglieder hatten uns anschließend mit Ruth Orland an den Tafeln zu den Gedenkorten Wittenauer Heilanstalt und Anstaltsfriedhof getroffen.  

Abschließend waren wir noch um 13:00 Uhr in der Heinsestraße am Max-Beckmann-Platz (nördlicher S-Bahneingang) zum Gedenken an den Mauerfall und zu einem Zeichen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus.

Mit einem gemeinsamen Mittagessen verabschiedeten wir uns. Es wurden noch einige Stolpersteine geputzt um damit die Vergangenheit wach zu halten, denn wach müssen wir bleiben, gegen Hass und Rasissmus!

Klaus Murawski

Hier der Redebeitrag von Neva F.:

„Sehr geehrte Anwesende,
Als ich letztes Jahr das erste Mal in meinen Geschichts-LK kam, hat mein
Lehrer gesagt: „Geschichtswissen ist wie ein Rückspiegel beim Autofahren. Will man sicher
fahren, sollte man dann und wann einen Blick zurückwerfen.“


Wir haben uns heute hier versammelt, um gemeinsam einen Blick zurückzuwerfen. Der neunte November ist wohl einer der symbolträchtigsten Tage in der deutschen Geschichte. Er steht für die Geburt einer Republik, den Zusammenbruch
eines Regimes und aber auch für ein Verbrechen, das vor allem an Millionen von europäischen Juden begangen wurde.


Heute vor 101 Jahren versuchte Adolf Hitler in München, gewaltsam die Weimarer Republik zu stürzen. Auch wenn dieser Putschversuch scheiterte, gelang es ihm, sich als Held zu inszenieren, welcher für das „Vaterland“ sogar ins Gefängnis gehen würde. Viele Menschen der damaligen Bevölkerung unterstützten Hitler. Sie unterstützen ihn darin, die erste deutsche Demokratie zu stürzen. Sie unterstützen ihn darin, das Deutsche Reich nach Osten hin zu erweitern und Millionen von Polen, Slawen und anderen Menschen auf brutale Weise zu verdrängen. Und sie unterstützten ihn auch darin, mindestens 6 Millionen Juden und Jüdinnen und andere aus ideologischen Gründen verfolgte Menschen zu ermorden.

Die Reichspogromnacht, die sich in der Nacht vom neunten auf den zehnten November 1938 zutrug, markiert den
Übergang von Diskriminierung zur brutalen Verfolgung von Juden. Die Pogromnacht, von den Nazis und auch heute noch von einigen als Kristallnacht verharmlost, bedeutete den Tod von mindestens 1.300 Menschen, die Verhaftung von mehr als 30.000 Jüdinnen und die Zerstörung tausender Gotteshäuser. Ziel dieses Anschlags war es nicht nur, Jüdinnen und Juden öffentlich zu schänden und ihnen jegliche Existenzgrundlage zu nehmen, um sie aus dem deutschen Wirtschaftsleben auszuschalten, sondern sich gezielt Hass in der Gesellschaft zu schüren. Die von den Nationalsozialisten organisierte und gelenkte Terrornacht gilt als entscheidender Schritt in der Entwicklung zum Holocaust. Ausgeführt wurde dieser nicht nur von SS-, SA- und NSDAP Mitgliedern, sondern auch von zahlreichen deutschen Zivilisten. Viele der verhafteten Jüdinnen und Juden wurden anschließend in Konzentrationslager verschleppt.

Nach der Reichspogromnacht verstärkte das NS-Regime seine Vorbereitungen für die systematische Internierung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung und anderer Minderheiten. Ein Konzentrationslager, das in diesem Zuge entstand, war das Frauenlager Ravensbrück bei Berlin, das wir mit der AG Gedenken bereits mehrmals besucht haben. Heute ist von den Lagerstrukturen nicht mehr viel vorhanden, allerdings kann man sich immer noch gut vorstellen, unter welchen
unmenschlichen Bedingungen die Insassinnen in diesem Lager leben mussten.


Einige der inhaftierten Frauen stammten aus Tschechien, genauer gesagt aus dem Dorf Lidice, unweit von Prag. Nachdem Reinhard Heydrich 1942 ermordet wurde, taten die Nationalsozialisten alles dafür, seinen Tod zu rächen und die Bevölkerung einzuschüchtern, um sie von weiteren Attentaten abzuhalten. Die Bewohner des Dorfes Lidice fielen dieser willkürlichen Rache auf Grund von angeblichen Beweisen zum Opfer. Bevor die Nationalsozialisten ihren grausamen
Racheakt begingen, lebten etwa 500 bis 600 Menschen in dem tschechischen Dorf, nur circa 160 von ihnen
überlebten. Ziel des NS-Regimes war es, das Dorf buchstäblich auszulöschen. Alle Männer, die älter als 15 Jahre waren, wurden vor Ort erschossen, die Frauen wurden in das KZ Ravensbrück deportiert und die meisten Kinder in Transportern vergast. Nur einige wurden zur sogenannten „Umerziehung“ deutschen Familien gegeben.


Nach dem Krieg wurde das Dorf symbolisch wieder aufgebaut, jedoch nicht an originaler Stelle. Dort, wo sich einst Lidice befand, ist heute nichts weiter als eine Wiese, ein Fluss und ein kleiner See übrig. Ab und zu lassen sich noch Gebäudemauern erkennen, die wie ein Mahnmal an das schreckliche Verbrechen der Nationalsozialisten und den
willkürlichen Hass dieser erinnern. Die heute so friedlich daliegende Landschaft bildet einen erschütternden Kontrast zu den Verbrechen, die dort begangen wurden.

Der Arbeitskreis Politische Bildung ermöglicht es der AG Gedenken jedes Jahr, die Gedenkstätte zu besuchen. Ich selbst habe sie bereits zweimal besuchen dürfen. Jedes Mal aufs Neue ist es äußerst schwierig zu verstehen, wie Menschen in der Lage sind, anderen Menschen so hasserfüllt zu begegnen, dass sie nicht vor den schlimmsten Gewaltverbrechen zurückschrecken. Bei unseren Besuchen hatten wir auch die Möglichkeit, mit einem der Überlebenden des Massakers zu sprechen. Doch nicht nur Jiří Pítin teilte seine Geschichte mit uns, sondern
wir hatten dieses Jahr auch die Ehre, mit den Holocaustüberlebenden Margot Friedländer und Albrecht Weinberg zu sprechen.


Margot Friedländer wurde im Juni 1944 verhaftet und nach Theresienstadt deportiert, nachdem sie 15 Monate im Untergrund gelebt hatte. Ihre Mutter und ihren Bruder sah sie nach deren Deportation im Jahr 1943 nie wieder. Nachdem Theresienstadt 1945 befreit wurde, wanderte Margot Friedländer in die USA aus, wo sie bis 2010 lebte. Im hohen Alter kehrte sie jedoch nach Berlin zurück, um, wie sie selbst sagt, für all die Unsichtbaren sprechen zu können, die ermordet wurden.


Auch Albrecht Weinberg kehrte erst im hohen Alter aus den USA wieder nach Deutschland zurück, um junge Menschen über die Verbrechen der Nationalsozialisten aufzuklären und einem in Vergessenheit geratenen dieses Kapitels
entgegenzuwirken. Albrecht Weinberg selbst erlebte die Anfänge der Ausgrenzung der Juden in den 30er Jahren und wurde später nach Auschwitz und Bergen-Belsen verschleppt.


Diese dunkle Zeit liegt nicht einmal 100 Jahre zurück. Umso erschreckender ist es zu sehen, dass die Anzahl antisemitischer Übergriffe jährlich zunimmt und 2023 ein neues Hoch erreichte. Nichtsdestotrotz hat ein wachsender Anteil der deutschen Bevölkerung kein Problem, eine in großen Teilen als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei zu wählen. Eine Partei, deren Mitglieder das dritte Reich als einen „Vogelschiss in der deutschen Geschichte“ und das Holocaust Denkmal in Berlin als ein „Denkmal der Schande“ bezeichnen und
nicht davor zurückschrecken in öffentlichen Reden von SA-Parolen Gebrauch zu machen. Zum großen Entsetzen der Mehrheit der deutschen Bevölkerung wird dieses Verhalten von den Wähler*innen nicht geächtet, sondern unterstützt.


Und genau deshalb müssen wir ganz klar zum Ausdruck bringen, dass wir die Zeit des Dritten Reiches nicht vergessen und dass diese hasserfüllte Zeit des NS-Regimes unter keinen Umständen in Vergessenheit geraten darf.


Margot Friedländer hat uns um eins gebeten, eine simple Sache:

Mensch zu sein. Menschen, die andere Menschen akzeptieren, unabhängig von ihrer Religion oder Herkunft. Wir müssen dafür kämpfen, dass die Zeit des Dritten
Reichs niemals in Vergessenheit gerät. Wir werden zeigen, dass wir aus der Vergangenheit gelernt haben

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