05.09.2020: Wolfgang Szepansky

 (* 9. Oktober 1910 in Berlin-Wedding; † 23. August 2008 in Berlin-Schöneberg) war ein deutscher Antifaschist, kommunistischer Widerstandskämpfer, Autor und Maler)

Wolfgang Szepansky, ein Überlebender des KZ Sachsenhausen beim Besuch der Ausstellung: „1933 – Wege zur Diktatur – Staatliche Kunsthalle, Westberlin 1983

Nach einer Mal-Aktion “Nieder mit Hitler! KPD lebt! Rot Front!“ – wurde er am 11. 08. 1933 verhaftet. Nach seiner Entlassung setzte er seine politische Arbeit fort. Nach einer erneuten Vorladung entschied er sich, am Anfang Januar 1934 in die Emigration nach Holland zu gehen. Nach der Besetzung der Niederlande im Mai 1940 geriet Wolfgang wieder in die Fänge der Gestapo. Über ein holländisches Internierungslager kam er im Oktober 1940 über die Steinwache Dortmund anschließend in das Konzentrationslager Sachsenhausen.

Nach seiner Befreiung engagierte er sich im Antifaschistische Jugendausschuss von Tempelhof. Der gelernte Maler arbeitete zunächst als Zeichenlehrer, bis er als Mitglied der SED 1951 Berufsverbot erhielt. Nach langer Arbeitslosigkeit fand er eine Anstellung als Klubhausleiter bei der Deutschen Reichsbahn.

Jahrzehnte war er als Zeitzeuge aktiv. Ob in Berliner Schulen, an Universitäten oder an Volkshochschulen. Diese Arbeit betrachtete er stets als seine persönliche Pflicht – auch in Erinnerung an seine im Lager und auf dem Todesmarsch verstorbenen Kameraden.

Wolfgang war Vorsitzender des Westberliner Sachsenhausenkomitees. 

Für seine Lebensleistung wurde Wolfgang gemeinsam mit seiner Frau Gerda im Jahr 1996 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt.

Archiv und historische Dokumente

Fast entsorgte Materialien teilweise nutzbar gemacht

Vorstellung des Archivs der VVN-VdA Westberlin


Vorweg sei erklärt: Das Archiv der VVN-VdA Westberlin ist kein Archiv.
Es handelt sich um Materialien der Organisation aus den Jahren 1953 bis 1990. Wie diese Sammlung zustande kam und wie mit ihr in den letzten Jahren gearbeitet wurde, soll im Folgenden erklärt werden. (…)
Zum besseren Verständnis zunächst einige Angaben zur Geschichte der (West-)Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Die Informationen sind im Wesentlichen der Seite „Unsere Geschichte“ des Internetauftritts der Berliner VVN-BdA entnommen.
(https://berlin.vvn-bda.de/unsere-geschichte/)
Die VVN war 1948 zunächst als Gesamtberliner und überparteiliche Organisation entstanden. Doch die Konflikte des Kalten Krieges, die besonders in Berlin zutage traten, machten auch vor der VVN nicht halt. Anfang 1953 wurde auf Weisung des SED-Politbüros die Tätigkeit der VVN in der DDR und damit in Ostberlin eingestellt. Es folgte die Bildung des Komitees der Antifaschistischen Widerstandskämpfer in der DDR.
Die weiterhin bestehende VVN Westberlin sah sich dem zunehmenden Antikommunismus ausgesetzt. Berufsverbote und die Aberkennung von Entschädigungen für die Zeit der Nazi-Verfolgung häuften sich. Selbst zu Wohnungsräumungen durch die Polizei kam es. Auch wenn die VVN Westberlin zu keinem Zeitpunkt verboten war, leistete sie ihre Arbeit lange faktisch unter den Bedingungen der Illegalität.
Mit der 68er Bewegung wuchs das Interesse junger Menschen an der Nazi-Vergangenheit. 1976 öffnete sich deshalb die VVN, die bis dahin ein Zusammenschluss von ehemaligen Widerstandskämpfern, Verfolgten des Naziregimes und deren Hinterbliebenen war, jungen Antifaschistinnen und Antifaschisten und wurde zur Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Westberlin – Verband der Antifaschisten (VVN-VdA).
Die folgenden Jahre waren durch ein Aufleben der antifaschistischen Erinnerungsarbeit geprägt. So berichteten VVN-Mitglieder in Schulen – gegen den Widerstand der damaligen Westberliner Schulsenatorin Hanna-Renate Laurien – von ihren Erlebnissen unter dem Faschismus. Zentrale Orte des Terrors, wie das Gestapo-Gelände in Berlin-Kreuzberg, wurden unter Mitwirkung der VVN-VdA wiederentdeckt. Heute befindet sich dort das Dokumentationszentrum „Topographie des Terrors“.
Der Zusammenbruch der DDR 1989 hatte auch für die VVN-VdA gravierende Folgen. So waren von dort erhebliche finanzielle Zuwendungen an die Organisation gegangen, die sich damit auch in eine politische Abhängigkeit begeben hatte. Als 1990 ein neuer und frei von Einflussnahmen gewählter Vorstand die Leitung übernahm, sah er sich vor einem finanziellen und organisatorischen Desaster. Aktive Mitglieder sorgten im Ehrenamt für das Weiterbestehen.
2002 verständigten sich die VVN-VdA Westberlin und der 1990 entstandene Bund der Antifaschisten (BdA) aus dem Ostteil Berlins nach Jahren der Kooperation auf einen gemeinsamen Landesverband. Die Eintragung in das Vereinsregister erfolgte am 21. Februar 2003: Genau 50 Jahre nach der durch die SED angewiesenen Selbstauflösung.
Soweit zu der Geschichte der Organisation.
Bereits vorher rückte das, was heute umgangssprachlich Archiv genannt wird, in den Blick: Als Ende der 90er Jahre die VVN-VdA ihr Büro aufgeben musste, fanden sich in einem fensterlosen Raum umfangreiche Materialien – teils in Aktenordnern und Mappen, teils in unterschiedlichen Kisten abgelegt. Dass diese Sammlung existierte, ist vor allem (dem inzwischen leider verstorbenen) Werner Gutsche zu danken. Als historisch interessierter Mensch hatte er über Jahre Dokumente über die Tätigkeit der VVN-VdA Westberlin gesammelt – weniger, um ein klassisches Archiv anzulegen, sondern vielmehr, um die Unterlagen für Ausstellungen und Vorträge zu nutzen. Bei der Räumung des Büros blieb keine Zeit zur Durchsicht. Deshalb wurde alles in Umzugskisten verstaut. Diese konnten zum Glück bei einem befreundeten Verein untergebracht werden. Als 2004 diese Räume nicht mehr zur Verfügung standen, konnte die VVN-VdA eine Vereinbarung mit der Gedenkstätte Deutscher Widerstand (GDW) abschließen. Der seitdem dort lagernde Bestand umfasst etwa 30 bis 35 lfd. Meter. Es handelt sich dabei um Schriftverkehr, Publikationen, Nachlässe und Zeitungsausschnitte, aber auch um Tondokumente, Fotos, Videokassetten und Filme.
Durch die mehrfachen Umlagerungen war kaum noch ein Ordnungsprinzip auszumachen. Hinzu kam, dass viele ältere Dokumente vom Zerfall bedroht waren.
Im August 2005 begannen drei Interessierte (keiner davon ein Archivar) einmal in der Woche, die Materialien zu sichten. Es galt, eine auch für Außenstehende nachvollziehbare Archivsystematik zu erstellen und es ging simpel um die Entfernung von Büromaterialien, die aus konservatorischer Sicht problematisch sind (zum Beispiel Heftklammern, Büroklammern, Kunststoff). Anschließend wurden die Materialien fachgerecht in speziellen Archivkartons und Mappen – Fotos in Pergaminhüllen – gelagert.
Die durchgesehene Sammlung umfasst unvollständige Materialien zu den Aktivitäten der VVN-VdA Westberlin von 1953 bis 1990. Darunter befinden sich teils umfangreiche Zusammenstellungen aus bezirklichen Gliederungen, die schon für Publikationen über den antifaschistischen Widerstandskampf in den jeweiligen Bezirken genutzt wurden.
Weiterhin sind zahlreiche Schriftwechsel der VVN sowie der Rechtsanwälte Kaul, Piskorz und anderer zu Anerkennungs- und Entschädigungsverfahren vorhanden. Diese Unterlagen enthalten teilweise sehr interessante und bewegende Lebensläufe. Das gilt auch für die leider nur bruchstückhaft vorhandenen Aufnahmebögen aus verschiedenen Mitgliederverzeichnissen. Zudem gibt es eine fast vollständige Sammlung vom „Mahnruf“, dem Mitteilungsblatt der VVN, von der Nr. 1 aus dem Jahre 1957 bis zur Nr. 217 aus dem Jahr 1990.
Aus Zeitzeugeninterviews und verschiedenen Berichten, Lebensläufen, Erinnerungen einzelner Menschen könnten zu bestimmten Aspekten (Widerstand in Bezirken, Leben während des Faschismus, Zeit des Aufbruchs nach 1945) Dokumentationen von Zeitzeugen zusammengestellt werden.
Anfang 2009 konnte die Software FAUST Entry Archiv angeschafft werden. Über die Erfassung der Dokumente in der FAUST Datenbank ist es möglich, zu bestimmten Aspekten Hinweise aus den unterschiedlichen Sammlungen zusammenzuführen.
Die Erfassung zu einzelnen Personen ist so gut wie abgeschlossen. Gegenwärtig wird viel Mühe darauf verwandt, die zahlreichen Fotos zu erfassen und zu sichern. Nicht alle Aufnahmen sind hinreichend beschriftet. Da ist es oft schwer oder sogar unmöglich, die abgebildeten Personen zu identifizieren. Gerade mit Fotos konnten wir Interessierten schon hilfreich sein. So konnte Gerd Kühling vom Aktiven Museum Berlin im Mitgliederrundbrief 74 vom Januar 2016 „ Frühes Gedenken am ehemaligen Deportationsbahnhof Berlin-Grunewald“ mit zahlreichen Bildern aus unserem Archiv nachweisen. (https://www.aktives-museum.de/fileadmin/user_upload/Extern/Dokumente/rundbrief_74.pdf).
Die Fotos belegen, dass die Westberliner Polizei die Einweihung einer Gedenktafel der VVN für die Opfer des Faschismus am ehemaligen Deportationsbahnhof Grunewald im November 1953 verhindern wollte. Doch zahlreiche jüdische und andere Bürger aus beiden Teilen der Stadt erzwangen schließlich mit ihrem Protest die Gedenkfeier.
Derselbe Autor konnte bereits 2014 mit unseren Fotos einen Beitrag für das Magazin für jüdisches Leben in Forschung und Bildung „Medaon“, Ausgabe 8 (2014), 15 gestalten. (https://www.medaon.de/de/artikel/ein-vergessener-streiter-der-fruehen-holocaust-erinnerung-adolf-burg-und-der-ehemalige-deportationsbahnhof-berlin-grunewald/).
Damit weitere interessante Funde möglich werden, bleibt noch reichlich zu tun. Bisher haben wir uns vor allem auf Papier und Fotos konzentriert. Die Erfassung und vor allem Auswertung von Ton- und Filmdokumenten steht noch aus.
Die Arbeitsgruppe trifft sich regelmäßig wöchentlich, von Ausnahmen abgesehen, in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand und steht für Auskünfte und Besuche nach Absprache gern zur Verfügung.
Weitere Bestände zur Westberliner VVN-VdA sind im Landesarchiv Berlin
(C Rep. 906-02) vorhanden.


Hans Holm und Peter Wegner für die Archivgruppe
Berlin, August 2020


Kontaktdaten:

Webseite: https://vvn-vda-westberlinerarchiv.de/

E-Mail: info (at) vvn-vda-westberlinerarchiv.de

oder über

Berliner VVN-BdA e.V.

Archivgruppe der VVN-VdA (ehemals Westberlin)

Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin

Telefon: 030/29 78 43 78

Antifaschistische Persönlichkeiten

Wolfgang Szepansky

 (* 9. Oktober 1910 in Berlin-Wedding; † 23. August 2008 in Berlin-Schöneberg) war ein deutscher Antifaschist, kommunistischer Widerstandskämpfer, Autor und Maler.


Emil Ackermann (1902 – 1997) und Wolfgang Szepansky (1910 – 2008)

Emil Ackermann und Wolfgang Szepansky waren Häftlinge im Konzentrationslager  Sachsenhausen.


Hans Mahle 

( * 22. September 1911 in Hamburg; † 18. Mai 1999 in Berlin)


Rede von Heinz Galinski am 18. Januar 1948


Rede von Heinz Galinski auf der ersten öffentlichen Kundgebung nach der Gründung der Berliner VVN am 18. Januar 1948 im Berliner Admiralspalast, dem damaligen Haus der Staatsoper

„Ich begrüße Sie anläßlich der 1. Kundgebung der Berliner VVN. Ich begrüße die Vertreter der Besatzungsmächte, Frau Stadtrat Ehlert als Vertreterin des Berliner Magistrats. Frau Stadtrat Ehlert hat immer für die Verfolgten des Naziregimes das größte Verständnis gehabt. Ich betone ausdrücklich: Wir wollen keine Gegensätzlichkeit zu den kommunalen Ausschüssen der Berliner Betreuungsstellen. Ich begrüße besonders herzlich unseren Kameraden Probst Grüber als Vertreter der VVN in der Sowjetischen Besatzungszone., als Vertreter der westlichen Zonen der VVN die Kameraden Lore Wolf, Kameraden Kein und den Kameraden Lorcher, ferner die Vertreter der Kulturorganisationen und der politischen und gesellschaftlichen Organisationen Berlins. Im Gegensatz zu den 4 Zonen, in denen die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes schon seit geraumer Zeit ihre Tätigkeit ausüben konnte, war sie in Berlin bisher noch nicht bestätigt. Die Zulassung ist nunmehr durch einen Beschluß der alliierten Kommandantur erfolgt. Die am 16. und 17. Januar 1948 durchgeführte Generalversammlung findet heute ihren festlichen Ausklang in der 1. öffentlichen Kundgebung des Berliner Vorstandes der VVN.

Angesichts der reaktionären Entwicklung in Deutschland bedarf es heute keines Wortes mehr zur Begrüßung einer solchen Organisation. Sie ist eine Notwendigkeit im Abwehrkampf gegen Nazismus und Antisemitismus: Die Berliner VVN wird so lange unsere vollste Unterstützung finden, als sie auf dem ihr vorgeschriebenen Weg mit aller Entschiedenheit weitergeht und strengste Neutralität in allen politischen und religiösen Fragen wahrt. Gerade wir haben aufgrund unseres Kampfes und unserer Leiden in den Hitlerjahren nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, in der 1. Reihe für die Demokratisierung Deutschlands zu kämpfen. Das Vertrauen, das uns die 4 Besatzungsmächte durch die Genehmigung der VVN bekundet haben, ist ein Auftrag für uns und zugleich eine Anerkennung, der wir uns in jeder Weise würdig zu erweisen haben. Die Demokratisierung Deutschlands ist eine Schicksalsfrage. Niemand, der in unseren Reihen kämpft, hat ein anderes Ziel vor Augen, als die Demokratisierung Deutschlands mit allen Mitteln zu fördern. Nur müssen wir uns über den Weg klar sein, den wir zu beschreiten haben. Die Erfahrungen der Vergangenheit warnen. Die demokratische Verfassung der Weimarer Republik hat ihren Feinden das Sprungbrett hingelegt. Nicht noch einmal darf es sich wiederholen, daß die Freiheiten der Demokratie in dieser unerhörten Weise mißbraucht werden, um Krieg nach außen und Mord nach innen zu propagieren. Das 1. Gebot dieser Stunde lautet: Schützt das Land. Nur wenn wir der Staatsgewalt einmal sicher sein werden, können wir im Geiste der Demokratie großzügig sein.

Wir haben uns wiederholt gegen offene und versteckte Angriffe in der deutschen Presse zur Wehr setzen müssen. Gerade diese mangelnde Bereitschaft, den gemeinsamen Kampf gegen den gemeinsamen Feind zu führen, ist für uns erst recht ein Anlaß, in der VVN alles nur erdenkliche zu tun. Diese Vereinigung wird alles andere sein als ein Veteranenverein alter Kämpfer. Den Opfern und ihren Hinterbliebenen sind es die Überlebenden schuldig, wachsam zu sein und, wenn es nötig ist, einzugreifen. Deshalb wird die Stimme der VVN von jetzt ab deutlich von jedem zu hören zu sein.“


 Heinz Galinski,  (1912 – 1992) beteiligte sich an den OdF-Ausschüssen und war nach der  Gründung der Berliner VVN im Januar 1948 deren Zweiter Vorsitzender für einige Monate bis zu seinem Rücktritt im November des selben Jahres.

Galinski war ein Opfer des Faschismus, ab 1940 musste er Zwangsarbeit leisten. Im Februar 1943 wurde er, ein Jahr nach der Wannseekonferenz, mit seiner Frau und seiner Mutter deportiert und nach leidvollen Jahren in Auschwitz, Dora-Mittelbau und zuletzt Bergen-Belsen 1945 dort von britischen Truppen befreit. Seine Ehefrau und seine Mutter wurden in Auschwitz ermordet.

Von 1949 bis 1992 war er Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und zudem von 1954 bis 1963 war er der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland.

Im Sommer des Jahres 1975 blieb er unverletzt bei einem von unbekannten Tätern verübten Paketbombenanschlag auf ihn. Im September und im Dezember 1998 wurden auf das Grab Galinskis auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Westend zwei Sprengstoffanschläge verübt, dabei wurde der Grabstein fast vollständig zerstört.


Galinskis Wohnsitz in Berlin bis zu seiner 
Deportation 1943. Foto: Ingo Müller, 23.01.2024
Gedenktafel für 
Heinz Galinski an der Schönhauser Allee in Berlin. 
Von dort wurde er 1943 in das 
Konzentrationslager Auschwitz deportiert . Foto: Ingo Müller, 23.01.2024
Galinskis Wohnsitz in Berlin bis zu seiner 
Deportation 1943, Foto: Ingo Müller, 23.01.2024


28.06.2016
Heinz Galinski und seine Erwartungen an die Gegenwart und Zukunft der jüdischen Bevölkerung in Deutschland.
Ein Ausschnitt.
Regie: Manfred Seckinger
gm-tv Berlin

Leider nur ein kurzer Ausschnitt.

Geschichte VVN in Westberlin

Die VVN in Westberlin

Mühsamer Anfang

Die Auflösung der VVN in der DDR und im Osten Berlins Mitte Februar 1953 stellte die VVN im Westen Berlins durch den Wegfall der Berliner Leitungs- und Arbeitsstrukturen vor erhebliche Probleme. Zunächst führten die Westberliner Bezirksverbände ihre Tätigkeit weiter, dann übernahm bis zur Delegiertenkonferenz am 31. Mai 1953 eine provisorische Leitung die Arbeit.

Politische Ausgrenzung

Im Klima des Kalten Krieges, insbesondere unter dem Charakter der „Frontstadt“ Berlin, wurde VVN-Mitgliedern mit der Behauptung, „Anhänger eines totalitären Systems“ zu sein, vom Senat die Anerkennung als Opfer des Faschismus und Entschädigungszahlungen als Verfolgte abgesprochen. Diese Verfolgung und Ausgrenzung konnte um so leichter gelingen, da die Ost-West-Konfrontation,  keine Zwischentöne mehr zuließ, sondern nur noch ein „Entweder-Oder“.

War die Mitgliederzahl der VVN in Westberlin schon im Rahmen der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen der vorangegangenen Jahre stark zurückgegangen, so machte diese “Stockschläge-auf-den-Magen“– Politik, wie sie der damalige Innensenator Lipschitz (SPD) nannte, vielen Mitgliedern Angst, dass sie allein wegen ihrer Organisierung in der VVN ihren Arbeitsplatz oder die Rentenzahlung verlieren könnten, und sie führte zu großer Verunsicherung und Existenzangst. Vielen Mitgliedern wurde die Lebensgrundlage im Westteil entzogen, und bei vielen sank der Mut, sich öffentlich zur VVN zu bekennen, was zu Austritten und einer empfindlichen Schwächung der Organisation führte und eine Verengung des politischen Spektrums bedeutete. Tatsächlich war damit eine kommunistische Dominanz in der VVN eingetreten, die erst nach der Öffnung der VVN 1977 zum „Verband der Antifaschisten“ allmählich zurückging.

Gedenken und Erinnern

Die von der VVN durchgeführten Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Faschismus am zweiten Sonntag im September wurden in den fünfziger und sechziger Jahren wiederholt behindert. Im September 1963 zwangen Polizisten die Teilnehmer, schon am Eingang zur Gedenkstätte Plötzensee die Schleifen von den Kränzen zu entfernen. Später hefteten die Teilnehmer diese Schleifen wieder an die Kränze, worauf die Polizei sie herunterriss.

In den siebziger und achtziger Jahren wurden die Gedenkveranstaltungen der VVN in Plötzensee von einem breiten Bündnis getragen.

Der Berliner Verfolgtenverband begrüßte den Aufbau von Mahn- und Gedenkstätten auf dem Gelände ehemaliger Konzentrationslager des Nazi-Regimes. Zahlreiche VVN-Mitglieder nahmen an den Eröffnungsfeiern in der Gedenkstätten Buchenwald (1958), Ravenbrück (1959) und Sachsenhausen (1961) teil. Es waren bewegende Augenblicke, als sich nach Jahren Überlebende des Konzentrationslagers Ravensbrück wiedersahen und sich in die Arme schlossen. VVN-Mitglieder, Überlebende aus den Konzentrationslagern, die das Lagerleben und den Terror der SS mit grausamen Schikanen in Sachsenhausen erlebt hatten, berichteten in zahlreichen Begegnungen jungen Menschen über ihre Erlebnisse und auch über die Solidarität der Häftlinge. Der Kampf um die Wiedergutmachung an den Opfern des Siemens-Zwangsarbeitslagers im KZ Ravensbrück wurde 1997 von jungen Antifaschistinnen und Antifaschisten im “Aktionsbündnis 150 Jahre Siemens – Entschädigung jetzt“, in dem auch die VVN-VdA aktiv vertreten war, aufgegriffen.

Öffnung

Ein wichtiger Einschnitt in der Geschichte der VVN war 1977 die Öffnung der Vereinigung zum “Verband der Antifaschisten“. Westberliner, die weder Nazi-Verfolgte, Hinterbliebene oder Widerstandskämpfer waren, insbesondere jüngere Antifaschistinnen und Antifaschisten schlossen sich nun der VVN an. Die historische Erfahrung der Zeitzeugen verband sich mit der politischen Motivation und Überzeugung neuer Mitglieder, antifaschistische Arbeit zu leisten, und brachte einen neuen Aufschwung in die Organisation.

Doch die Integration der neuen Mitglieder in die politische Arbeit war ein schwieriger und mühsamer Prozess. Widerstände und Misstrauen gegen die “Neuen“ galt es bei so manchem älteren Kameraden oder Kameradin zu überwinden, und nur in einem gemeinsamen Lernprozess war es möglich, die Vorbehalte aufzubrechen.

Zunächst kam man wöchentlich zur “Jugendgruppe“ zusammen. Viele Ideen für politische Aktivitäten wurden entwickelt und in die Tat umgesetzt, wie Veranstaltungen zum “Widerstand im Arbeitersport“ oder zum Majdanek- und Lischka-Prozess, Flugblattaktionen, Mahnwachen in Erinnerung an Hiroshima am 6. August an der Gedächtniskirche, Fahrten nach Sachsenhausen oder Bildungsabende zu Themen wie: “Faschismus und bürgerliche Gesellschaft“.

Gemeinsam mit älteren Kameradinnen und Kameraden traten die neuen Mitstreiter bei Veranstaltungen anderer Organisationen auf, stellten Info- und Büchertische auf, standen Verfolgte des Naziregimes und die Jungen gegen Nazitreffen, gegen ausländerfeindliche und rassistische Übergriffe zusammen. Schon bald übernahmen die jüngeren Mitglieder Funktionen und Verantwortlichkeiten innerhalb der VVN-VdA. Auch die Galerie Olga Benario ist ein Kind dieser Öffnung.

Gegen das Vergessen

Die Arbeit in den Bezirken galt der Betreuung der Mitglieder und dem Kampf um ihre Wiederanerkennung als Opfer des Faschismus. Hinzu kam die Pflege der Gräber und Gedenktafeln, die oft mehrfach entfernt und beschmiert wurden. Immer wieder wandte sich die VVN gegen das politische und historische „Vergessen“ und bemühte sich, die Geschichte des antifaschistischen Widerstandes in seiner ganzen politischen Breite zu vermitteln und über faschistische Verbrechen und die Täter aufzuklären.

In einem sich verändernden gesellschaftlichen Klima gelang es der VVN, eine wichtige Stimme des Antifaschismus in außerparlamentarischen Bewegungen zu werden. Frauen und Männer aus dem Widerstand nahmen nunmehr über Ausstellungen, Dokumentationen, Publikationen, vor allem aber als Zeitzeugen Einfluss auf das Geschichtsbild eines Teils der jüngeren Generation. Auch der von der Schulsenatorin Laurin (CDU) initiierte Senatsbeschluss, im Jahre 1982 in Schulen und Jugendgruppen keine VVN-Zeitzeugen mehr auftreten zu lassen, konnte dies nicht verhindern.

In der Jugend wuchs das Bedürfnis, mehr über die jüngste Geschichte zu erfahren. Die Gedenk- und Besichtigungsfahrten des Landesjugendringes mit VVN-Zeitzeugen durchbrachen die politische Ausgrenzung gegen die VVN-VdA und trugen dazu bei, dass nach einem von der Alternativen Liste eingebrachten Beschluss im Abgeordnetenhaus vom 27. Juni 1985 VVN-Zeitzeugen wieder von Schulklassen und Jugendgruppen eingeladen werden konnten. Nicht zuletzt war auch ein Ergebnis dieses zähen Ringens, dass ein Entschädigungsfonds für Naziverfolgte, denen in den 50er Jahren wegen ihrer VVN- oder SED-Zugehörigkeit die Entschädigung entzogen worden war, geschaffen wurde.

Die Aufarbeitung der bezirklichen Geschichte von Verfolgung und Widerstand während der Nazidiktatur war in den achtziger Jahren wesentlicher Bestandteil antifaschistischer Arbeit der VVN-VdA. Sie fand viel Zuspruch. In einigen Bezirken wurden Ausstellungen und Broschüren unter Einbeziehung von Mitgliedern der VVN erarbeitet. Im Herbst 1981 veröffentlichte ein Autorenkollektiv unter Leitung der Widerstandskämpfer Emil Ackermann und Wolfgang Szepansky die mit jungen Antifaschisten erarbeitete Broschüre „Erlebte Geschichte – Arbeiterbewegung und antifaschistischer Widerstand in Tempelhof“. Dieser ersten Bezirksbroschüre folgten weitere: 1983 in Reinickendorf und Wilmersdorf, 1984 Tempelhof, dann Kreuzberg, Steglitz und 1987 in Neukölln und eigene Ausstellungen zum Widerstandskampf.

Für das im Rahmen der 750-Jahr-Feier Berlins im Jahre 1987 ausgeschriebene „Berliner Gedenktafelprogramm“ zur Ehrung namhafter Bürger und Bürgerinnen in den Bezirken brachte die VVN zahlreiche Vorschläge zur Ehrung hingerichteter Widerstandskämpferinnen und –kämpfer ein.

International

Unsere Organisation war Mitglied der Internationalen Förderation der Widerstandskämpfer (FIR), und der langjährige Vorsitzende der VVN-VdA, Heinz Schröder, war Mitglied des Büros der FIR. Als 1983 die Auseinandersetzungen um die Gestaltung des Geländes des ehemaligen Prinz-Albrecht-Palais, der berüchtigten Gestapo-Zentrale, begannen, erfuhr die VVN-VdA als Mitglied des “Aktiven Museums“ die praktische Unterstützung der FIR. Sie unterstützte in Briefen an den Regierenden Bürgermeister Westberlins und an den Bezirksbürgermeister von Kreuzberg die Forderung nach der Errichtung einer ständigen Ausstellung auf dem ehemaligen Gestapo-Gelände.

Krise – Umbruch – Aufbruch

Die “Wende“ brachte einschneidende Veränderungen für die VVN-VdA, nachdem die finanzielle Unterstützung, die der Verband aus der DDR erhalten hatte, entfiel. Ein kollektiv arbeitender Vorstand übernahm die Geschäfte. Die Organisation musste angesichts fehlender Zuschüsse, zurückgehender Mitgliederzahlen und politischer Resignation finanziell und politisch auf eine neue Basis gestellt werden.

Lebhafte Kontakte entstanden zu den im Jahre 1990 in Ostberlin entstandenen Basisgruppen des Bundes der Antifaschisten (BdA). Es war zugleich ein mühsamer Prozess der Annäherung, der zahlreiche Diskussionen zu auseinandergehenden Einschätzungen und Positionen einschloss, entstanden aufgrund von unterschiedlichen Erfahrungen. Jedoch fanden wir zusammen. Die VVN-VdA gehört als Kreisorganisation der Berliner VVN-BdA an, die wiederum ein Landesverband der bundesweit organisierten Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten ist.

Autor: Peter Wegner