Vorstellung des Archivs der VVN-VdA Westberlin
Einführung
Fast entsorgte Materialien teilweise nutzbar gemacht
(aus einem Artikel von 2020)
Vorweg sei erklärt: Das Archiv der VVN-VdA Westberlin ist kein Archiv. Es handelt sich um Materialien der Organisation aus den Jahren 1953 bis 1990. Wie diese Sammlung zustande kam und wie mit ihr in den letzten Jahren gearbeitet wurde, soll im Folgenden erklärt werden. (…)
Als Ende der 90er Jahre die VVN-VdA ihr Büro aufgeben musste, fanden sich in einem fensterlosen Raum umfangreiche Materialien – teils in Aktenordnern und Mappen, teils in unterschiedlichen Kisten abgelegt. Dass diese Sammlung existierte, ist vor allem (dem inzwischen leider verstorbenen) Werner Gutsche zu danken. Als historisch interessierter Mensch hatte er über Jahre Dokumente über die Tätigkeit der VVN-VdA Westberlin gesammelt – weniger, um ein klassisches Archiv anzulegen, sondern vielmehr, um die Unterlagen für Ausstellungen und Vorträge zu nutzen. Bei der Räumung des Büros blieb keine Zeit zur Durchsicht. Deshalb wurde alles in Umzugskisten verstaut. Diese konnten zum Glück bei einem befreundeten Verein untergebracht werden.
Als 2004 diese Räume nicht mehr zur Verfügung standen, konnte die VVN-VdA eine Vereinbarung mit der Gedenkstätte Deutscher Widerstand (GDW) abschließen. Der seitdem dort lagernde Bestand umfasst etwa 30 bis 35 lfd. Meter. Es handelt sich dabei um Schriftverkehr, Publikationen, Nachlässe und Zeitungsausschnitte, aber auch um Tondokumente, Fotos, Videokassetten und Filme.
Durch die mehrfachen Umlagerungen war kaum noch ein Ordnungsprinzip auszumachen. Hinzu kam, dass viele ältere Dokumente vom Zerfall bedroht waren.
Im August 2005 begannen drei Interessierte (keiner davon ein Archivar) einmal in der Woche, die Materialien zu sichten. Es galt, eine auch für Außenstehende nachvollziehbare Archivsystematik zu erstellen und es ging simpel um die Entfernung von Büromaterialien, die aus konservatorischer Sicht problematisch sind (zum Beispiel Heftklammern, Büroklammern, Kunststoff). Anschließend wurden die Materialien fachgerecht in speziellen Archivkartons und Mappen – Fotos in Pergaminhüllen – gelagert.
Die durchgesehene Sammlung umfasst unvollständige Materialien zu den Aktivitäten der VVN-VdA Westberlin von 1953 bis 1990. Darunter befinden sich teils umfangreiche Zusammenstellungen aus bezirklichen Gliederungen, die schon für Publikationen über den antifaschistischen Widerstandskampf in den jeweiligen Bezirken genutzt wurden.
Weiterhin sind zahlreiche Schriftwechsel der VVN sowie der Rechtsanwälte Kaul, Piskorz und anderer zu Anerkennungs- und Entschädigungsverfahren vorhanden. Diese Unterlagen enthalten teilweise sehr interessante und bewegende Lebensläufe. Das gilt auch für die leider nur bruchstückhaft vorhandenen Aufnahmebögen aus verschiedenen Mitgliederverzeichnissen. Zudem gibt es eine fast vollständige Sammlung vom „Mahnruf“, dem Mitteilungsblatt der VVN, von der Nr. 1 aus dem Jahre 1957 bis zur Nr. 217 aus dem Jahr 1990.
Aus Zeitzeugeninterviews und verschiedenen Berichten, Lebensläufen, Erinnerungen einzelner Menschen könnten zu bestimmten Aspekten (Widerstand in Bezirken, Leben während des Faschismus, Zeit des Aufbruchs nach 1945) Dokumentationen von Zeitzeugen zusammengestellt werden.
Anfang 2009 konnte die Software FAUST Entry Archiv angeschafft werden. Über die Erfassung der Dokumente in der FAUST Datenbank ist es möglich, zu bestimmten Aspekten Hinweise aus den unterschiedlichen Sammlungen zusammenzuführen.
Die Erfassung zu einzelnen Personen ist so gut wie abgeschlossen. Gegenwärtig wird viel Mühe darauf verwandt, die zahlreichen Fotos zu erfassen und zu sichern. Nicht alle Aufnahmen sind hinreichend beschriftet. Da ist es oft schwer oder sogar unmöglich, die abgebildeten Personen zu identifizieren. Gerade mit Fotos konnten wir Interessierten schon hilfreich sein. So konnte Gerd Kühling vom Aktiven Museum Berlin im Mitgliederrundbrief 74 vom Januar 2016 „ Frühes Gedenken am ehemaligen Deportationsbahnhof Berlin-Grunewald“ mit zahlreichen Bildern aus unserem Archiv nachweisen. (https://www.aktives-museum.de/fileadmin/user_upload/Extern/Dokumente/rundbrief_74.pdf).
Die Fotos belegen, dass die Westberliner Polizei die Einweihung einer Gedenktafel der VVN für die Opfer des Faschismus am ehemaligen Deportationsbahnhof Grunewald im November 1953 verhindern wollte. Doch zahlreiche jüdische und andere Bürger aus beiden Teilen der Stadt erzwangen schließlich mit ihrem Protest die Gedenkfeier.
Derselbe Autor konnte bereits 2014 mit unseren Fotos einen Beitrag für das Magazin für jüdisches Leben in Forschung und Bildung „Medaon“, Ausgabe 8 (2014), 15 gestalten. (https://www.medaon.de/de/artikel/ein-vergessener-streiter-der-fruehen-holocaust-erinnerung-adolf-burg-und-der-ehemalige-deportationsbahnhof-berlin-grunewald/).
Besten Dank an Peter Wegner für diesen Artikel aus dem Jahre 2020.